„Versorgungslage von ungewollt Schwangeren verbessern“
Die fraktionsübergreifende Gruppe der Abgeordneten hat zusätzlich zu ihrem Gesetzentwurf (20/13775) einen Antrag mit dem Titel „Versorgungslage von ungewollt Schwangeren verbessern“ (20/13776) vorgelegt. Kern des Gesetzentwurfs ist die geplante Regelung, wonach ein Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche grundsätzlich nicht mehr rechtswidrig sein soll. Darüber hinaus soll gemäß der geltenden Rechtslage ein Schwangerschaftsabbruch weiterhin – bei Vorliegen einer medizinischen Indikation nach deren ärztlicher Feststellung – bis zum Beginn der Geburt rechtmäßig sein. Der Entwurf begründet die Neuregelung wörtlich mit der Feststellung: „Aufgrund der praktischen Auswirkungen stellt die geltende Regelung des Schwangerschaftsabbruchs eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer dar und kann ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit Schaden zufügen. Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, Regelungen über den Schwangerschaftsabbruch widerspruchsfrei so in die Gesamtrechtsordnung zu integrieren, dass die grundrechtlichen Positionen in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Das erfordert die Akzeptanz eigenverantwortlicher Entscheidungen Schwangerer über die Schwangerschaft jedenfalls in den ersten Wochen der Schwangerschaft. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht zugunsten von Embryonen und Feten steht einem solchen Konzept nicht entgegen. Die Schutzpflicht adressiert den Staat, nicht die Schwangere. Die Grundrechte der Schwangeren setzen staatlichem Handeln Grenzen.“
Kostenübernahme durch Krankenkassen
Neben der Neuregelung plädiert die Abgeordnetengruppe in ihren zusätzlich vorgelegten Entschließungsentwurf dafür, dass Schwangerschaftsabbrüche kostendeckend durch die Krankenkassen finanziert werden und Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen werden. Den Krankenkassen müsse außerdem möglichst gleichzeitig ermöglicht werden, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten und für eine Kostenübernahme bei Geringverdienenden zu sorgen. Entsprechend soll auch der Zugang zu nicht verschreibungspflichtigen Notfallkontrazeptiva wie zur sogenannten Pille danach gewährleistet werden.
Mehr Forschungsmittel für Verhütung – auch für Männer | Versorgungslage verbessern
Eine bisher selten öffentlich artikulierte Forderung des fraktionsübergreifend gestellten Antrages zielt auf die Bereitstellung von mehr Forschungsmitteln für Verhütungsmittel für alle Geschlechter, gerade auch für Männer. Einschränkend heißt es dazu aber: „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“. Die Antragsteller:innen halten es für geboten, dafür zu sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche besser in die medizinische Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten integriert werden und über die Approbationsordnung zu einem verbindlichen Inhalt des Lernzielkatalogs werden.
Die Versorgungslage bei ungewollter Schwangerschaft müsse dringend verbessert werden, fordern die Antragsteller:innen unter Hinweis auf die durch das Bundesministerium für Gesundheit geförderte sogenannte ELSA-Studie zu den Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer, deren wesentliche Ergebnisse im April 2024 veröffentlicht worden sind. Diese Untersuchung habe gezeigt: „Fast 60 Prozent der befragten Frauen, die eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen, haben Schwierigkeiten, den Schwangerschaftsabbruch zu organisieren, insbesondere, weil sie den Schwangerschaftsabbruch geheim halten wollen oder müssen. Fast 60 Prozent der Befragten stießen auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Informationen.“
FDP-Politikerinnen für Neuregelung, aber erst in der nächsten Legislaturperiode
Mehr als 70 Verbände und Institutionen haben die Abgeordneten des Bundestages aufgefordert, dem Gesetzentwurf jetzt zuzustimmen. Sie widersprechen damit auch Erwägungen von Parlamentarierinnen aus der FDP-Bundestagsfraktion, die sich nach einem Bericht des Berliner „TAGESSPIEGEL“ für eine Neuregelung ausgesprochen haben, diese aber erst nach der Bundestagswahl beschließen wollen. Die Zeitung nennt dabei die Namen der einflussreichen Abgeordneten Gyde Jensen, Konstantin Kuhle, Ria Schröder, Bettina Stark-Watzinger und Johannes Vogel. Die Abgeordneten wollen damit offenbar Rücksicht auf die öffentlich geäußerten Positionen des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner und seines neuen Generalsekretärs Marco Buschmann nehmen. Buschmann hatte sich bereits in seiner Zeit als Bundesjustizminister gegen eine Neuregelung gewandt und damit eine entsprechende Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eindrücklich unterstützt. Die FDP kommt damit als selbsterklärte Rechtsstaatsverteidigerin in Erklärungsnöte.
Während die Linke sich eindeutig für die Reform erklärt hatte, ist die Haltung des BSW unklar. Dort wird, wie es heißt, darüber diskutiert, ob es parteitaktisch klug sei, durch deren Unterstützung der rot-grün-linken Initiative zum Erfolg zu verhelfen. Andererseits gehören der BSW-Gruppe ehemalige Parlamentarier:innen der Linken an, die sich früher für eine Neuregelung des § 218 stark gemacht hatten.