13. MENSCHENRECHTSBERICHT DER BUNDESREGIERUNG : Kohärente Politik gefordert - "Shrinking Spaces" und sexualisierte Gewalt

24. Juni 2019 // Ulrike Günther

Den von der Bundesregierung im Auftrag des Bundestages vorgelegten 13. Bericht über ihre Menschenrechtspolitik haben Fachleute teilweise kritisch aufgenommen. Zentrale Themen auf der öffentlichen Anhörung vor dem Menschenrechtsausschuss waren u.a. die "Shrinking Spaces", die Rechte von Frauen und Mädchen sowie die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt.

Bild: Pixabay / kai kalhh
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zwd Berlin. Die weltweit zu beobachtenden Einschränkungen von Handlungsspielräumen innerhalb der Zivilgesellschaft, des politischen Engagements von Aktivist*innen und der freien Meinungsäußerungen von Menschenrechtler*innen nahmen in den Kommentaren der zur Anhörung am 5. Juni bestellten Sachverständigen breiten Raum ein. Darüber hinaus fand die Lage der staatlichem Streben nach Sicherheit untergeordneten Menschenrechte in China, welches das Internet überwacht und mit einer restriktiven Medienstrategie politische Opposition zu verhindern sucht, vor dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Bundestages Beachtung. Markus Beeko, Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International, kritisierte in seiner Stellungnahme, der Bericht hätte "zentrale menschenrechtliche Herausforderungen", die in dem dargestellten Zeitraum von Oktober 2016 bis September 2018 relevant gewesen wären, nicht berücksichtigt. Dazu gehörten die innerhalb der EU von staatlicher Seite vorgenommenen Angriffe auf grundlegende menschenrechtliche Standards wie das Gebot der Nicht-Diskriminierung sowie Angriffe auf das Funktionieren der rechtsstaatlichen Ordnung. Von den Bundestagsfraktionen der beiden Koalitionsparteien waren Fragen hinsichtlich der „Shrinking Spaces“ an den Ausschuss für Menschenrechte ergangen, welche einerseits die globale Entwicklung und Haltung der Bundesregierung (SPD), andererseits ein weltweites „Ranking“ und die Mechanismen zur Unterdrückung von Menschenrechten (CDU/ CSU) betrafen.

Schwächung der internationalen Ordnung und eingeschränkte Zivilgesellschaften

In der Anhörung sagte Beeko, dass in dem Bericht eine "allgemeine, bereichsübergreifende Trendbeschreibung" und eine Bewertung der aus der Sicht der Bundesregierung wesentlichen Handlungsfelder fehlten. Zu den übergeordneten Trends gehörten ihm zufolge Versuche, die internationale Ordnung zu schwächen, Attacken gegen den „Gleichheitsgrundsatz in vielfältiger Form" wie auch "die massiven systematischen Einschränkungen von Zivilgesellschaften und die Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern". Der Amnesty-Sachverständige forderte, der Bericht habe insbesondere bezogen auf den "Bereich der direkten eigenen Verantwortung der Bundesregierung " die Probleme umfassend selbstkritisch zu analysieren und die eigene Politik ausführlicher darzustellen. Die "Initiativen und Impulsen" der Bundesregierung zum Schutz der Menschenrechte dürften sich jedoch nicht bloß auf ein „Stärkung des Multilateralismus“ beziehen, sondern es wäre vor allem "ein selbstbewusstes und bestimmtes Eintreten" für die Konformität mit den menschenrechtlichen Regeln erforderlich. Der "sich verschärfenden und ausbreitenden Abwärtsspirale von exzessiven staatlichen Ein- und Übergriffen, Kontrollen, Vereinnahmungen und Anfeindungen" sollte die Regierung sowohl in ihrer Europa- als auch in ihrer Außenpolitik "deutlich mehr entgegensetzen", hieß es in dem Statement von Amnesty.

Problem der „Shrinking Spaces“ hat sich verschärft

Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, merkte in seiner Stellungnahme an, dass sich das Problem der Shrinking Spaces" seit dem 2017 veröffentlichten zwölften Menschenrechtsbericht "nochmals verschärft" habe. In der Anhörung erklärte er, dass "die Spielräume in der Menschenrechtsarbeit abnehmen." Dies sei eine nicht nur in der Russischen Föderation oder in der Volksrepublik China zu beobachtende Erscheinung, sondern auch "in vielen Staaten der Europäischen Union" virulent, was in dem Bericht der Bundesregierung auch "stärker zum Ausdruck kommen“ sollte. Delius hob hervor, dass es wichtig sei, auf das "Ansteigen populistischer Bewegungen und ihrer Versuche, Rechtsstandards zu demontieren, Menschenrechte auszublenden und in gewisser Weise auch einzuschränken“, einzugehen. Das Phänomen der Shrinking Spaces sei auch in einer Reihe von strategischen Partnerstaaten Deutschlands sichtbar, wie der Sachverständige z.B. am gewaltsamen Vorgehen der Volksrepublik Vietnam gegen politische Akteur*innen deutlich machte, und warf die Frage auf, "wie es um die Kohärenz deutscher Außen- und Menschenrechtspolitik" stehe.

In ähnlicher Weise lasse der "Umgang mit Menschenrechtsverteidiger*innen in aller Welt" die Menschenrechts- und Außenpolitik Deutschlands in Hinsicht auf ein kohärentes Verfahren zweifelhaft erscheinen. In dem Menschenrechtsbericht werde zwar die "Bedeutung der Zivilgesellschaft" betont, so Delius, doch in der Praxis seien "noch viel Spielräume für Verbesserungen" erkennbar. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen mit vom Staat gegen demonstrierende Menschenrechtler*innen eingesetzter exzessiver Gewalt im Sudan sagte Delius weiter, dass er es für wünschenswert halte, wenn in der Politik des Auswärtigen Amtes zuweilen mehr eine Art Kompass wirksam würde, ob denn nun "Menschenrechte oder Stabilität" wichtiger seien. Die deutsche Regierung hatte sich erst nach einer anfänglich zugunsten von politischer Stabilität im Sudan gezeigten skeptischen Haltung dafür entschieden, für die Rechte der Aktivist*innen einzutreten, welche zuvor den Sturz des grausamen Diktators hervorgerufen hatten. Der Sachverständige appellierte vor dem Ausschuss an die Bundesregierung, in ihrer Menschenrechtspolitik einen stärkeren Fokus auf die besonders bedrohten Verteidiger*innen von Menschenrechten zu legen, wodurch diese einen besseren Schutz erfahren würden.

Verstörende Entwicklungen: Weltweites Erstarken von Populisten und Autokraten

Auch Prof. Michael Krennerich, Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrums, konstatierte in seiner Stellungnahme eine schwieriger werdende menschenrechtliche Lage, das Problem der immer stärker eingegrenzten politischen Handlungsspielräume von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Akteur*innen sei "nach wie vor akut" und dass die vormals geltenden Grundsätze der Menschenrechtspolitikheutzutage nicht mehr überall selbstverständlich seien. Als besonders "verstörende Entwicklungen" der neueren Zeit nannte er den Austritt der USA aus dem UN-Menschenrechtsrat, die Unterfinanzierung internationaler Menschenrechtsinstitutionen und das weltweite Erstarken von Populisten und Autokraten, die sich ausdrücklich und planmäßig nicht um Menschenrechte kümmerten. In dieser Situation erwarte man von der deutschen Bundesregierung neben einem eindeutigen Bekenntnis zu den Menschenrechten "auch eine überzeugende Strategie, wie die Menschenrechte gerade gegen Widerstände geachtet und gefördert werden können."

Der Sachverständige stellte heraus, dass es gelte, "die Menschenrechts-Standards hochzuhalten", da diese Standards selbst gefährdet seien, ebenso wie die sie schützenden Institutionen und die für Menschenrechte engagierte Zivilgesellschaft. Krennerich machte sich auch insbesondere für die auch hierzulande noch weitgehend unbeachteten sozialen Menschenrechte stark und unterstrich, dass Maßnahmen, welche Kinderarmut, Pflegenotstand oder Wohnungsmangel bekämpften, auch von einem menschenrechtlichen Standpunkt gefordert seien. Die Lage der Menschenrechtsverteidiger*innen weltweit betreffend sagte er, diese habe sich seit der vorherigen Anhörung nicht wesentlich gebessert. Daher sei es entscheidend, die EU-Leitlinien anzuwenden, welche Maßnahmen für den Schutz von Menschenrechtsaktivist*innen formulieren. Die EU- und OSZE-Richtlinien würden bisher "zu zaghaft umgesetzt", so Krennerich.. Auch sei es wichtig, die Kapazitäten zu stärken, damit diese Leitlinien allgemein bekannt würden.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat weltweit „epidemische Ausmaße“

Monika Hauser, Vorstandsvorsitzende der Frauenrechtsorganisation medica mondiale zur Bekämpfung von Kriegsgewalt gegen Frauen und Mädchen erklärte vor dem Ausschuss, die sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen habe „weltweit epidemische Ausmaße" erreicht, sie werde ungeachtet der Religionszugehörigkeit der Täter sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten ausgeübt .Eine kritische Auseinandersetzung mit den patriarchaler Gewalt zugrundeliegenden Ursachen finde jedoch kaum statt, ebenso wie ein „konsequentes politisches Handeln“ oft ausbleibe. Als Beispiel führte sie u.a. die „skandalöse Unterfinanzierung“ von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen in Deutschland an. Mit ihrer Stellungnahme in der Anhörung reagierte sie auf eine von der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zur Anhörung vorgelegte Frage, wie sie die Anstrengungen der Bundesregierung beurteile, sich für die Rechte von Mädchen und Frauen einzusetzen, und wo sie da Verbesserungsmöglichkeiten sehe.

Hauser sagte, der überwiegend deskriptive Menschenrechtsbericht der Bundesregierung ermögliche kaum Rückschlüsse darauf, wie die angewendeten Maßnahmen tatsächlich wirkten. „Der Bericht zeigt, dass die Bundesregierung auf diesem Gebiet keine kohärente Politik gestaltet", so die Frauenrechtsaktivistin. In diesem Zusammenhang prangerte Hauser auch die weiterhin erfolgenden Rüstungsexporte der Regierung an. Diese habe zwar den Kampf gegen von in Kriegen verübter geschlechtsspezifischer Gewalt auf ihre Agenda gesetzt, dennoch würde sie Rüstungsgüter an direkt oder indirekt an Kriegskonflikten beteiligte Staaten wie z.B. Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate exportieren, in welchen die Rechte von Frauen und Mädchen „massiv verletzt“ würden. Diese Politik ist Hauser zufolge mit einer „menschenrechtsbasierten und geschlechtergerechten Politik“ nicht vereinbar und trägt dazu bei, dass die „Konflikte verschärft“ und Frauen und Mädchen zu Opfern von sexualisierter Gewalt werden. An diesem Punkt könne eine „feministische Außenpolitik“ ansetzen, wie sie z.B. Margot Wallström, die schwedische Außenministerin, praktiziert habe, indem sie die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien u.a. deshalb untersagte, weil dort die Menschenrechte von Frauen in extremer Weise verletzt würden.

Feministische Innen- und Außenpolitik schafft mehr Glaubwürdigkeit

Hauser machte in der Anhörung aber auch deutlich: „Wir können keine feministische Außenpolitik machen, wenn wir nicht auch eine feministische Innenpolitik machen.“ Das laut Hauser ebenfalls zu beklagende „erschreckende Ausmaß an sexualisierter Gewalt in Deutschland“ müsse dazu führen, dem Thema einen entsprechend hohen Stellenwert beizumessen und angesichts der dadurch in den Individuen, Familien und der Gesellschaft angerichteten Zerstörung aktiv zu handeln und sexualisierte Gewalt einzudämmen. Dafür seien Resolutionen und Pläne vonnöten; vor allem brauche man jedoch „einen politischen Willen und eine gesellschaftliche Bewusstseinsarbeit“, um präventiv vorgehen zu können. „Glaubwürdigkeit kann nur entstehen, wenn Außen(-politik) und Innen(politik) zusammenkommen“, erklärte Hauser in der Anhörung. Eine inkohärente Haltung in der Menschenrechtspolitik würde die Bundesregierung auch bei Asylfragen im eigenen Land einnehmen, sagte die Vorsitzende von medica mondiale, z.B. wenn sie beim Einstufen von Herkunftsländern als „sicher“ gegen Frauen ausgeübte Gewalt nicht als Kriterium gelten lasse.

Auf der europäischen Ebene sieht Hauser die „Migrationspartnerschaften mit frauenverachtenden Regimes“ als eine Fortsetzung dieser widersprüchlichen Politik an. So unterstütze die Bundesregierung z.B. Libyen mit finanziellen Mitteln, um dort Polizei- und Sicherheitskräfte zu trainieren, welche Menschen von der Flucht über das Mittelmeer abhalten sollen. In den libyschen Haftzentren hätten andererseits Berichten zufolge „wirklich 100 Prozent der Frauen und Mädchen sexualisierte Gewalt erlebt und überlebt“, auch Männer und Jungen seien von der Gewalt betroffen. Es sei unverantwortlich und werde dem Anspruch, Frauen menschenrechtlich zu unterstützen, nicht gerecht, mit solchen Regimes zu kooperieren und mit EU-Mitteln und deutschen Geldern eine Sicherheitsarbeit zu fördern, bei der man die Menschen in solchen Haftanstalten zurückhält, wo sie „schwerst traumatisiert“ würden. Die Sachverständige sagte, dass sie zwar den Vorsatz von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) befürworte, über die neue Resolution 2467 zur Sexuellen Gewalt in Konflikten im UN-Sicherheitsrat das Thema an vorderster Stelle anzugehen und dass „hier ein klares Credo für Frauenrechte stattfindet“. Mit neuen Resolutionen allein sei es allerdings nicht getan, es gebe schon eine Menge sinnvoller Resolutionen, die aber alle noch nicht im gesamten Umfang umgesetzt seien. „Wenn der politische Wille fehlt, dann nützen uns auch wirklich nicht neue Resolutionen“, sagte die Frauenrechtsaktivistin.

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