BERUFSBILDUNGSBERICHT 2013 : DGB: Jeder dritte Lehrstellenbewerber geht leer aus

14. Mai 2013 // zwd Berlin (at).

Bundeskabinett hat am Mittwoch den Berufsbildungsbericht 2013 beschlossen | Bundesbildungsministerin Wanka lobte die „Integrationskraft“ des Dualen Systems. DGB, SPD und Grüne hingegen äußerten nachdrücklich Kritik an der aktuellen Situation

Rund 76.000 junge BewerberInnen konnten sich im letzten Jahr zum gesetzlichen Stichtag am 30. September keinen Ausbildungsplatz sichern, gleichzeitig blieben 33.750 Lehrstellen unbesetzt. Diese Bilanz geht aus dem Berufsbildungsbericht 2013 hervor. Trotzdem bewertet die Regierung die Ausbildungschancen in Deutschland als „weiterhin gut“. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hob in diesem Zusammenhang besonders die erneute Verringerung der Zahl der „Altbewerber“, die sich schon seit längerem erfolglos um eine Lehrstelle bemüht hätten, hervor. Außerdem sei die Zahl der Jugendlichen, die nach ihrem Schulabschluss zunächst an Maßnahmen im Übergangsbereich teilgenommen hätten, seit 2005 von 417.647 auf 266.732 gesunken. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die SPD und die Grünen hielten dagegen, dass immer noch viel zu viele junge Leute überflüssig in solchen Programmen festgehalten würden.

Immer weniger Betriebe bilden aus

Der Berufsbildungsbericht zeigt: 2012 kamen 551.272 Ausbildungsverträge zustande, was ein Minus an 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet und damit den niedrigsten Wert seit 2012. Als Ursachen werden im Berufsbildungsbericht die Abschwächung der Konjunktur im zweiten Halbjahr 2012 benannt sowie ein mit der demografischen Entwicklung verbundener Bewerberrückgang. Der Bericht verdeutlicht aber auch, dass grundsätzlich immer weniger Betriebe ausbilden: Waren es 2008 noch 24 Prozent, so nahmen 2012 nur noch 21,7 Prozent Auszubildende an. Sibylle Bauer von der IHK München und Oberbayern macht für den Rückgang der Ausbildungsmotivation seitens der Unternehmen die potenziellen Auszubildenden und die Schulen verantwortlich. Die Bewerbungen der Jugendlichen seien häufig zu schlecht, die „Ausbildungsreife“ der jungen Menschen lasse zu wünschen übrig. Die Schulen seien in der Pflicht, hier bessere Vorbereitungsarbeit zu leisten.

Echte Chancen für junge Leute

Gegen solche Erklärungsansätze wandte sich Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende. Wer Jugendlichen suggeriere, die Situation am Ausbildungsmarkt sei entspannt, der wecke „falsche Hoffnungen“. Vor allem junge Hauptschüler hätten es schwer, denn die Hälfte aller Ausbildungsberufe sei für HausptschülerInnen von vornherein nicht zugänglich. Die Unternehmen müssten ihr Einstellungsverhalten ändern und „jungen Menschen mit schlechten Startbedingungen echte Chancen einräumen.“ Zwar sei es richtig, dass einzelne Branchen Schwierigkeiten hätten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, aber das sei vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe der Fall, das den Jugendlichen die schlechtesten Ausbildungsbedingungen und die niedrigsten Vergütungen biete. Jeder zweite Ausbildungsvertrag werde hier gelöst. Um dagegen anzusteuern, müssten die Unternehmen den Jugendlichen gute Ausbildungsbedingungen, eine bessere Bezahlung und günstige Perspektiven gewährleisten.

Der „Maßnahmendschungel“ muss gelichtet werden

Katja Mast, stellvertretende arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, und Willi Brase, zuständiger Berichterstatter der SPD-Fraktion für Berufliche Bildung, machen in ihrer Kritik an der Lage auf dem Ausbildungsmarkt vor allem auf den undurchsichtigen „Maßnahmendschungel“ des Übergangsbereichs aufmerksam. Die über 100 Bundes- und Länderprogramme müssten auf „einige wenige effektive und praxisorientierte Angebote“ reduziert werden. Außerdem steckten zu viele Jugendliche in Maßnahmen, die nicht zu berufsqualifizierenden Abschlüssen führten. Sogar die Geschäftsführung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages sei davon überzeugt, dass 100.000 der jungen Leute sofort erfolgreich mit einer Ausbildung, zumindest jedoch mit einer Einstiegsqualifizierung starten könnten. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, schlägt die SPD ein Sofortprogramm ‚2. Chance auf Berufsausbildung’ für die 1,5 Millionen junge Erwachsene zwischen 25 und 35 ohne Berufsabschluss vor. Ohne eine Berufsausbildung ist es nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion nicht möglich, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Vermittlung in eine Ausbildung solle deshalb Vorrang vor der Vermittlung auf einen Arbeitsplatz erhalten.

Warteschleifen bringen Betriebe und Jugendliche nicht zueinander

Auch der bildungspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Kai Gehring, konstatierte, dass immer noch zu viele Jugendliche nach dem Schulabgang in Übergangsmaßnahmen landen würden statt in einer Berufsausbildung. Solche Warteschleifen könnten für die jungen Menschen keine Brücken in die Betriebe hinein bauen. Vernachlässige man in Deutschland das Ausbildungssystem, so werden nach Gehring „Fachkräftemangel und arbeitslose Jugendliche“ das Ergebnis sein. Die von Ministerin Wanka „gefeierte Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt“ bezeichnete er als „Trugschluss“. Um die Chancen für Jugendliche beim Berufseinstieg zu stärken, solle die Bundesregierung das Ausbildungsmodell ‚DualPlus’ umsetzen, mit dem die Grünen das duale Ausbildungssystem reformieren und unabhängiger von der wirtschaftlichen Konjunktur machen wollen.

Derzeit keine konkreten Gegenmaßnahmen in Sicht

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erklärte zwar, dass auch die jungen Menschen, die derzeit noch ohne Ausbildungsplatz sind, gebraucht würden, „um künftig den Fachkräftenachwuchs in Deutschland sicherzustellen.“ Doch Berufsbildungsexperten vermissen sowohl im Berufsbildungsbericht wie auch in den BMBF-Erklärungen Strategien, wie die bisher vergeblich Suchenden in den Ausbildungsmarkt integriert werden könnten.




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