KI-Strategie im Fokus
Die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Potenziale“ hat sich in ihrer Sitzung am 10. Dezember mit der jüngst vorgestellten Strategie der Bundesregierung zur Künstliche Intelligenz (KI) befasst. Dazu berichteten drei Vertreter der federführenden Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi), Bildung und Forschung (BMBF) sowie Arbeit und Soziales (BMAS).
Um Künstliche Intelligenz (KI) in Deutschland zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern, will die Bundesregierung laut Strategie (Drs. 19/5880) bis 2025 ca. drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Mittel eine Hebelwirkung in Wirtschaft, Wissenschaft und Ländern entfalten, die mindestens zu einer Verdoppelung der Mittel führen werde. In der Strategie skizziert die Bundesregierung Ziele und Handlungsfelder der kommenden Jahre. Grundlegend soll nach Willen der Bundesregierung Forschung, Entwicklung und Anwendung der KI in Deutschland und Europa auf ein „weltweit führendes Niveau“ gebracht werden. „Artificial Intelligence (AI) made in Germany“ solle zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel werden, heißt es in der Strategie. Die Bundesregierung sieht als einen zweiten Zielvektor die „verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Entwicklung und Nutzung von KI“ an. Als dritte Zielorientierung ist in der Strategie vorgesehen, einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu führen und die Entwicklung aktiv zu gestalten, um KI „ethisch, rechtlich, kulturell und institutionell in die Gesellschaft“ einzubetten.
Oliver Wittke (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, betonte die Bedeutung der Schlüsseltechnologie KI: „Wenn wir den Wohlstand steigern wollen, dann müssen wir die Entwicklung vorantreiben.“ „KI made in Germany“ sei Teil einer europäischen Antwort auf den Wettbewerb mit China und den Vereinigten Staaten. Aus wirtschaftspolitischer Sicht bestünden „große Chancen in der KI“. Die Technologie werde Treiber künftiger Produktivitätssteigerungen sein, prognostizierte der Staatssekretär. Wittke ging dabei auch auf die erwarteten Umbrüche ein: „Wir können nicht Jobs vor dem Fortschritt schützen.“ Wichtig sei es vielmehr, Beschäftigte zu unterstützen, sich entsprechend weiterzubilden. „Nur mit Akzeptanz wird KI erfolgreich sein“, so der Christdemokrat. Wittke verwies darauf, dass die KI-Strategie der Bundesregierung unter anderem als ein Ziel formuliere, Deutschland als KI-Standort zu stärken. Bei der Grundlagenforschung sei Deutschland etwa mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sowie Max-Planck-Instituten sehr gut aufgestellt. Problematisch sei allerdings der Transfer in die Wirtschaft sowie die Anwendungsforschung. Dazu müsse die KI-Kompetenz kleiner und mittlerer Unternehmen gestärkt werden, sagte Wittke und verwies auf entsprechende Maßnahmen der KI-Strategie.
Michael Meister (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, hob hervor, dass das Ministerium schon seit 30 Jahren mit KI befasst sei. Es sei aber „sehr lange als reines Forschungsthema gesehen worden“. Das habe sich inzwischen geändert. Meister stellte heraus, dass in der KI-Strategie zahlreiche Vorhaben enthalten seien, die das BMBF betreffen. Wichtig sei es unter anderem, „Talente anzulocken und in Köpfe zu investieren“. Rein über das Geld werde das aber nicht gelingen, sagte der Staatssekretär mit Blick auf die privatwirtschaftliche Konkurrenz in den USA. Wichtig sei vielmehr, ansprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen. Meister verwies zudem auf die in der Strategie angekündigten 100 neuen KI-Professuren. Dazu sei die Bundesregierung aber auf die Mitwirkung der Länder angewiesen. Neben der Schaffung dezentraler Forschungsstrukturen und der Vernetzung mit Frankreich hob Meister ebenfalls die Bedeutung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Wirtschaft hervor.
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, sagte, die KI-Anwendung sei noch in einer frühen Phase. Damit gebe es noch Zeit, arbeits- und sozialpolitisch zu gestalten. Das müsse die Politik auch tun, um zu verhindern, dass KI spaltend wirke. Dabei gehe es um „Chancen und Schutz im Wandel und nicht Schutz vor dem Wandel“, sagte der Minister. Heil verwies auf den Fachkräftemonitor seines Hauses, nach dem bis 2025 durch den technologischen Wandel 1,3 Millionen Jobs verschwinden, aber gleichzeitig bis zu 2,1 Millionen neue Jobs entstehen könnten. Diese und andere Studien böten zwar keine absolute Gewissheit. Sie seien aber „so wahrscheinlich, dass wir uns darauf einstellen sollten“. Als eine der wesentlichen, auch in der KI-Strategie benannten Herausforderungen hob Heil die Weiterbildung hervor. Dies sei zunächst Aufgabe der Unternehmen. Allerdings gebe es bei kleinen- und mittleren Unternehmen Anlass zur Sorge mit Blick auf die Geschwindigkeit des Prozesses. Dabei unterstütze die Bundesregierung unter anderem mit dem jüngst beschlossenen Qualifizierungschancengesetz. Zudem muss laut Minister eine „Kultur der Weiterbildung“ etabliert werden. Heil ging außerdem auf die Veränderungen der digitalen Arbeitswelt und ihre Folgen für betriebliche Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte ein. Die Mitgestaltung der Entwicklung durch die Beschäftigten sei wichtig für die Akzeptanz der Entwicklung, betonte Heil. Grundsätzlich dürfe es aber keine „Schnellschüsse“ beim Regulieren geben, sagte der Minister. Die Bundesregierung wolle dazu „betriebliche Experimentierräume“ unterstützen.
Einfluss der Digitalisierung auf Berufsbilder
Die Einschätzungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren am 10. Dezember Thema einer öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“. In der fünften Sitzung des Gremiums unter Vorsitz von Stefan Kaufmann (CDU) stellten Expert*innen der Institute den Stand der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der digitalen Arbeitswelt vor und antworteten auf die Fragen der Abgeordneten und Sachverständigen.
Neben der Mitwirkung an der Entwicklung, Implementation und Evaluation bundesweit gültiger Aus- und Fortbildungsregelungen finde am BIBB auch Bildungsforschung zur Stärkung der beruflichen Bildung statt, erklärte BIBB-Forschungsdirektor Hubert Ertl in der öffentlichen Anhörung. In der Forschung zeige sich „ein großes Spektrum von weitgehend digitalisierten Wirtschaftszweigen bis hin zu wenig von der Digitalisierung berührten Wirtschaftsbereichen“. Die Digitalisierung beschleunige dabei den Strukturwandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. Allerdings gehe man in Prognosen für das Jahr 2035 davon aus, dass unter Einbezug der demographischen Entwicklung die Beschäftigungsquote beständig bleibe. „Natürlich wird es aber einen großen Umschwung auf dem Arbeitsmarkt geben. Immerhin sind 16 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse betroffen“, sagte Ertl.
Nehme man eine Mikroperspektive ein, zeige sich ein sehr unterschiedliches Ausmaß der Digitalisierung in den Ausbildungsberufen: Beim Mediengestalter seien über 80 Prozent der Aufgaben digitalisiert, bei Landwirten hingegen nur etwa 30 Prozent, so Ertl. Er prognostizierte, dass die Arbeitsorganisation vernetzter werde und die Notwendigkeit von Selbstlernkompetenzen durch die Digitalisierung verstärkt werde. Dabei müssten insbesondere auch die mediendidaktischen Kompetenzen des Bildungspersonals, zum Beispiel durch Weiterbildung gestärkt werden, betonte er.
Für 2023 gehe die Forschung von einer Automatisierungswahrscheinlichkeit von Berufen in Höhe von 47 Prozent aller Berufe aus. Diese sei für das IAB allerdings nicht realistisch, sagte Britta Matthes (IAB): „Nicht Berufe, nur Tätigkeiten sind ersetzbar“, stellte sie klar. In einer Untersuchung habe man stattdessen die Substituierbarkeitspotenziale einzelner Berufsfelder analysiert: Für den Lager- und Transportarbeiter zeige sich etwa, dass 2016 bereits 86 Prozent der Tätigkeit durch technische Möglichkeiten ersetzt werden könne. „Wir erwarten die stärksten Veränderungen in Verkehrs- und Logistikberufen“, sagte Matthes. In Berufen, die mit der Digitalisierung Schritt gehalten hätten, etwa in der Krankenpflege, zeige sich, dass die Veränderungen nicht zur Erhöhung der Potenziale beigetragen haben.
Bereits im Jahr 2013 seien 15 Prozent der Arbeitnehmer in Berufen tätig gewesen, in denen 70 Prozent der Tätigkeit durch Maschinen erledigt werden können. Dieser Wert habe nur drei Jahre später schon bei 25 Prozent gelegen, betonte Matthes. „Dazu kommt, dass sich die Regionen sehr unterschiedlich entwickeln“. Es habe sich gezeigt, dass Berufsbilder nur selten mit technologischen Entwicklungen Schritt halten könnten. Daher müsse der Prozess des Erstellens von Ausbildungsordnungen überdacht werden. Um Passungsproblemen, also dem Auseinanderklaffen zwischen Angebot und Nachfrage zu entgegnen, müsse zudem mehr über Umschulungen nachgedacht werden.
Ute Leber (IAB) berichtete von einem Rückgang der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung, insbesondere im kleinbetrieblichen Segment: „Wir sehen einen starken Anstieg bei der Nichtbesetzungsquote, insbesondere in Ostdeutschland“. Mehr als 50 Prozent der Ausbildungsstellen seien nicht besetzt und die vergebenen Plätze konzentrierten sich auf bestimmte Branchen und Berufe. Die Zahl der vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverträge kumuliere vor allem in Branchen wie der Gastronomie und Beherbergung, aber auch im Baugewerbe, sagte Leber. Bei der betrieblichen Weiterbildung lasse sich hingegen ein Anstieg erkennen: So nehme ein Drittel aller Beschäftigten an Weiterbildungen teil - die Weiterbildungschancen seien dabei allerdings sehr ungleich verteilt: „Diejenigen, deren Tätigkeit in der Zukunft deutlich stärker von der Digitalisierung betroffen sein könnten, sind deutlich weniger repräsentiert“.
Die Abgeordneten und Sachverständigen fragten unter anderem, ob eine frühe Spezialisierung in der Ausbildung in der Zukunft noch sinnvoll sei und ob eher Arbeitsplatzprofile und eine Art Bausteinprinzip notwendig seien. Auch die Frage, ob die Klein- und Kleinstbetriebe stärker in den Fokus genommen werden müssten, interessierte die Mitglieder der Enquete-Kommission in ihren Nachfragen.
Mindestvergütung für Auszubildende
Die Mindestvergütung für Auszubildende soll bundesweit und über Branchen hinweg einen sozialen Mindeststandard für die Auszubildenden im Anwendungsbereich des Berufsbildungsgesetzes sichern. Das betont die Bundesregierung in ihrer Antwort (Drs. 19/6171) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (Drs. 19/5713). Die regionale und branchenspezifische Spreizung der Vergütung soll nach unten hin begrenzt werden, und gleichzeitig soll die Attraktivität dualer Berufsausbildungen gestärkt werden.
Die Liberalen hatten in ihrer Anfrage betont, dass CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart hätten, bis zum 1. August 2019 eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz zu verankern. Konkrete Ziele dieser Maßnahme und Berechnungsgrundlagen für die Höhe der Vergütung seien jedoch nicht genannt worden.
Ergebnissen der Berufswahlforschung zufolge seien die Kriterien der Jugendlichen bei der Beurteilung der für sie in Frage kommenden Berufe und Ausbildungsplätze sehr vielfältig. Sie reichten von einer interessanten Tätigkeit über passende Arbeitsbedingungen bis zur sozialen Anerkennung, die der Beruf vermittle. Die sogenannten BA/BIBB-Bewerber*innenbefragungen zeigten, dass sich die meisten Ausbildungsstellenbewerber auch ein möglichst hohes Einkommen, beziehungsweise während der Ausbildung auch schon eine überdurchschnittlich hohe Ausbildungsvergütung wünschen. Allerdings gebe es Aspekte, die ihnen im Schnitt noch wichtiger seien. Dazu gehören gute Übernahme-, Arbeitsmarkt- und Aufstiegschancen, sichere Arbeitsplätze und ein gutes Betriebsklima. Auszubildende sollen vor Vergütungen geschützt werden, die flächendeckend und branchenübergreifend sozial-, bildungs- und wirtschaftspolitisch nicht mehr als angemessen angesehen werden können. Die sachgerechte Höhe der Mindestausbildungsvergütung ist Gegenstand von laufenden beziehungsweise anstehenden regierungsinternen Beratungen, betont die Bundesregierung.
Über die gesamte Ausbildungsdauer hinweg hätten die tariflichen Ausbildungsvergütungen im Gesamtdurchschnitt aller Berufe 2017 in Westdeutschland im ersten Ausbildungsjahr bei 799 Euro, im zweiten Jahr bei 875 Euro, im dritten Jahr bei 966 Euro, im vierten Jahr bei 998 Euro und im Durchschnitt über die gesamte Ausbildungsdauer bei 881 Euro pro Monat gelegen. In Ostdeutschland hätten die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2017 im ersten Ausbildungsjahr 748 Euro, im zweiten Jahr 822 Euro, im dritten Jahr 902 Euro, im vierten Jahr 971 Euro und im Durchschnitt über die Ausbildungsdauer 827 Euro betragen.
In Westdeutschland gebe es die niedrigste Ausbildungsvergütung im Durchschnitt über die gesamte Ausbildungsdauer 2017 im Beruf Schornsteinfeger mit insgesamt 518 Euro. Die höchste Vergütung im Durchschnitt sei in den Berufen des Bauhauptgewerbes (zum Beispiel Maurer*innen und Zimmerleute) mit insgesamt 1.110 Euro gezahlt worden. In Ostdeutschland sei die niedrigste tarifliche Ausbildungsvergütung im Durchschnitt über die gesamte Ausbildungsdauer im Beruf Fleischer*in 383 Euro vereinbart worden. Am höchsten sei die Vergütung im Durchschnitt im Beruf Binnenschiffer*in mit insgesamt 1.072 Euro gewesen. Am schwersten seien Auszubildende als Fachverkäufer*in im Lebensmittelhandwerk, Klempner*in und Fleischer*in zu besetzen gewesen.
Neben einer ausbalancierten und unbürokratischen Mindestausbildungsvergütung will die Bundesregierung transparente berufliche Fortbildungsstufen zur Stärkung der „höherqualifizierenden“ Berufsbildung im Berufsbildungsgesetz verankern, das Prüfungswesen flexibilisieren, die Teilzeitausbildung stärken und ein Entbürokratisierungs- und Modernisierungspaket auf der Grundlage der Handlungsempfehlungen aus dem Evaluationsbericht schnüren. Die Bundesregierung strebt dabei eine ausgewogene und zukunftsorientierte Novelle des Berufsbildungsgesetzes an: Sie soll junge Menschen für eine duale Berufsausbildung oder Fortbildung gewinnen und gleichermaßen Unternehmen im dualen Ausbildungsgeschehen halten oder neu dafür begeistern.