zwd Berlin. Kostenfrei, modern und generalistisch - Die Ausbildung des Pflegeberufes soll umfassend umgestaltet werden. Das hat der Deutsche Bundestag am 22. Juni 2017 in zweiter und dritter Lesung mit der Verabschiedung der Pflegeberufereform beschlossen. Die geänderte Fassung des entsprechenden Gesetzentwurfes (Drs. 18/7823) wurde auf Empfehlung des Gesundheitsausschusses (Drs. 18/12847) gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen von den Fraktionen CDU/CSU und SPD in der Ausschussfassung durchgewunken. Nun muss die Pflegeberufereform nur noch am 7. Juli den Bundesrat passieren.
Ein Antrag der Grünen (Drs. 18/11414) über die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Mitspracherechten von Pflegekräften wurde dagegen unter Enthaltung der Linken von der Großen Koalition abgelehnt.
Die vom Bundestag beschlossene Reform sieht eine Ausbildung von insgesamt drei Jahren vor, die erstmals eine mindestens zweijährige allgemeine Ausbildung in der Pflege vorsieht. Erst im dritten Jahr der Ausbildung zur Pflegefachkraft kann schließlich eine einjährige Spezialisierung im Bereich der Kinder- oder der Altenpflege vorgenommen werden. Bei dieser Regelung handelt es sich um einen Kompromiss zwischen SPD und Union, die über Monate hinweg diskutiert hatten, ob zukünftige Pflegekräfte eine generalistische oder eine spezialisierte Ausbildung erhalten sollten. Schließlich hatte man sich im Gesundheitsausschuss darauf geeinigt, dass der Schwerpunkt auf der Generalistik liegen solle, da angesichts des Fachkräftemangels und der steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen in Krankenhäusern die Einsatzfelder der Pfleger*innen vergrößert werden sollen. Zusätzlich zu diesem neuen Ausbildungsschwerpunkt soll es in Zukunft erstmals eine Pflegeausbildung an Hochschulen geben.
Ausbildung in der Pflege zukünftig kostenfrei
Ein weiterer zentraler Punkt der Reform ist die Einführung einer Kostenbefreiung für die Ausbildung in der Pflege. Ein Schritt, den die Gewerkschaft ver.di als „längst überfällig“ bezeichnete. Obwohl es in Deutschland generell unüblich ist, Gebühren für eine Ausbildung zu fordern, sind viele Auszubildende in der Pflege von solchen Kosten betroffen. Laut dem „Ausbildungsreport Pflegeberufe 2015“ der ver.di Jugend gibt mehr als ein Drittel der Auszubildenden in der Altenpflege (35,1 %) an, Schulgeld zu zahlen. Mehr als drei Viertel von ihnen zahlen monatlich bis zu 250 Euro. Oftmals war kritisiert worden, dass ausgerechnet eine Branche, in der zu über 80 Prozent Frauen tätig seien, mit einem sonst unüblichen Schulgeld belastet werde. „Durch die Schulgeldfreiheit und eine angemessene Ausbildungsvergütung wird die Attraktivität der Ausbildung erhöht“, erklärte Bundesfrauenministerin Katarina Barley (SPD) zu dem Beschluss des Bundestages. „Die Reform ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Anerkennung und Wertschätzung der Pflegekräfte in Deutschland. Davon profitieren gerade Frauen, die die anspruchsvolle Arbeit im Pflegeberuf noch immer ganz überwiegend schultern“
Auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) betrachtet die Entscheidung des Bundestages als einen „wichtigen Schritt“, um den Pflegeberuf weiter zu stärken. Mit der reformierten Pflegeausbildung würden Pflegekräfte besser auf die Anforderungen in der Praxis vorbereitet und mehr Berufs- und Aufstiegschancen geboten werden.
Opposition und Gewerkschaften reagierten mit Enttäuschung auf das in den Bundestag eingebrachte Reformgesetz. Zwar werden die Schulgeldbefreiung und die Ausbildungsumlage als positiv erachtet, doch fehlen konkrete Ausbildungs- und Prüfungsverodnungen für die neue Pflegeausbildung. Das sei ein schwerer Mangel, monierten die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) konstatierte, dass damit die Umsetzung der beschlossenen Regelungen weitgehend ungewiss sei.
"Eine echte Reform wird verschoben"
Auch ver.di bezeichnete es als „unbefriedigend“, dass der angekündigte Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahren nicht vorgelegt worden sei. „Angesichts der großen Bedeutung für die Berufsgruppen hätten wir auch eine weitere öffentliche Anhörung zu den umfangreichen Änderungen am Gesetzentwurf erwartet“, hieß es seitens der Gewerkschaft weiter. Die Weichen müssten von Beginn an richtig gestellt und die Umsetzung gewährleistet werden.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zog das Fazit: „Die jetzt verabschiedete Reform bleibt deutlich hinter dem ursprünglichen Gesetzentwurf zurück. In letzter Minute wurde ein Kompromiss gefunden, der den Eigeninteressen einer kleinen, aber militanten Minderheit Rechnung trägt“. In der nächsten Legislaturperiode werde der Verband daher entsprechende Nachbesserungen einfordern, wenn sich das verabschiedete Gesetz nach sorgfältiger Prüfung als nicht praxistauglich erweisen werde, warnte Prof. Christel Bienstein, Präsidentin des DBfK. Sie halte es für „absurd“, dass die zum Gesetz gehörige Ausbildungs- und Prüfungsordnung erst vom nächsten Bundestag verabschiedet werden solle. Eine echte Reform werde damit verschoben und so verstreiche erneut wertvolle Zeit, die kaum aufzuholen sei, schließt der Verband.
Über ein Jahr hatte sich die Diskussion um das Pflegeberufereformgesetz hingezogen. In dem ursprünglichen Entwurf (18/7823) vom 09. März 2016 war eine dreijährige generalistische Ausbildung für Pflegekräfte vorgesehen. Kritiker*innen allerdings befürchteten allerdings einen Einbruch der Qualität in der Alten- und Kinderpflege, wenn die Spezialisierung in der Ausbildung komplett wegfiele.