Bildungsreform : KMK legt Entwürfe für Bildungsstandards vor

24. Juni 2003 // ticker

Drei Kompetenzstufen vorgesehen / Umsetzung
für das Schuljahr 2004/2005 geplant

zwd Berlin (ja) – Der Umbau des Bildungssystems hat begonnen – eine bundesweite Vergleichbarkeit schulischer Leistungen rückt damit in greifbare Nähe. Am 26. und 27. Juni wollen die Amtschefs der Kultusministerkonferenz (KMK) Entwürfe der ersten nationalen Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss beschließen. Entgegen Empfehlungen des Frankfurter Bildungsexperten Eckhard Klieme vom DIPF (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung), der im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine entsprechende Vorstudie zum Thema erarbeitet hatte, wollen die Kultusminister keine Mindest-, sondern Regelstandards einführen.

Den am 24. Juni vor Pressevertretern durch KMK-Präsidentin Karin Wolff (CDU) präsentierten Vorentwürfen nach sollen die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in drei Kompetenzstufen erfasst werden. Ziel der Bildungsstandards ist hierbei, die Qualität schulischer Bildung zu erfassen und zu sichern, die Vergleichbarkeit schulischer Abschlüsse herzustellen sowie die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu erhöhen. Im Gegensatz zu den klassischen Lehrplänen, die nach Einschätzung der KMK-Präsidentin auf lange Sicht an Bedeutung verlieren dürften, sollen sich die nationalen Standards auf den Kernbereich eines Faches beziehen und den Schulen und Lehrkräften somit mehr Gestaltungsfreiraum geben. In ihnen werden nicht mehr detaillierte Unterrichtsinhalte vorgegeben, sondern allgemein gehaltene Erwartungen formuliert, welche Kompetenzen und grundlegende Wissensbestände die Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen. Ein Curriculum in diesem Sinne wird also nicht festgesetzt. Bildungsforscher Klieme hatte in seiner Vorstudie dafür plädiert, langfristig die Lehrpläne sogar ganz aus der Schulbürokratie zu verbannen, um Schulen und Lehrkräften die Freiheit zu geben, die geforderten Ziele mit unterschiedlichen Lehrinhalten und pädagogischen Ansätzen zu erreichen.

Entwickelt wurden die Standards - unter Mitwirkung wissenschaftlicher Experten - von den Lehrplanbeauftragten der Länder. Den Anfang machen die Fächer Deutsch, Mathematik und die erste Fremdsprache (Englisch und Französisch) für den mittleren Bildungsabschluss. Als Regelstandards sollen damit Kompetenzen erfasst werden, die für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler erreichbar sein sollen. Bildungsforscher Klieme hatte sich dem gegenüber dafür ausgesprochen, Mindestanforderungen zu formulieren, weil dadurch insbesondere schwächere Schülerinnen und Schüler zu besseren Leistungen motiviert würden.

Details für Bildungs-Agentur noch nicht geklärt
Abgefragt werden soll der Leistungsstand der Jugendlichen mittels länderübergreifender Vergleichsarbeiten. Eine zunehmende „Testeritis“ an den Schulen sei nicht zu befürchten, da eine solche Prüfung auch als „normale“ Klassenarbeit in die Zeugnisnote einfließen könne, so Wolff. Unklar bleibt bislang weitgehend, wie und vor allem wer die Einhaltung der Standards überprüft und diese gegebenenfalls weiterentwickelt. Nach Angaben von Wolff sei sich die KMK noch nicht einig, ob dafür eine neue wissenschaftliche Einrichtung gegründet werden soll und ob diese unbefristet oder nur in einem begrenzten Zeitraum, beispielsweise fünf Jahre, arbeiten soll. Eine Alternative sei, mit der Evaluation ein bereits bestehendes Institut zu beauftragen.

Den Grundsatzbeschluss für die Erarbeitung nationaler Bildungsstandards hatte die KMK im Mai des vergangenen Jahres gefasst als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie. Dabei handelt es sich genaugenommen nicht um den ersten Versuch, ein solches Instrument der Qualitätssicherung einzuführen. Bereits 1995 einigte sich das Ländergremium auf die Einführung länderübergreifender Standards im Schulbereich. Der Versuch sei aber am Mangel an entsprechender Überprüfung gescheitert, so Wolff.

Einen endgültigen Beschluss zu den Details der ersten nationalen Bildungsstandards will die KMK erst in ihrer Sitzung am 4. Dezember fassen. Bis dahin sollen die Entwürfe unter anderem im Internet veröffentlicht werden, um einer breiten Öffentlichkeit – etwa aus der Fachwissenschaft und -didaktik, Lehrer- und Elternverbänden sowie den Tarifvertragsparteien – die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Ihre Meinung zu den Entwürfen können Experten zudem auch in einer öffentlichen Anhörung geben, die im Herbst stattfinden soll.
In der Zwischenzeit werde an der Entwicklung von Standards für weitere Fächer und Bildungsabschnitte gearbeitet, kündigt Wolff an. Diese sollen bis zum kommenden Frühjahr vorgelegt werden. Umgesetzt werden könnten die ersten nationalen Bildungsstandards im Schuljahr 2004/2005, so die Prognose der KMK-Präsidentin.

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