Absage der FDP wohl endgültig - JuLis bleiben stumm
Gemäß der Parteilinie der FDP-Spitze wie auch deren Fraktion hatte zuletzt die Stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Gyde Jensen einer Verabschiedung des Gruppenantrages in dieser Legislaturperiode eine Absage erteilt. Sie argumentierte in einem Statement für das zwd-POLITIKMAGAZIN, der Gesetzentwurf solle nicht als „Schnellschuss“ durchs Parlament gebracht werden. Vielmehr müsse diese Reform von einer parteiübergreifend getragenen Mehrheit verabschiedet werden, die nicht „wechselnden politischen Strömungen unterliegt“.
Auch bei den Jungen Liberalen (JuLi), die sich ursprünglich für eine
offene Behandlung im Bundestag eingesetzt hatten, herrscht inzwischen
Funkstille, wie eine Nachfrage des zwd-POLITIKMAGAZINs erbrachte. Die
FDP-Jugendorganisation will angesichts der Turbulenzen, in denen sich
die Partei angesichts des drohenden Nichteinzugs in den Bundestag
befindet, wenige Tage vor dem 23. Februar offenbar kein Öl in die absehbaren
innerparteilichen Debatten über den politischen Kurs der Partei gießen.
Die JuLi-Vorsitzende Franziska Brandmann hatte mitteilen lassen, dass
sie sich zu den Fragen des zwd-POLITIKMAGAZINs nicht äußern wolle.
FDP-Gutachter: Pro und Contra
Aufgeboten zur Unterfütterung dieser Argumentation hat die FDP-Bundestagsfraktion eine Strafrechtsexpertin – als erklärte Gegnerin der Gesetzesreform – sowie einen weiteren Strafrechtsexperten, der sich für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ausgesprochen hat:
Prof.in Dr. Frauke Rostalski (Universität Köln) bezeichnet die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen als eine erhebliche Verschlechterung der gegenwärtigen Rechtslage, der sich der Gesetzgeber nicht anschließen sollte. Sie hält die geltende Regelung des § 218 für verfassungskonform, hingegen den Gesetzentwurf der 328 Abgeordneten für verfassungswidrig, weil dieser entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen erheblichen Verlust des Schutzes ungeborenen Lebens zur Folge hätte. Dieser ergebe sich aus der geplanten Regelung, wonach die Abschaffung der dreitägigen Wartefrist zwischen Beratung und Durchführung des Abbruchs sowie eine generelle Straffreistellung der Schwangeren vorgesehen seien.
Sachverständiger Befürworter der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs: Prof. Gaede (Hamburg)
Als weiteren Sachverständigen hat die FDP-Bundestagsfraktion den Direktor des Instituts für Medizinrecht an der Bucerius Law School (Hamburg) Prof. Dr. Karsten Gaede benannt, der durch Veröffentlichungen zum Arztstrafrecht in der Praxis bekannt geworden ist. Gaede hat sich in einem am 22. Januar 2025 in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) veröffentlichten Beitrag mit weiteren acht Rechtsprofessor:innen zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruch bekannt. In dem Gastbeitrag heißt es, mit der gesetzlichen Neuregelung werde "nichts wird 'übers Knie gebrochen'". Es habe sich gezeigt, dass es dem ungeborenen Leben gerade nicht helfe, „Schwangere mit Gefängnis zu bedrohen oder mit einem juristischen Unwerturteil zu belegen“.
11 Sachverständige, darunter bekannte Gegner der Reform
Zu der Anhörung sind insgesamt 11 Expert:innen eingeladen (3 auf Veranlassung der SPD, 3 CDU/CSU, 2 Grüne, 2 FDP und 1 AfD). Aus den schriftlichen, bereits vorab auf der Bundestagsseite veröffentlichten Stellungnahmen wird deutlich, dass die auf Einladung der CDU/CSU-Fraktion geladenen Sachverständigen den Entwurf eindeutig ablehnen:
Prof. Matthias David (Gynäkologie, Charité Berlin, DGGG-Koordinator für die aktuelle Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch): „Eine Verschlechterung der Versorgungslage (wie sie die ELSA-Studie unterstellt – Red.) in den letzten Jahren ist nicht nachweisbar.“
Prof. Michael Kubiciel (Strafrecht,Uni Augsburg): „Der Gesetzentwurf widerspricht mehreren Leitsätzen der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 88, 203) und ist mit zentralen Maßstäben beider einschlägigen Entscheidungen des Ersten und Zweiten Senats des BVerfG – kurz: der verfassungsdogmatischen Gesamtstatik des vorgeburtlichen Grundrechtsschutzes – unvereinbar. (…) Die Rechtspositionen Schwangerer werden vornehmlich symbolisch gestärkt. (…) Der Entwurf wirkt in Bezug auf Ärzte sogar dysfunktional – (durch eine) Verschlechterung der Rechtsposition von Ärzten.“
Prof. Gregor Thüsing (Universität Bonn, Mitglied des Deutschen Ethikrates): „Die vorgeschlagenen Änderungen sind umso mehr abzulehnen, als sie nach den Maßstäben des BVerfG klar verfassungswidrig sind. (…) Es ist wichtig, Fragestellungen dieser Tragweite den notwendigen Diskursrahmen zu geben und gesellschaftlich hart errungene Kompromisse nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen – kein Hauruck-Verfahren jetzt auf den letzten Metern der Legislaturperiode“.
Sondersitzung des Rechtsausschusses und des Bundestages
Um den Gesetzentwurf noch über die parlamentarischen Hürden zu bringen, würde es einer Sondersitzung des Rechtsausschusses (zu genehmigen durch die Bundestagspräsidentin) bedürfen. Dem 30-köpfigen Rechtsausschuss gehören jeweils 12 Abgeordnete von SPD und CDU/CSU, 6 der Grünen, 5 der FDP und 4 der AfD an. Die Gegner einer jetzigen Beschlussfassung sind mit 20:19 Abgeordneten knapp in der Mehrheit. Nach einer Befassung des Rechtsausschusses würde eine Sondersitzung des Bundestags-Plenums erforderlich, die von einem Drittel der Abgeordneten verlangt werden kann. Dafür würde die Zahl der Unterstützer des Gesetzentwurfs (328) allemal ausreichen. Zur endgültigen Beschlussfassung wären allerdings bis zu ca. 40 Abgeordnete aus dem FDP-Lager nötig. Und die sind einstweilen nicht in Sicht.