EUROPÄISCHE UNION : EU auf halbem Weg zur geschlechtergerechten Gesellschaft

12. Juni 2013 // ticker

Gleichstellung: Deutschland unter EU-Durchschnitt von 54 Prozent

zwd Brüssel (kl). Deutschland liegt mit 51, 6 Prozent bei der Gleichstellung von Frauen und Männern unterhalb des Durchschnittswertes der 27 EU-Mitgliedstaaten. Dies zeigt der erste Gender Equality Index der Europäischen Union (EU), den das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) am 13. Juni in Brüssel vorgestellt hat. Demnach liegt die Gleichstellung der Geschlechter in den Bereichen Arbeit, Geld, Wissen, Gesundheit, Zeit- und Machtverteilung im EU-Durchschnitt bei 54 Prozent. SpitzenreiterIn ist Schweden mit einem Gleichberechtigungs-Index von 74,3 Prozent, knapp gefolgt von Dänemark (73,6 %) und Finnland (73,4 %). Die beiden einzigen Länder, die unter der 40-Prozentmarke liegen, sind Bulgarien (37 %) und das EU-Gleichstellungsschlusslicht Rumänien (35,3 %).

Seit ihren Anfängen in den 1950er Jahren hat die Europäische Union (EU) das Ziel, die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern zu beenden. Doch dieses Vorhaben ist lange nicht erreicht.

EU-Mitgliedsstaaten müssen Frauenquoten fördern

Die größte Diskrepanz zwischen Frauen und Männern besteht nach Angaben des ersten Gender Equality Index der EU in den Aufsichtsräten der größten börsennotierten Unternehmen, mit einem EU-Durchschnitt der Gleichstellung von 23.3 Punkten (1 Punkt bedeutet keine, 100 Punkte volle Geschlechtergleichstellung). Insgesamt erreichten Frauen im Bereich der Entscheidungspositionen einen Gleichstellungswert von 38 Punkten. Die EU-Mitgliedstaaten müssten endlich ihre Maßnahmen für verbindliche Quotenregelung verbessern und konkretisieren, lautete das Fazit des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE).

Herman Van Rompuy: Bessere Beschäftigung für Frauen nicht nur Frage der Gerechtigkeit, sondern Gewinn für Gesellschaft und Wirtschaft

Maßnahmen wie Quotenregelungen würden sich konkret auf die Besserstellung von Frauen in allen Lebensbereichen auswirken, schlussfolgerte die EIGE-Direktorin, Virginija Langbakk, anhand der ersten Vergleichserhebung zum Stand der Geschlechtergleichstellung innerhalb der EU-Staaten. Der Datenpool liefere endlich verlässliche Zahlen, um die Gleichstellungspolitiken der EU-Mitglieder und der EU-Institutionen vergleichen und bewerten zu können, erklärte der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy (CD&V). Die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen zu verbessern sei in Zeiten einer grassierenden Arbeitslosigkeit nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern ein Gewinn für Gesellschaft und Wirtschaft, so Rompuy.

Die von der EU gesetzte Beschäftigungsquote im Rahmen der Wachstumsstrategie 2020 - mindestens 75 Prozent der EU-Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren – könnte durch die Aufwertung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt um ein Vielfaches schneller erreicht werden, erklärte EIGE. Die geringe Beschäftigungsquote von Frauen hinge eng mit der überproportional hohen Quote an unbezahlter Pflegearbeit und häuslichen Tätigkeiten zusammen. In diesen Gebieten ergab der EU-Gendervergleich einen Durchschnittswert von 39 Prozent.

Kinderbetreuung: EU-weiter Handlungsbedarf

Ein nachhaltiges Wachstum könne in der EU nur gewährleistet werden, wenn der Anteil von Männern an der Betreuungsarbeit erhöht werde. Außerdem müsse EU-weit das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen nachhaltig ausgebaut werden. Der Europäische Rat hatte bereits im März 2002 in den Barcelona-Zielen bis 2010 eine Betreuungsquote von mindestens 90 Prozent der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren eingefordert. (Siehe zwd-Beitrag: 19 von 27 EU-Staaten verfehlen Betreuungsquote)

Die großen Datenlücken zu Gewaltdelikten an Frauen behinderten die Gewaltbewältigung in der EU ernsthaft, kritisierte EIGE. Geschlechtsspezifische Gewalt bleibe eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen unserer Zeit. Dieser Missstand sei in den geschlechtsspezifischen Ungleichheiten verwurzelt und verstärke diese zugleich. Das ernüchternde Ergebnis des Gender Equality Index müsse alle EntscheidungsträgerInnen dazu bewegen, die Datenlücken im Bereich der Gewalt an Frauen zu schließen.

Der Geschlechterindex - von der Europäischen Kommission vorgeschlagen und vom Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) durchgeführt – bewertet die Gleichberechtigung der Geschlechter jedes EU-Mitgliedsstaates in den Bereichen Arbeit, Geld, Wissen, Gesundheit, Zeit- und Machtverteilung. Gewalt an Frauen und Querschnittsbereiche behandelt der Index aufgrund der schlechten Datenlage separat.

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