WHO-REPORT MÜTTERGESUNDHEIT : Koalition stärkt Mütterfürsorge – WHO: Reproduktive Rechte wichtig

14. April 2025 // Ulrike Günther

Union und SPD stärken im Koalitionsvertrag Müttergesundheit und Versorgung ungewollt Schwangerer. Der Deutsche Frauenrat (DF) kritisiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche nicht entkriminalisieren, anders als von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert. Diese sieht in unsicheren Abtreibungen eine Hauptursache für die weltweit immer noch hohe Müttersterblichkeit. In einem neuen Bericht zeigt die WHO erhebliche Lücken beim Schutz werdender Mütter auf und fordert dringend höhere Investitionen.

Armut, Krisen und Mittelkürzungen bedrohen weltweit Müttergesundheit.  -  Bild: pxHere
Armut, Krisen und Mittelkürzungen bedrohen weltweit Müttergesundheit. - Bild: pxHere

zwd Berlin. Der DF lobt am Entwurf des neuen Koalitionsvertrages, dieser erkenne Geschlechter-Gleichstellung "als Teil der Lösung für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Fortschritt", wie DF-Geschäftsführerin Judith Rahner in einer Stellungnahme vom 11. April formulierte. Die frauenpolitische Organisation begrüßt die Weiterführung der Gleichstellungsstrategie, die Absicht der künftigen Regierung, Beruf und Familie besser vereinbar zu machen und gleiche Entgelte für gleiche Arbeit durchzusetzen. Frauenrechtlerinnen bemängeln jedoch, dass die am 09. April beschlossene Koalitionsvereinbarung die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht weiter verfolgt. Vom DF befürwortete Vorhaben, wie Einführen von Lohnersatzleistungen für Care-Arbeit von Angehörigen, blieben unverbindlich, wichtige Gleichstellungsinstrumente, wie Gender Budgeting und Abschätzen von Gesetzesfolgen, fehlten.

Koalition stärkt Mütterschutz und Versorgung ungewollt Schwangerer

Im Bereich Frauengesundheit werden die Koalitionspartner:innen das Müttergenesungswerk langfristig absichern, das seit 75 Jahren ganzheitliche Mütterkuren anbietet, sowie Neubau, Erweiterung und Sanieren von Mutter-Kind-Kliniken fördern. Überdies planen Union und SPD, einen "Mutterschutz für Selbständige" entsprechend den Mutterschutzfristen für Beschäftigte einzuführen. Im Vertragsentwurf heißt es, sie würden geeignete Finanzierungsmodelle prüfen und Konzepte zur Absicherung betroffener Betriebe entwickeln. Auch haben die Koalitionsparteien anvisiert, eine Kampagne zur Aufklärung über den Mutterschutz umzusetzen. Ungewollt Schwangere sollen umfassende Unterstützung erhalten, damit ungeborenes Leben so gut wie möglich geschützt ist, für abtreibungswillige Frauen in Konfliktsituationen machen die Koalitionsparteien "medizinisch sichere() und wohnortnahe() Versorgung" zugänglich, erweitern die Übernahme von Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen und stärken medizinische Weiterbildung. Außerdem erwägen sie eine um zwei Jahre verlängerte kostenfreie Abgabe ärztlich verordneter Verhütungsmittel an bis zu 24-jährige Frauen.

WHO-Report: Gesundheitsdienste für Mütter in Europa ungleich verteilt

Die Bundesrepublik gehört gemeinsam mit Finnland, Holland, Schweden und Norwegen laut einem aktuellen WHO-Report zu den Ländern in Europa und Zentralasien mit den geringsten Raten an Müttersterblichkeit (MSR), mit 1 bis 5 letalen, also Fällen mit tödlichem Ausgang pro 100.000 Lebendgeburten. Der WHO-Direktor für die Großregion Dr. Hans Henri P. Kluge erklärt das u.a. mit dem "breiten Zugang zu allgemeiner Gesundheitsversorgung" in diesen Staaten, "mit umfassendem Mütter-Gesundheitsschutz, qualifizierter Geburtsbegleitung inklusive Hebammen-geleiteter Pflege". Die europäisch-zentralasiatische Region mit 53 Staaten einschließlich Kaukasiens, Israels und der Türkei verzeichnete demnach die niedrigsten MSR-Werte, mit durchschnittlich 11 Fällen pro 100.000 Geburten. Seit dem Jahr 2000 wurde die Quote in diesen Ländern im Mittel um 58 Prozent reduziert. WHO-Regional-Leiter Kluge weist aber darauf hin, dass dieser Rückgang nicht gleichmäßig verteilt sei, mit erheblichen Unterschieden zwischen Staaten und einzelnen Teilregionen, die aus seiner Sicht ein Schlaglicht "auf anhaltende Ungleichheiten und Mangel an Investitionen oder Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdiensten für Mütter" werfen.

In südeuropäischen Ländern stagnierten teilweise die eher geringen MSR oder stiegen sogar leicht an. Staaten Osteuropas oder des westlichen Balkans hätten höhere Müttersterblichkeit als die Großregion, verringerten andererseits die Quote in den vorigen 25 Jahren um insgesamt 75 Prozent. 2023 betrug die MSR in Europa statistisch im Mittel 7, in Osteuropa 9 und in Südeuropa 6 Fälle pro 100.000 Lebendgeburten. WHO-Regionaldirektor Kluge fordert, die allgemeine Gesundheitsversorgung einschließlich umfassender Mütter-Gesundheitsdienste müsse auch "Unterstützung der mentalen Gesundheit für werdende und neue Mütter" beinhalten. Er schlug Investitionen in Bildungs- und Bewusstseinskampagnen vor, damit Mütter und ihre Familien über Ernährung, Geburtsvorbereitung und -nachsorge informiert seien. Erweiterte Notfall-Entbindungsversorgung könne in schwierigen Fällen das Leben von Mutter und Kind retten. Dem anlässlich des Weltgesundheitstages am 07. April veröffentlichten WHO-Bericht gemäß verloren 2023 weltweit ca. 260.000 Frauen während bzw. nach Schwangerschaft oder Geburt ihres Kindes aufgrund von überwiegend vermeidbaren oder medizinisch behandelbaren Komplikationen ihr Leben, mehr als 700 werdende Mütter täglich.

WHO-Direktorin fordert für Frauen mehr reproduktive Rechte

Insgesamt zeigt der Report, dass die MSR, vor allem durch besser verfügbare, unerlässliche Gesundheitsdienste, zwischen 2000 und 2023 um 40 Prozent sank, seit 2016 habe sich dieser Prozess allerdings deutlich verlangsamt. Budgetkürzungen würden in vielen Ländern gravierende Folgen für die Gesundheitsfürsorge haben und bewirken, dass diese lebenswichtige Betreuung für Mütter und Neugeborene einschränken. Die WHO warnt, es seien dringend Maßnahmen erforderlich, ansonsten könnten schwangere Frauen in zahlreichen Staaten, insbesondere in Krisenregionen, schwerwiegende Konsequenzen zu spüren bekommen. "Zusätzlich zum sicherzustellenden Zugang zu hochwertiger Entbindungspflege wird es entscheidend sein, die zugrundeliegenden Gesundheits- und reproduktiven Rechte von Frauen und Mädchen zu stärken - Faktoren, welche ihre Chancen auf eine bessere Versorgung während Schwangerschaft und Geburt unterstützen", betonte die Generaldirektorin der WHO Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesos.

Sichere Schwangerschaftsabbrüche schützen Leben von Müttern

Um das Leben werdender Mütter zu schützen, hält es die WHO für entscheidend, unbeabsichtigten Schwangerschaften vorzubeugen. "Alle Frauen, einschließlich Heranwachsender, brauchen Zugang zu Verhütung, Versorgung mit sicheren Schwangerschaftsabbrüchen im vollen Umfang des Gesetzes und qualitätvolle Fürsorge für die Zeit nach der Abtreibung“, so die Gesundheitsorganisation. Besonders wichtig sei es, alle Geburten durch ausgebildete Gesundheits-Fachkräfte zu begleiten. Hauptursachen von Müttersterblichkeit sind dem Bericht zufolge Hämorrhagie, Infektionen, Bluthochdruck, Komplikationen bei der Geburt und unsichere Abtreibungen. "Frauen und Familien benötigen überall qualitativ hochwertige Fürsorge, die sie vor, während und nach der Geburt physisch und emotional unterstützt", schreibt die WHO. Gesundheitssysteme müssten sich weiterentwickeln, um die vielseitigen Probleme in den Griff zu bekommen, welche die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen beeinflussen. Diese würden nicht nur Schwierigkeiten bei der Entbindung, sondern auch mentale Faktoren, nicht-übertragbare Krankheiten ebenso wie Familienplanung betreffen.

MSR: Kluft zwischen Arm und Reich und Krisen von erheblichem Einfluss

Hohe MSR in einigen Regionen der Welt spiegeln nach Ansicht der WHO die Kluft zwischen Arm und Reich wider. Nach WHO-Daten ereigneten sich im globalen Maßstab ca. 92 Prozent der Todesfälle von Schwangeren, Gebärenden oder neuen Müttern in Ländern aus dem unteren oder niedrigen mittleren Einkommensbereich, allein 87 Prozent (ca. 225.000 Frauen) im subsaharischen Afrika (70 Prozent) und in Südasien (17 Prozent). Dabei erreichte Südasien von 2000 bis 2023 mit -71 Prozent, nach Osteuropa (-75 Prozent), die zweitgrößte MSR-Abnahme weltweit, Afrika südlich der Sahara konnte die Müttersterblichkeit im selben Zeitraum um 40 Prozent reduzieren. Die MSR in Staaten mit niedrigem Einkommen betrug im Jahr 2023 346 pro 100.000 Geburten, in Ländern mit hohem Einkommen hingegen 10 je 100.000 Neugeborene. Das Risiko von Frauen, in ihrer Lebenszeit im Kontext einer Geburt zu sterben, ist ebenfalls in ärmeren Ländern höher als in reichen. In Staaten mit geringem Einkommen liegt die Gefahr bei 1: 66, in Ländern mit hohem Einkommen bei 1: 7933.

Niedrige Fürsorgequalität, Mangel an Gesundheitsfachkräften und Knappheit an medizinischer Ausrüstung tragen nach Auffassung der WHO dazu bei, dass werdende Mütter nicht hinreichend von Schwangerschafts- und Geburtspflege profitieren, darüber hinaus wirken sich soziale Faktoren, wie Einkommen, Bildung, Ethnizität, schädliche Geschlechternormen und humanitäre wie durch Klimawandel hervorgerufene Krisen nachteilig aus. Konflikte und soziale Organisation spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle: 37 als Krisengebiete oder institutionell bzw. sozial schwach klassifizierte Staaten waren nach WHO-Daten für 61 Prozent der Müttersterblichkeit verantwortlich, obwohl dort nur 25 Prozent der Neugeborenen zur Welt gebracht wurden. In Konfliktregionen traten mit im Mittel 504 letalen Fällen pro 100.000 Geburten höhere MSR auf als in fragilen Umgebungen (368 pro 100.000) und friedlichen, nicht-fragilen Ländern (99 pro 100.000). Nach Aussagen der WHO sind unbedingt mehr Finanzmittel nötig, um Müttersterblichkeit zu verhindern. Im Einzelnen arbeite sie mit Partner:innen an Unterstützung für Staaten, damit diese verstärkt Ungleichheiten bei Verfügbarkeit sowie Qualität von Versorgung für reproduktive, Mütter- und Neugeborenen-Gesundheit und Ursachen geburtsbezogener Komplikationen und Erkrankungen bekämpfen.

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