zwd Berlin. Wortlaut des Interviews mit Dr. Barbara Stiegler:
zwd-POLITIKMAGAZIN: Barbara, Du hast in der Ausgabe 377 des zwd-POLITIKMAGAZINs am April vergangenen Jahres die Errichtung der Bundesstiftung Gleichstellung reklamiert. Nun liegt der Gesetzentwurf vor und der Bundestag hat in erster Lesung den Auftakt für die parlamentarische Bearbeitung gegeben. Mit Blick auf die Debatte: Siehst Du positive Effekte?
Dr. Barbara Stiegler: Sie war –verglichen mit manchen anderen frauenpolitisch relevanten Debatten – insgesamt ein Lichtblick. Für mich am überzeugendsten hat Josephine Ortleb (SPD) argumentiert: Gleichstellung sei strukturell herzustellen und dazu bräuchten wir auch wirksame Strukturen. Ein Teil dieser Strukturen wird die Stiftung in Zukunft sein. Und sie hat hinzugefügt, dass die Stiftung zur Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung gehöre, das halte ich für ganz entscheidend. Darüber hinaus hat Ortleb auch der Zivilgesellschaft für die Unterstützung gedankt, das war berechtigt und hat mich gefreut. Hervorheben möchte ich auch den Redebeitrag der zuständigen Berichterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Silvia Breher, die der Stiftung einen wesentlichen Beitrag für die Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik zugewiesen hat.
zwd: Gut, soweit die Regierungsfraktionen, die mit der Formulierungshilfe der Bundesregierung das Gesetz auf den Weg gebracht haben. Wie gehen die Oppositionsfraktionen mit dem Vorhaben um?
Stiegler: Alle Parteien, außer der AfD, haben die Gründung prinzipiell begrüßt. Für die Grünen kommt die Gründung schon „zu spät“, sie hätte in der Coronakrise eine große Bedeutung bekommen können, indem sie vorher alle zu treffenden Maßnahmen auf die Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse hätte prüfen können. Das ist richtig. Die FDP möchte, dass die Stiftung als ein „chancenpolitischer Innovations-Inkubator“ agiert. Die Linke kritisierte vor allem, dass für die vorbereitenden Diskussionen zu wenig Zeit war und bleibt. Sie fordert eher noch einen Zuwachs an Kompetenzen für die Stiftung. Nur der Redebeitrag der AFD (Andreas Ehrhorn) war einfach nur polemisch.
zwd: Du bist ja Mitglied in dem Netzwerk GMEI und ihr habt Euch ja stark für die Bundesstiftung eingesetzt. Was denkst Du denn über den Gesetzentwurf?
Stiegler: Die Gründung selbst und auch die formulierten Aufgaben für die Bundesstiftung sind sehr zu begrüßen. Dabei legen wir großen Wert auf die Verknüpfung der Arbeit der Bundesstiftung mit der Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung. Diese Verbindung sollte auch explizit in die Aufgaben, die im Gesetz formuliert sind, aufgenommen werden. Wichtig sind uns auch der Wissenstransfer aus der Geschlechterforschung in alle Bereiche der Gesellschaft, die Beratung insbesondere der Verwaltungen sowie die Unterstützung der Zivilgesellschaft durch wissenschaftliche Expertise.
Nach dem Gesetzentwurf werden wir jedoch eine Einrichtung bekommen, deren Arbeit sehr stark von den politischen Kräfteverhältnissen im deutschen Bundestag geprägt sein wird: Die oder der jeweilige für Gleichstellung zuständige Minister:in als Vorsitzende des Stiftungsrats und die Vertreter:innen der jeweiligen parlamentarischen Fraktionen als alleinige Mitglieder der Stiftungsrates haben entscheidenden Einfluss auf die Arbeit der Stiftung, personell und inhaltlich. Darüber hinaus bestimmt der Haushaltsausschuss des Bundestages jährlich über die verfügbaren Mittel. Diese geballte politische Steuerung steht schon in einem gewissen Widerspruch zu der postulierten „Unabhängigkeit“ der Stiftung. Als Gegengewicht kann die Stiftung zwar selbstständig Spenden einwerben und im Stiftungsbeirat sind die Zivilgesellschaft sowie die Wissenschaft vertreten (neben den Bundesländern und den Kommunen). Aber der Stiftungsbeirat hat nur beratende Funktionen. Der „starke Arm der Politik“ ist unübersehbar. Und das halte ich für problematisch.
zwd: Was ist denn an dem Gesetzentwurf veränderungs- sprich verbesserungsbedürftig?
Stiegler: Aus unserer Sicht sind vier Veränderungen in dem Gesetzentwurf wünschenswert:
1. Eine enge Verknüpfung der Bundesstiftung mit der Gleichstellungsstrategie:
Der Stiftungszweck sollte ergänzt werden durch die Aufgabe, die Gleichstellungspolitik des Bundes im Rahmen der Gleichstellungsstrategie zu beraten und zu unterstützen.
2. Eine Verstärkung der Unabhängigkeit der Stiftung:
Solange der Stiftungsbeirat nur Vorschlags- und Anhörungsrechte haben soll, müssen Stiftungsrat und Stiftungsbeirat besser verzahnt werden, etwa durch eine wirksame Beteiligung von mindestens vier Personen aus dem Stiftungsbeirat im Stiftungsrat. Ansonsten werden die Potentiale der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft nicht ausreichend für die Arbeit der Stiftung genutzt werden können.
3. Eine Verstärkung der Beteiligung der Zivilgesellschaft
Im Stiftungsbeirat sind vier Plätze für die Zivilgesellschaft vorgesehen, das wird zum Engpass, denn wir haben zum Glück in Deutschland eine Vielfalt von Verbänden und NGO’s, die mitmachen möchten und sollten. Daher sollten im Stiftungsbeirat mindestens sechs Plätze für die Zivilgesellschaft vorgesehen werden.
4. Eine Korrektur der personellen Struktur
Das Direktorium soll eine Doppelspitze bekommen, das halten wir für nicht unbedingt notwendig. Nach dem Gesetzentwurf muss das Direktorium (2 hauptamtliche Stellen) geschlechterparitätisch besetzt werden. Einerseits liegt darin eine symbolische Geste, die zeigen soll, dass Gleichstellungspolitik auch von Männern getragen wird. Das ist auch sehr wichtig. Aber: Bei diesen beiden hauptamtlichen Stellen kommt es ganz besonders auf die spezifische Qualifikation an. An der Spitze der Bundesstiftung sollten Personen mit ausgezeichneter Genderkompetenz, langjähriger gleichstellungspolitischer Kompetenz, Erfahrungen in der Kooperation mit politischen Institutionen wie Parlamenten und Ministerien und einer Verankerung im Feld der geschlechterpolitischen Akteur:innen stehen. Da die Auswahlmöglichkeiten unter Frauen* sicherlich größer sein werden, sollte für die Besetzung des Direktoriums keine Bestimmung zum Geschlecht der Stelleninhaber:innen getroffen werden. Das gewährleistet, dass die besten „Köpfe“ für diese wichtige Position ausgewählt werden können.