UMSETZUNG DER UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION : Behindertenverbände sind von Nationalem Aktionsplan enttäuscht

14. Juni 2011 // zwd Berlin (mhh).

Der am 15. Juni von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention findet nicht die Unterstützung der Menschen mit Behinderungen. Der Plan sei ein Sammelsurium bereits existierender Maßnahmen, dem es an konkreten und verbindlichen Initiativen fehle, lautete die deutliche Kritik vieler Behinderten- und Sozialverbände sowie der Opposition.

Der Aktionsplan wird von nahezu allen Behindertenverbänden abgelehnt. Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, kritisierte, dass im Aktionsplan nur vereinzelte gesetzgeberische und damit tiefgreifende Maßnahmen vorgesehen sind. Bei den über 200 Einzelmaßnahmen vermisst Bauer eine Gesamtstrategie mit verbindlichen Zielen. „Reiner Aktionismus reicht nicht aus, um die in der Konvention festgeschriebenen Menschenrechte in Deutschland zu verwirklichen“, stellte Bauer fest. Der SoVD forderte den Bundestag dazu auf, den Aktionsplan zu überarbeiten.

Dem Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen und der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland fehlen insbesondere ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zum selbstbestimmten Leben behinderter Menschen und der damit verbundene Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz.

Initiative ist „Tropfen auf den heißen Stein“

Auch dem Sozialverband VdK ist der Plan der Regierung zu unverbindlich. Er drohe zu einer gut gemeinten Absichtserklärung zu verkümmern, bemängelte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Als „Tropfen auf den heißen Stein“ bezeichnete Mascher das Ziel der Bundesregierung, 4.000 neue altersgerechte Jobs für schwerbehinderte Menschen über 50 Jahre zu schaffen. Angesichts von über 180.000 arbeitslosen Schwerbehinderten, sei das „bei weitem nicht ausreichend“.

Die Kritik bezieht sich auf die „Initiative Inklusion“, mit der Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) laut Aktionsplan zusätzliche 100 Millionen Euro für die bessere Integration Behinderter in den Arbeitsmarkt bereitstellen will. Neben den Arbeitsplätzen für Ältere sollen ab September über zwei Jahre auch bis zu 10.000 schwerbehinderte Jugendliche auf das Berufsleben vorbereitet werden. Zusätzlich sollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt 1.300 neue betriebliche Ausbildungsplätze für schwerbehinderte Menschen geschaffen werden. Aktuell befinden sich rund 5.800 Schwerbehinderte in einer betrieblichen Ausbildung.

Sonderprogramm ist „Etikettenschwindel“

Die Koalition schmücke sich mit fremden Federn, warf der DGB von der Leyen vor. Das 100-Millionen-Programm speist sich aus dem sogenannten Ausgleichsfonds, in den die Unternehmen einzahlen, die ihrer Pflicht zur Beschäftigung behinderter Menschen nicht ausreichend nachkommen. „Das angebliche Sonderprogramm ist somit reiner Etikettenschwindel, weil diese Mittel ohnehin für Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen“, stellte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach fest. Der Gewerkschaftsbund forderte die Bundesregierung auf, zusätzliche Mittel zur Arbeitsmarkt-Integration von Behinderten zur Verfügung zu stellen, statt durch Kürzungen bei der Arbeitsförderung die ohnehin schwierige Lage weiter zu verschlechtern. Während die Arbeitslosigkeit im Jahr 2010 insgesamt um 5,2 Prozent zurückging, ist sie bei schwerbehinderten Menschen um 4,9 Prozent angestiegen.

„Plan darf nichts kosten und kann nichts bewirken“

Die Oppositionsfraktionen im Bundestag kritisierten den Aktionsplan ebenfalls. Das Papier der Bundesregierung bestehe aus Prüfaufträgen, Modellvorhaben und seit Jahren existierenden Maßnahmen, erklärte der behindertenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Ilja Seifert. Dabei gebe es kein Erkenntnis- sondern nur noch ein Umsetzungsproblem, das breit angelegte Strukturveränderungen notwendig mache. „Bei Lichte besehen handelt es sich um einen Plan, der nichts kosten darf und nichts bewirken kann“, so die Bilanz Seiferts.

Für Markus Kurth, behindertenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, wurde mit dem vorliegenden Aktionsplan eine große Chance vertan, die Politik für behinderte Menschen auf das Fundament der Behindertenrechtskonvention zu stellen. Die Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Silvia Schmidt, forderte, Menschen mit Behinderung aus der Abhängigkeit der Sozialhilfe herauszuholen und die Umsetzung der Konvention nicht unter Haushaltsvorbehalt zu stellen.

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