INTERNATIONALER FRAUENTAG 2025 : Keine Debatte? Der Bundestag würde eine Chance verpassen

8. März 2025 // ticker

Mit einem Appell an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP sowie der Gruppe der Linken hat sich die Gesellschaft Chancengleichheit (GesCh) dafür eingesetzt, die seit vielen Jahrzehnten obligatorische parlamentarische Debatte aus Anlass des Internationalen Frauentages im Bundestag nicht ausfallen zu lassen. Das Bundesparlament, das noch bis zur Konstituierung des 21. Bundestages am 25. März voll funktionsfähig ist, sollte nach einem Vorschlag der GesCh möglichst die geplanten Plenumssitzungstage am 13. oder 17./18. März für eine frauen- und gleichstellungspolitische Debatte nutzen, heißt es in einem vorab veröffentlichten Beitrag im zwd-POLITIKMAGAZIN unter der Rubrik "Chancen.Gleichheit & Politik".

Warum im alten Bundestag keine Frauentags-Debatte zum 8. März 2025?

Ein Beitrag von Holger H. Lührig, Sprecher der Gesellschaft Chancengleichheit e.V.,
für die Ausgabe 406 des zwd-POLITIKMAGAZINs

Eigentlich folgt der Bundestag mit seinen Debatten anlässlich des Internationalen Frauentages einer langjährigen Tradition. Doch in diesem Jahr hat das Bundesparlament infolge der vorgezogenen Bundestagswahl dafür offenbar keine Zeit gefunden. Dabei könnten, wie sich im Fall der Schuldenaufnahme für Verteidigung und Infrastruktur zeigt, bis zum 24. März noch Plenarsitzungen des alten Bundestags angesetzt werden. Warum also nicht jetzt noch eine Frauentags-Debatte? Sie könnte in mehrfacher Hinsicht bedeutsam sein. Ein Appell.

Zu erinnern ist daran, dass die meisten der alljährlichen Plenumsdebatten im Bundestag aus Gründen der Sitzungsplanung nicht am 8. März, sondern einige Tage vorher oder später stattfanden. Diese Sitzungen lassen sich bis in die Zeit der 80er Jahre zurückverfolgen und sind für die Historie der Gleichstellungspolitik eine spannende Fundgrube (mehr dazu in einer Zusammenstellung unter www.chancengleichheit.de). Insofern spricht nichts dagegen, diese Debatte noch vor Ende der Legislaturperiode anzusetzen. Eben an einem der vorgesehenen Sitzungstage, am 13. sowie am 17. oder 18. März.

Was spräche dafür?

  • Es könnte nach drei Jahren Ampel gezeigt werden, wie die Regierung unter dem scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz mit ihrem Anspruch, das Jahrzehnt der Gleichstellung bis 2030 zu forcieren, vorangekommen ist.
  • Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz könnte nach seinen genderfeindlichen Reden und seinen despektierlichen Äußerungen, warum ihm Frauen für das Bundeskabinett nicht geeignet erscheinen, deutlich machen, welche frauen- und gleichstellungspolitischen Akzente von ihm als möglichem Bundeskanzler erwartet werden dürfen.
  • Schließlich könnte das Parlament Erwartungen formulieren, wie eine stärkere Beteiligung von Frauen in den Parlamenten im Zuge einer weiteren Wahlrechtsreform in Richtung von Parität werden kann.
  • Eine parlamentarische Debatte zum internationalen Frauentag des alten Bundestages könnte auch noch einmal einige wichtige Themen in den Mittelpunkt rücken und vielleicht auch abräumen, bevor sie andernfalls sofort wieder auf die Agenda des neuen Parlaments kommen.

Ein letztes Zeitfenster

Es wäre die Gelegenheit, die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und des Opferschutzes zum Abschluss zu bringen. Speziell Im Falle des § 218 wird sich – nach den Ergebnissen der Februarwahl aufgrund der Zusammensetzung des neuen Bundesparlaments das Fenster für eine Reform für lange Zeit schließen. Denn im 21. Bundestag stehen die Chancen für eine Reform erheblich schlechter.

Opferschutzgesetz wäre konsensfähig

In beiden Fällen waren sich die angehenden Koalitionspartnerinnen politisch näher, als dies nach dem Verlauf der bisherigen öffentlichen Debatten vermutet werden durfte. Das von der Union vorgelegte Opferschutzgesetz war bei einer Sachverständigenanhörung heftig kritisiert worden; der Änderungsbedarf war unüberhörbar. Gleichwohl hatten die zuständigen Parlamentarier:innen der SPD-­Bundestagsfraktion in einer Erklärung ihre Kompromissbereitschaft zu Protokoll gegeben und für eine Verabschiedung geworben.

Im Falle der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs handelt es sich um eine Neufassung des Paragrafen 218, der nicht abgeschafft, sondern modifiziert werden sollte: Die Schutzfunktion des Strafrechts wird weiterhin sicherstellen, dass gewollte Schwangerschaften vor Übergriffen von Dritten geschützt werden. 328 Bundestagsabgeordnete haben im Rahmen des von ihnen mitgezeichneten Gruppenantrages an den Bundestag dafür plädiert, den Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen (bis zur 12. Woche) sowie nach der 12. Woche nach kriminologischer und nach medizinischer Indikation rechtmäßig und straffrei zu stellen.

Angesichts der breiten Unterstützung in der bundesdeutschen Gesellschaft (bis zu 80 Prozent) bis ins Lager der Union hinein wären CDU und CSU gut beraten, eine Abstimmung darüber noch vor dem 24. März zuzulassen und für die Mitglieder der Fraktion freizugeben. Andernfalls wird sie das Thema in der neuen Legislatur von Anfang an begleiten. Sie sollte sich das nicht antun.

Für die FDP-Frauen, die nur wegen des Diktums ihrer Fraktionsführung eine Verschiebung des Gesetzentwurfs blockiert hatten, wäre eine Entscheidung jetzt eine Chance, gegenüber dem arg lädierten Ansehen der Partei für die nächsten Jahre ihrer Abwesenheit vom Bundestag noch einmal ein klares Signal von Liberalität zusetzen.

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