zwd Berlin. Das im gesamten Bundesgebiet erreichbare Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ verzeichnete vom 13. bis 19. April, verglichen mit der ersten Aprilwoche, eine Zunahme der Nachfrage von Frauen nach Beratung um 17,5 Prozent, wie eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) der Deutschen Presseagentur (dpa) mitteilte. Es sei nun ein Trend festzustellen, nachdem sich die Menge der über das Hilfetelefon gesuchten Beratungsgespräche zunächst ähnlich entwickelt hatte wie im Vorjahr, sagte die Sprecherin des BMFSFJ.
Giffey: Begrenzung auf zu Hause bringt für viele Familien Stress
Familienministerin Giffey machte am Montag (20. April) deutlich, dass sie die wachsende Inanspruchnahme des Hilfetelefons als eine Folge der aktuellen Corona-Krise wertet. Das erzwungene Begrenztsein von Paaren und Familien auf die enge Privatsphäre erzeuge für diese einen besonderen Stress. Von häuslicher Gewalt sind vor allem Frauen und Kinder betroffen. Die fehlende professionelle Kinderbetreuung durch Kindergärten und Schulen wirkt zusätzlich belastend auf viele der im Home-Office arbeitenden Eltern.
Giffey hält es deshalb für möglich, Kitas unter gewissen Voraussetzungen noch vor dem August wieder zu öffnen. Insbesondere sprach sie sich dafür aus, über die Betreuung von Vorschulkindern nachzudenken, welche ihre letzten Kita-Wochen vor dem Schulanfang verlebten. Spielplätze sollten nach Ansicht der Familienministerin gerade in den Städten zumindest teilweise wieder geöffnet werden. Fachleute und Politiker*innen hatten am Beginn der Corona-Krise vielfach vor einem Ansteigen bei der im häuslich-familiären Umfeld verübten Gewalt gewarnt. Die Schutzmaßnahmen sperrten die Familien faktisch in ihre Wohnungen ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, der Situation auszuweichen und wie gewohnt in Klubs, Cafés, Fitness-Studios, zu Freunden oder ins Kino zu gehen. Darüber hinaus würde die soziale Kontrolle fehlen, die sonst Kitas, Schulen oder Bekannte übernehmen.
Aussagekräftige Kriminalstatistiken fehlen bisher
Bisher liegen laut dpa jedoch kaum belastbare Daten, wie z.B. aus Kriminalstatistiken, vor. Ein Sprecher der Münchner Polizei wies darauf hin, seine Behörde habe bis dahin „keine besorgniserregenden Steigerungen festgestellt und kein erhöhtes Fallaufkommen“. Häufig käme es jedoch zu nachträglichen oder verspäteten Anzeigen.
Auch das nordrhein-westfälische Innenministerium hatte nach den Osterfeiertagen bekanntgegeben, dass die Gewalttaten in dem westdeutschen Bundeslang, anders als zuvor befürchtet, nicht zugenommen hätten. Die registrierten Gewaltdelikte seien sogar um 30 Prozent zurückgegangen. Nach Angaben von dpa meldeten Hilfseinrichtungen und Behörden anderer Bundesländer ebenfalls keine deutliche Steigerung der Fallzahlen in den Familien. Im Allgemeinen gehen Expert*innen bei der häuslichen Gewalt aber von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.
Mehr häusliche Gewalttaten im Berliner Raum
Hingegen berichtet die Berliner Polizei von einer erheblichen Zunahme bei den Einsätzen aufgrund von Gewalt im familiären Umkreis. Wie der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) berichtete, mussten die Polizeiwagen in der Woche vom 08. bis 13. April insgesamt 332 Mal aufgrund von Notrufen ausrücken, etwa 54 Prozent öfter als in der Woche vor Ostern 2019. Die Karwoche lag im vorigen Jahr allerdings demgegenüber zeitlich versetzt (vom 14. bis 21. April).
Die Anzahl erfasster Straftaten im Bereich der häuslichen und innerfamiliären Gewalt hat sich Aussagen des rbb zufolge ebenfalls während der Corona-Krise erhöht. Demnach traten von Mitte März bis Mitte April in Berlin wöchentlich zwischen 260 und 303 Fälle von Gewalthandlungen auf, im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 251 bis 281 Fälle. Straftaten wurden um bis zu 15 Prozent öfter während der Krise jede Woche zur Anzeige gebracht als 2019.
Weniger Konflikte in ländlichen Regionen
Bereits Anfang des Monats April hatte Familienministerin Giffey gegenüber der dpa erklärt, das BMFSFJ erhalte „unterschiedliche Rückmeldungen“ aus den einzelnen Ländern und Regionen. In ländlichen Gebieten sei das „Konfliktpotenzial nicht so hoch“, und entsprechend würden keine zusätzlichen Fallzahlen vermeldet. Schon in der letzten Märzwoche sei aber z.B. in Berlin die Gewalt um 10 Prozent gestiegen. Bei dem Hilfetelefon für Kinder und Jugendliche „Nummer gegen Kummer“ gingen ca. 20 Prozent mehr Anrufe von Kindern und Eltern ein, wie Giffey dem Nachrichtenmagazin zeit online mitteilte. Der Zuwachs sei vielleicht teilweise durch die verstärkte Werbung des BMFSFJ für die Rufnummer begünstigt.