GUTACHTEN : Behinderte Kinder haben ein Recht auf Regelschule

27. Januar 2010 // zwd Berlin (gev).

Eine Zuweisung zur Sonderschule gegen ihren erklärten Willen müssen Kinder und ihre Eltern schon jetzt nicht mehr dulden

Das Recht ist auf Seiten der Eltern, die wollen, dass ihre behinderten Kinder gemeinsam mit nicht behinderten Kindern die Schule besuchen. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten des renommierten Völkerrechtlers Prof. Eibe Riedel. Demnach begründet die UN-Behindertenrechtskonvention diesen Anspruch für das einzelne Kind unabhängig von anders lautenden Schulgesetzen.

Zudem sind Bund und Länder verpflichtet, zügig eine inklusive Bildung zu verwirklichen und dafür auch Qualitätsmaßstäbe festzulegen. Das Gutachten hatte der Elternverband „Gemeinsam Leben – gemeinsam Lernen“ und der Sozialverband Deutschland (SoVD) vor dem Hintergrund in Auftrag gegeben, dass Kinder mit Behinderung hierzulande immer noch vor verschlossenen Türen stehen. Mit einer Integrationsquote von 15,7 Prozent ist Deutschland Schlusslicht in Europa.

Prof. Riedel: Gefordert ist ein inklusives Schulsystem

Prof. Riedel hob hervor, dass die Bundesländer nun zügig die Forderungen der UN-Konvention, die in Deutschland im vergangen Jahr in Kraft getreten ist, in ihre schulrechtlichen Gesetze und Vorschriften umsetzen müssen. Gefordert sei ein inklusives Schulsystem, so der Rechtswissenschaftler, der auch Mitglied des UN-Ausschusses für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in Genf ist.

Der SoVD-Präsident Adolf Bauer wies darauf hin, dass die UN-Konvention, die einen so umfassenden Umbau des Schulsystems fordert, den Ländern gewisse Übergangsfristen zugestehe. Jedoch müssten bis spätestens binnen zwei Jahren nachhaltige Änderungen auf den Weg gebracht worden sein. Aus dem Gutachten gehe auch hervor, dass Tatenlosigkeit einem Verstoß gegen die Konvention gleichkomme, betonte Bauer am 28. Januar vor Presseleuten in Berlin. Zudem verbiete das Gutachten den Ländern, sich auf leere Kassen zu berufen. Nötigenfalls müssten Umschichtungen vorgenommen werden.

Niedersachsen Schlusslicht bei Inklusion

Die Inklusion ist in den 16 Bundesländern höchst unterschiedlich entwickelt. Während in Bremen nach Zahlen der Kultusministerkonferenz fast 45 Prozent der behinderten Kinder Regelschulen besuchen, sind es beim Schlusslicht Niedersachsen weniger als fünf Prozent. Der SoVD attestiert den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, dass ein politischer Wille hin zu einem inklusiven Schulsystem nicht erkennbar ist.

„Eine Zuweisung zur Sonderschule gegen ihren erklärten Willen müssen Kinder und ihre Eltern schon jetzt nicht mehr dulden.“ Diese Feststellung aus dem Gutachten unterstrich Camilla Dawletschin-Linder, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“. Eltern hätten nunmehr juristische Argumente in der Hand, wonach ihre Kinder Anspruch auf Zugang zur Regelschule haben.

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