LÄNDERMONITOR FRÜHKINDLICHE BILDUNGSSYSTEME : Kita-Qualität bedroht? - GEW: “Brauchen mehr Fachkräfte”

9. Dezember 2024 // Ulrike Günther

Die Erziehungsgewerkschaft (GEW) fordert mehr Personal in Kitas. Dort sinkt der Anteil qualifizierter Fachkräfte dramatisch, wie aus dem Ländermonitor Frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Nur rund ein Drittel der Einrichtungen verfügt über 80 Prozent Erzieher:innen mit pädagogischem Berufsabschluss. Forscher:innenn warnen vor einer Abwärtsspirale von Überlastung und Abwanderung und setzen sich fûr höhere Fachkraft-Quoten ein.

Qualifiziertes Kita-Personal verbessert die Kinder-Betreuung. - Bild: flickr/ LKolind
Qualifiziertes Kita-Personal verbessert die Kinder-Betreuung. - Bild: flickr/ LKolind

zwd Berlin. Die GEW sieht im drastischen Rückgang der Rate qualifizierter Erzieher:innen in Kitas eine “erhebiche Bedrohung der Qualität der frühkindlichen Bildung” , wie Doreen Siebernik, im Gewerkschaftsvorstand für Jugendhilfe und Sozialarbeit verantwortlich, anlässlich der Verõffentlichung des Ländermonitors am 04. Dezember erklärte. Kita-Beschäftigte müssten enorme Belastungen stemmen, eine steigende Zahl sei in Teilzeit tätig oder wandere gar in andere Berufsfelder ab. In der Kinderbetreuung brauche man “nicht nur mehr Fachkräfte” , betonte Siebernik, “auch die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden", um die spezifischen Anforderungen der Gesellschaft an die frühe Bidung zu gewährleisten. Laut Monitor ist der Anteil der Kita-Einrichtungen mit über 80 Prozent qualifiziertem Personal von bundesweit durchschnittlich 41 Prozent 2017 auf 32 Prozent im Jahr 2023 gesunken. Die stärksten Rückschritte seien in Berlin (-- 18 Prozent) zu beobachten, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (- 15 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (-- 14 Prozent).

GEW fordert Strategie für höhere Fachkräfte-Quoten

Vehement wandte sich GEW-Vorstandsmitglied Siebernik gegen Debatten, die darauf ausgerichtet seien, auf Kosten des Fachpersonals eine “De-Professionalisierung” zu betreiben. Die Gewerkschaft stelle sich Versuchen entgegen, die “wichtige und qualitativ hochwertige Arbeit der Beschäftigten” quasi “durch die Hintertür” abzuwerten. Siebernik mahnte, ein “kritischer Moment” sei erreicht. Der Einsatz nicht ausreichend ausgebildeten Personals in der Früherziehung dürfe “nicht zur dauerhaften Praxis werden”. Sie empfahl den auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene Zuständigen den konsequenten Ausbau der Strukturen in der Früherziehung. Siebernik hält “eine langfristige Strategie” fûr nötig, um verbesserte Fachkräfte-Quoten und Arbeitskonditionen zu erzielen. Als besorgniserregend wertet die Gewerkschaft insbesondere den Mangel an Kitaplätzen. Bereits 2025 könnten nach GEW-Angaben über 429.000 Familien möglicherweise ihr Recht auf Kinderbetreuung nicht einlõsen. GEW-Jugendhilfe-Vorsitzende Siebernik sprach sich für bundesweit vereinheitlichte Qualitätsstandards aus, um gleiche Chancen für die Kinder zu verwirklichen.

Regional starke Unterschiede beim Anteil qualifizierten Personals

Für eine kindgerechte Früherziehung erachten die Forscher:innen der Bertelsmann Stiftung eine höhere Rate qualifizierter Mitarbeiter:innen für zentral. Zwar sei es in Zwangslagen vertretbar, “aufgrund des Platz- und Personalmangels” fachspezifische Ansprüche in der Kita-Betreuung vorübergehend herabzusetzen, sagte die Leiterin des Bildungsprogramms der Stiftung und Fachfrau fûr Früherziehung Anette Stein. Wie die GEW warnte sie vor einer - schon in mehreren Bundesländern zu verzeichnenden - Tendenz, wenn dies zu einem “dauerhaften Absenken der Fachkräfte-Quote” führen sollte.

Regional weisen die Kitas hinsichtlich der beruflichen Qualifikationen der Betreuer:innen gröẞere Unterschiede auf. In Ostdeutschland fällt der Anteil der Kita-Teams mit mehr als 82,5 Prozent qualifiziertem Personal mit 35 Prozent (Berlin) bis 89 Prozent (Thûringen) deutlich höher aus als im Westen, wo lediglich zwischen 36 Prozent (Hessen) und 3 Prozent (Bayern) der Erzieher:innen adäquat ausgebildet sind. Die Forscher:innen heben unter Rückgriff auf diverse Studien hervor, dass geringere Fachkräfte-Quoten die Güte der pädagogischen Tätigkeit vermindern und die fachliche Unterweisung von nicht einschlägig qualifizierten Mitarbeiter:innen für die übrigen Erzieher:innen eine weitere Belastung darstellt.

Hõhere Überlastung und Abwanderung in personell unterbesetzten Kitas

Wie eine neuere Untersuchung der Justus Liebig Universität Giessen zeigt, schätzen 69 Prozent der Kita-Betreuer:innen die Arbeitsbelastung als hoch bis sehr hoch ein. Fast 64 Prozent von insgesamt 21.635 befragten Kita-Beschäftigten beschrieben die personelle Situation in der Einrichtung als immer oder meistens unterbesetzt ein. In diesen Kitas klagten die Mitarbeitenden mit ca. 49 bis 67 Prozent eindeutig mehr über häufige oder tägliche Überlastung als in immer oder meistens gut besetzten Kindergärten, wo die Erzieher:innen zu rund 21 bis 32 Prozent über zu hohe Belastung im Berufsalltag berichteten. Das beeinflusst der Studie zufolge auch die Arbeitszufriedenheit und die Wahrscheinlichkeit, sich beruflich umzuorientieren.

In personell unzureichend ausgestatteten Kitas sind 35 bis 56 Prozent der pädagogischen Mitarbeiter:innen mit ihrer Tätigkeit sehr unzufrieden, in mit Fachkräften besser versorgten Einrichtungen bloẞ etwa 17 bis 21 Prozent. Ebenso korreliert das Abwanderungsrisiko von Erzieher:innen mit der personell schwächeren Ausstattung. Ca. 57 bis 66 Prozent der in solchen Einrichtungen Beschäftigten spielen ernsthaft mit dem Gedanken (Wahrscheinlichkeit 60 – 100 Prozent), innerhalb von 5 Jahren den Beruf zu wechseln. Demgegenüber sind es in personell besser aufgestlellten Kitas 34 bis 47 Prozent. Am meisten würden nach Aussagen der unabhängigen Stiftung jüngere Mitarbeiter:innen zwischenn 26 und 30 Jahren eine Abwanderung in andere berufliche Felder erwägen.

Bildungs-Forrscherin: Kita-Teams professionell beraten und begleiten

Je mehr Kita-Betreuer:innen sich andere Jobs suchten, desto höher würde die Belastung für die anderen Erzieher:innen, so die Fachfrau für frühkindliche Bildung Stein, was “noch mehr Abwanderung” bewirken kõnne. Diese Abwärtsspirale gelte es zu durchbrechen, forderte die Forscherin. Aus diesem Grunde unterstütze die Bertelsmann Stiftung die Empfehlung des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), wonach die Fachkräfte-Quote in Kitas stufenweise auf 72,5 bzw. 85 Prozent anzuheben sei. Sie kritisierte, dass die erhöhte Rate qualifizierten Personals nicht in das vom Parlament im Oktober beschlossene erweiterte Kita-Qualitäts- und Teilhabegesetz aufgenommen sei. Um dennoch die Lage in den Kinderbetreuungs-Einrichtungen rasch zu entspannen, schlug die Früherziehungs-Expertin Stein vor, von ihren fachlichen Voraussetzungen heterogen zusammengesetzte Kita-Teams professionell, bei finanzieller Absicherung, beratend und begleitend zu unterstützen.

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