zwd Berlin. So kommt der Genderforschung nach Auffassung der Fraktion eine herausragende Bedeutung zu, wenn es darum geht, große gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Sie erweise sich in diesem Sinne als „äußerst produktiv“, heißt es in der Kleinen Anfrage (Drs. 19/11023) zu den „Potentialen der Genderforschung in Wissenschaft und Gesellschaft“. Durch ihre interdisziplinäre Herangehensweise, mit der sie die Verhältnisse der Geschlechter in kultureller, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht beleuchtet, mache die Forschung auch den Zusammenhang zu Kategorien wie sozialem Status, Herkunft und gesellschaftlichen Machtverhältnissen deutlich. Diesem Stellenwert werde die Bundesregierung jedoch insbesondere bei der Förderung von Forschung und Lehre auf diesem Gebiet „seit Jahren“ nicht gerecht, so die Grünen weiter.
Regierung offenbart „Planungslosigkeit“ beim Fördern von Genderforschung
„Angesichts der Anfeindungen von rechts soll die Bundesregierung die Disziplin auf sichere Füße stellen“, forderte Kai Gehring, wissenschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Wer Drohungen oder Anfeindungen erfahre, wie die Genderforschung, müsse auch Unterstützung bekommen. Im Vergleich mit anderen Staaten der Europäischen Union schneide Deutschland relativ schlecht ab, wie einem Monitoring zum europäischen Forschungsraum zu entnehmen sei, erklärte Gehring.
In ihrer Antwort (Drs. 19/11752) hebt die Bundesregierung zwar hervor, dass sie der Genderforschung „große Bedeutung“ beimesse, was sich auch im Koalitionsvertrag abbilde. Dieser attestiere der Geschlechterforschung, sie liefere „wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse“, welche die Probleme bei der Gleichstellung von Frauen und Männern nach ihren „Ursachen und Mechanismen“ erklären. Außerdem sei es der Regierung sehr wichtig, dass die Genderstandards bei den von ihr geförderten Forschungsvorhaben eingehalten werden. Geschlechterforschung unterstütze der Bund im Rahmen des Förderbereichs „Chancengleichheit und Vielfalt in Wissenschaft und Forschung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nach speziellen sog. Förderrichtlinien, welche z.B. dafür sorgen sollen, dass mehr Frauen sich in Wissenschaft und Wirtschaft beteiligen oder zukunftsträchtige MINT-Berufe ergreifen, erläutert die Regierung weiter. Damit bekräftigt sie ihren schon in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion (Drs. 18/13365) geäußerten Standpunkt, dass geschlechterbezogene Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung für ihre Aufgaben und Ziele „unerlässlich“ seien. Die Antwort der Bundesregierung offenbare „ihre Planungslosigkeit bei der Förderung der Gender- und Geschlechterforschung“, deren Wert erkenne sie aber bloß auf dem Papier an, krisierte Gehring. Die Regierung solle neben der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft auch die Genderforschung angemessen fördern, anstatt beide Aspekte zu vermischen und auf diese Weise die Geschlechterstudien zu vernachlässigen.
Schlechte Ergebnisse im EU-Vergleich: Forschungsetat liegt unter dem Durchschnitt
Tatsächlich geht aber aus der Antwort der Bundesregierung hervor, dass nur ein frappierend geringer Anteil der für wissenschaftliche Zwecke eingesetzten Mittel in die Geschlechterforschung fließen. Lassen sich die Ausgaben des BMBF seit 2017 aufgrund der Laufzeiten mehrerer wichtiger Projekte bloß in etwa auf einen zweistelligen Millionenbetrag abschätzen (zum Vergleich: der Gesamthaushalt des Ministeriums beläuft sich seit 2017 auf jährlich ca. 17 bis 18 Milliarden Euro), sind die das Budget der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) betreffenden Zahlen eindeutig: Bei einem Gesamtetat von 2,84 Milliarden Euro im Jahr 2018 beträgt die für Genderforschung ausgegebene Summe gerade einmal 19,5 Millionen Euro, was einem Anteil von nur 0,7 Prozent entspricht. Mit diesen Geldern finanzierte die DFG 267 Einzelvorhaben. Dies hatte sich allerdings gegenüber dem Jahr 2017 leicht verbessert, als die DFG nur 220 Projekte mit 16,8 Millionen Euro (0,6 Prozent des bewilligten Gesamtetats) gefördert hatte. Auch der von Gehring zitierte „Forschungsbericht zum Europäischen Forschungsraum“ (EFR) stellte fest, dass Deutschland sowohl was die Gleichstellung der Geschlechter als auch den von der Forschung zu berücksichtigen Aspekt der Gleichstellung betrifft, unter dem EU-Durchschnitt liegt. Im Hinblick auf die geschlechterbezogene Dimension in den Inhalten der Forschung belegte Deutschland im Ranking für die Jahre 2014 bis 2017 von 44 untersuchten EU-Länder lediglich den 31. Platz.