Debatte über eine Bundestagspräsidentin: Noch früh, aber notwendig
Es ist zwar noch drei Jahre Zeit, doch in allen demokratischen Fraktionen des Bundestages diskutieren die weiblichen Abgeordneten über die Auffassung, dass es nach 12 Männern im Amt des Bundespräsidenten seit Gründung der Bundesrepublik an der Zeit ist, dass eine Frau in das höchste Staatsamt gewählt wird. Kandidatinnen gäbe es genug und die Debatte darüber ist jetzt in Gang gesetzt worden. Die amtierende Bundespräsident Frank Walter Steinmeiner zeigt keine Anzeichen von Amtsmüdigkeit, weshalb er aus heutiger Sicht sein Amt bis 2027 ausüben wird.
Würde aktuell ein Bundespräsident (oder eine Bundespräsidentin) neu zu wählen sein, hätte die amtierende Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) zweifellos die größten Chancen. Die aus Duisburg stammende 54jährige hat sich - nicht zuletzt durch ihre souveräne Amtsführung - auch beim politischen Gegner aus den Reihen von CDU und CSU Respekt und Ansehen erworben. Als weitere Frau aus den Reihen der SPD werden auch der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig gute Aussichten bescheinigt, "wenn sie denn anträte".
Gerne Bundespräsidentin werden würde auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, derzeit Stellvertreterin von Bas und Vizepräsidentin des Bundestages. Die in Thüringen beheimatete im Jahre 2027 61jährige, die wie Bundestagspräsidentin Bas am gleichen Tag (3. Mai) geboren ist, könnte auf die Unterstützung ihrer Partei rechnen. Das gälte allerdings auch für andere Frauen aus dem grünen Lager: Zuerst Bundesfrauen- und -familienministerin Lisa Paus (56), aber ebenso auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die mit ihrer souveränen Rolle auf dem außenpolitischen Parkett, auf dem sich eine Bundespräsidentin bewegen müsste, allgemein anerkannt ein sehr gutes Bild abgibt. Allerdings könnte Baerbock ihr "jugendliches Alter" (2027: 47 Jahre) den Weg ins Bellevue erschweren.
Bündnisgrüne streben nach dem höchsten Staatsamt
Bündnis 90/Die Grünen hält es ohnehin für geboten hält, dass ein(e) Politiker:in aus ihren Reihen zum Zuge kommt. Bislang kamen die Bundespräsidenten alle aus dem Spektrum von CDU (7), SPD (3), CDU oder FDP (2). Allerdings lässt sich eine Prognose nicht stellen, weil zuvor der Bundestag und einige Landtage neu gewählt werden müssten. Dadurch können sich die Gewichte in der Bundesversammlung bis 2027 verschieben. Am größten könnten ihre Chancen dann sein, wenn es nach der Bundestagswahl 2025 zu einer Koalition von CDU/CSU und Grünen käme. Dabei würde die Position einer künftigen Bundespräsidentin oder eines Bundespräsidenten zur "Verhandlungsmasse" in etwaigen Koalitionsverhandlungen zählen.
In den Unionsparteien wäre gegenwärtig wohl die Stellvertretende CDU-Parteivorsitzende und schleswig-holsteinische Kultusministerin Karin Prien erste Wahl. Allerdings hätte sie bei einer aktuell anhängigen Wahl keine Chancen, weil die in Amsterdam geborene jüdisch-stämmige Politikerin bei einer Neuwahl des Bundespräsidenten auf die Zustimmung von SPD und Grünen angewiesen wäre. Dort wird auch die im Vergleich zu Steinmeier fehlende außenpolitische Erfahrung ins Feld geführt. Trotzdem bliebe bei einer regulären Neuwahl des Bundespräsidenten im Jahre 2027 die dann 62jährige aus heutigem Blickwinkel noch im Rennen.
Tagesspiegel trat die Debatte los: "Eine Frau für Schloss Bellevue"
In die Öffentlichkeit getragen hat die Debatte der Berliner Tagesspiegel mit einer Titelgeschichte "Eine Frau für Schloss Bellevue". Verbunden war die Berichterstattung mit einem Titel auf Seite 1 mit Bildern der Bundesfrauen- und -familienministerin Lisa Paus (Grüne), der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), der FDP-Verteidigungsexpertin Mari-Agnes Strack-Zimmermann und Karin Prien. Dreyer wird im Tagesspiegel mit den Worten zitiert: "Es wäre gut, wenn sich die demokratischen Parteien auf eine qualifizierte Frau als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten einigten". Und "eine Ermunterung für viele Frauen in Deutschland und darüber hinaus", ergänzte Dreyer, die im Tagesspiegel mit eine zwei Seiten umfassenden Interview gefeatured wird. Ähnlich positiv positionieren sich im Tagesspiegel auch die abgebildeten Paus, Strack-Zimmermann und Prien, wobei laut der Berliner Zeitung Prien eine "kleine Hintertür" lässt: "Auch ein Mann, 'der diese typischen weiblichen Eigenschaftenmitbringt', wäre aus ihrer Sicht ein guter Präsident". Dann wird allerdings CDU-Chef Friedrich Merz, wenn er denn 2027 noch Parteichef, aber nicht Kanzler geworden wäre, mit den Füßen scharren. Wäre, wäre, Fahrradkette.
Ohnehin wird das Postulat, dass es eine Frau als Bundespräsidentin geben sollte, bei Unionsfrauen wie Dorothee Bär (CSU) und Julia Klöckner (CDU) abschlägig bewertet. Ähnlich wie die Forderung, den Anteil der Frauen im Bundestag durch eine paritätisch ausgerichtete Wahlrechtsregelung weit über die aktuelle Quote von 35 Prozent zu erhöhen, die bei der kommenden Bundestagsdebatte zum Internationalen Frauentag am 15. März auf der Agenda steht.
Lesen Sie dazu im zwd-POLITIKMAGAZIN 401: Neuer Anlauf zur Parität.