STUDIE : Betreuungsqualität in deutschen Kitas gestiegen

6. Dezember 2016 // zwd Berlin (hr/ticker).

  • Starkes Ost-West-Gefälle
  • NRW-SPD stellt Ergebnisbewertung in Frage

  • Die Qualität der Bildung und Betreuung in deutschen Krippen und Kindergärten steigt. Auf eine Kita-Fachkraft kommen im Durchschnitt weniger Kinder als vor drei Jahren. Bundesweit ist zum 1. März 2015 eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft für durchschnittlich 4,3 ganztags betreute Krippen- oder 9,3 Kindergartenkinder zuständig. Vor drei Jahren kamen auf eine Fachkraft noch 4,8 Krippen- bzw. 9,8 Kindergartenkinder. Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung, hervor, der am Mittwoch vorgestellt wurde.

    Der Ländermonitor zeigt die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern und somit die unterschiedlichen Bildungschancen je nach Wohnort eines Kindes. Bundesweit ist der Trend zwar positiv, doch in den meisten Bundesländern sind die Personalschlüssel nach Einschätzung der Bertelsmann Stiftung noch immer weit entfernt von einem pädagogisch sinnvollen Wert. Zudem fällt das tatsächliche Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag ohnehin ungünstiger aus als der rechnerisch ermittelte Personalschlüssel. So wenden Kita-Fachkräfte mindestens ein Viertel ihrer Zeit für Team- und Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung auf. Auch zunehmend längere Betreuungszeiten sowie längere Öffnungszeiten der Kitas verschlechtern die Betreuungsrelationen, wenn diese nicht durch zusätzliches Personal abgedeckt werden können.

    Baden-Württemberg Spitzenreiter

    Im Jahr 2015 sind die Unterschiede zwischen den Ländern etwas größer als 2012: Aktueller Spitzenreiter ist Baden-Württemberg (1 zu 7,3), wohingegen in Mecklenburg-Vorpommern fast doppelt so viele Kindergartenkinder pro Kita-Fachkraft betreut werden (1 zu 14,1). 2012 lag der größte Qualitätsunterschied zwischen Bremen (1 zu 8,1) und Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 14,7). Verbesserungen in Kindergartengruppen haben insbesondere Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Nordrhein-Westfalen im Vergleichszeitraum (2012 zu 2015) geschafft. In Brandenburg und Thüringen gab es keine Qualitätsverbesserungen. Im Krippenbereich sind derzeit die Unterschiede zwischen den Personalschlüsseln in den Bundesländern etwas kleiner als 2012. Baden-Württemberg hat auch für die unter Dreijährigen derzeit den bundesweit besten Personalschlüssel (1 zu 3,0). Sachsen ist unter den Bundesländern das Schlusslicht (1 zu 6,4). 2012 war Bremen (1 zu 3,2) Vorreiter und Sachsen-Anhalt hatte den ungünstigsten Personalschlüssel (1 zu 6,9). Sachsen-Anhalt hat neben Hamburg in den Krippengruppen die Personalschlüssel unter den Ländern am stärksten verbessert. Ähnlich groß waren die Anstrengungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In Thüringen und im Saarland hingegen stagniert das Betreuungsverhältnis für die unter Dreijährigen, in Bremen verschlechterte es sich sogar geringfügig.

    Bei den Unterschieden zwischen den Ländern sticht wie auch die Jahre zuvor das große Ost-West-Gefälle heraus. Eine ostdeutsche Kita-Fachkraft ist für 6,1 Krippenkinder zuständig, eine westdeutsche Fachkraft nur für 3,6 Krippenkinder. Dabei besucht in Ostdeutschland auch ein wesentlich größerer Anteil aller Krippenkinder eine Kita: 46,8 Prozent der unter Dreijährigen. In den westdeutschen Bundesländern sind es trotz des Ausbaus nur 23,6 Prozent. Auch in den Kindergartengruppen sind in den westdeutschen Bundesländern (1 zu 8,6) die Betreuungsverhältnisse besser als in den ostdeutschen (1 zu 12,3). Von den älteren Kindern besuchen mittlerweile fast alle Kinder in allen Bundesländern eine Kita, sodass hier kaum noch Unterschiede bei der Inanspruchnahme zwischen den Bundesländern festzustellen sind.

    Linke fordert Finanzierungsbeteiligung des Bundes

    „Im Sinne einer guten frühkindlichen Bildung bedarf es einheitlicher, bundesweit gültiger Mindeststandards, wofür der Bund die Finanzierung sichern muss. Hierfür brauchen wir endlich ein Kitaqualitätsgesetz“, kommentierte Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, die Ergebnisse des Ländermonitors. Um den weiteren Kita-Ausbau bei einer gleichzeitigen Qualitätssteigerung stemmen zu können, brauche man eine Neuregelung der Finanzierung. Der Bund müsse sich zudem zukünftig an den laufenden Kosten beteiligen, forderte Müller. Die SPD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen übte derweil Kritik an der Herleitung der Stiftung durch die Studienergebnisse. „Auch die Bertelsmann Stiftung macht – wie zurzeit wieder häufiger zu beobachten – den Fehler, beitragsfreie Kitas und hohe Qualität gegeneinander zu stellen. Dabei wissen alle, die sich intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt haben, dass hohe Kita-Gebühren keineswegs eine hohe Kita-Qualität hervorrufen. Ein Blick nach Rheinland-Pfalz zeigt, dass das Gegenteil richtig ist“, sagte der familienpolitische Sprecher Wolfgang Jörg. Seine Fraktion verfolge weiterhin mehrere Ziele gleichzeitig: „Beitragsfreiheit, bessere Personalschlüssel, Sicherheit für die Beschäftigten, Planungssicherheit für die Kommunen und insgesamt eine Verbesserung der pädagogischen Qualität.“ Gebührenfreiheit und Qualitätssteigerung stellten mitnichten Gegensätze dar, sondern gehörten vielmehr zusammen, betonte Jörg.

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