HAUSHALTSDEBATTE BILDUNG : Kritik am Rekordetat: Zu wenig Mittel für gerechte Bildung

9. Dezember 2020 // Ulrike Günther

20,8 Milliarden Euro wird das Bundesbildungsministerium 2021 in Bildung und Forschung investieren, rund 490 Millionen Euro mehr als 2020. Ein Fokus der Planung liegt auf dem Bekämpfen der Corona-Pandemie, mit erhöhten Investitionen in Gesundheitsforschung und Digitalisierung. Grüne, Linke und Liberale kritisieren die Bildungsausgaben als zu gering und fordern mehr Mittel für gerechte Lernchancen.

Der Etat des Bildungsministeriums steigt um knapp 500 Millionen Euro. - Bild: Wikimedia.org / elbpresse
Der Etat des Bildungsministeriums steigt um knapp 500 Millionen Euro. - Bild: Wikimedia.org / elbpresse

zwd Berlin. Im Vergleich zum Regierungsentwurf (Drs. 19/22600) hat sich der Etat des Bundesbildungsministeriums (BMBF) nach den Debatten im Haushaltsausschuss laut ergänzender Beschlussempfehlung (Drs. 19/23325) um über 561 Millionen Euro auf rund 20,8 Milliarden Euro erhöht. Das Parlament nahm den Haushaltsplan in der zweiten Lesung am Dienstag (08. Dezember) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in der modifizierten Fassung an, die übrigen Fraktionen votierten dagegen. Ein Änderungsantrag der Liberalen (Drs. 19/24975), in dem diese einen 150-Millionen-Euro-Fonds zur Förderung der Gentechnik vorschlagen, erhielt keine Stimmenmehrheit.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) stellte vor dem Parlament die „Stärke unserer Forschung“ und die Bundesrepublik als Innovationsland heraus, das „ein Möglichmacher“ sei. „Unsere Zukunft hängt an exzellenter Forschung und an guter Bildung“, betonte sie. Als Schwerpunkte in dem „Rekordhaushalt“ nannte Karliczek die Corona-Forschung, darüber hinaus die über den DigitalPakt finanzierte Digitalisierung an Schulen mit verbesserter Ausstattung und Kompetenzzentren für Lehrerweiterbildungen, Klimaschutz und nachhaltige Ökologie sowie Schlüsseltechnologien, wie Künstliche Intelligenz.

SPD unterstützt großzügige Finanzhilfen für Forschung

Auch der SPD-Haushaltspolitiker Swen Schulz hob den Anstieg der Ausgaben für Bildung und Forschung für die nächsten Jahre anerkennend hervor. Schulz verteidigte mit Blick auf die gelungene Entwicklung des Anti-COVID19-Impfstoffes die „kräftige Förderung“ der Forschung, welche „das Ergebnis mindestens begünstigt“ habe. Als wichtige finanzpolitische Maßnahmen zum Eindämmen der Corona-Pandemie zählte er mehr Unterstützung der Gesundheitsforschung, z.B. durch gestärkte Kooperation der Universitätskliniken oder Forschungen zu Corona-Medikamenten, einen erweiterten Rettungsschirm für Ausbildungsstellen und mehr Notfallhilfen für Studierende auf.

Zuwächse erfahren im Etat des BMBF nach der Empfehlung des Haushaltsausschusses (Drs.19/23324) gegenüber dem am 01. Oktober debattierten Entwurf der Bundesregierung (zwd-POLITIKMAGAZIN berichtete) u.a. die Finanzhilfen für berufliche Bildung, Digitalisierung und Innovation sowie Gesundheitsforschung. Demnach wird die Regierung u.a. Berufsausbildungen mit 500 Millionen Euro anstatt wie vorgesehen mit 350 Millionen Euro absichern. Die Ausgaben für die Förderung des digitalen Wandels im Bereich Bildung werden gegenüber der Regierungsvorlage auf über 138 Millionen Euro mehr als verdreifacht und außerdem ein eigenes Budget für ein Bildungsportal, Kompetenzzentren und einen digitalen Innovationswettbewerb in Höhe von 90 Millionen Euro eingerichtet.

Opposition fordert mehr Verantwortung des Bundes für Bildung

Während die Unions-Politikerin Kerstin Radomski die Verteilung der Mittel, wonach drei Viertel in die Wissenschaften, doch nur ein Viertel in die Bildung fließen, mit dem föderalen System rechtfertigte und die Aufgabe der Bildungsfinanzierung an die Länder verwies, übten die Vertreter*innen der Oppositionsfraktionen deutliche Kritik an der Planung. Sowohl die FDP-Abgeordnete Bettina Stark-Watzinger als auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen Margit Stumpp und die Obfrau im Haushaltsausschuss Gesine Lötzsch (die Linke) forderten die Verantwortung des Bundes für die Förderung von Bildung und gerechten Lernchancen ein.

Stark-Watzinger monierte, dass die Bildungsausgaben trotz des gestiegenen Etats nur rund 4 Prozent des Gesamthaushaltes ausmachten. Die FDP-Politikerin erkennt in einer höheren Bildungsleistung das Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, sieht Bildung aber auch als Grundlage für Aufstiegschancen, die in Deutschland noch immer ungerecht verteilt seien. Demgegenüber hielt sie der Regierung die skandinavischen Länder als Vorbild vor, wo Bildung einen integralen Bestandteil der Sozialpolitik ausmache. Die Liberale sprach sich dafür aus, soziale Mobilität, z.B. beim Zugang zum Studium, zu erhöhen, und warb für ein elternunabhängiges BAföG.

Grüne und Linke: Mehr Investitionen in Chancengerechtigkeit wichtig

Die Grünen-Sprecherin Stumpp vermisste an der Haushaltsplanung ein Anzeichen „in Sachen Bildungsaufbruch“ und ebenso Investitionen in Chancengerechtigkeit. An Bildungsministerin Karliczek kritisierte Stumpp ihre „wenig engagierten, wenig praxisbezogenen und (…) reichlich unwirksamen Maßnahmen“. Um Kindern in der Krise gerechte Lernbedingungen zu gewährleisten, forderte sie ein 500-Millionen-Euro-Programm für den Einsatz von mobilen Luftfiltern an Schulen in finanzschwachen Kommunen, Basisdigitalisierung und ein Förderprogramm, das gezielt materiell und personell schlecht ausgestattete Einrichtungen fördern soll.

Aus Sicht der Linken-Politikerin Lötzsch verschärfen sich durch die Krise die digitale Kluft und die sozialen Ungerechtigkeiten. „Die soziale Spaltung in unserem Bildungs- und Wissenschaftssystem fängt in der Schule an und setzt sich bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fort“, erklärte Lötzsch. Die Linken verlangen u.a. mehr Mittel für Lehramtsstudienplätze und den DigitalPakt, eine solidere Studienfinanzierung und einen 3,4 Milliarden-Euro-Fonds für Dauerstellen und verlässliche Karrierewege an Hochschulen.

Für gesamtstaatlich bedeutungsvolle Investitionen von Ländern und Gemeinden in digitale Infrastruktur an Schulen stellt der Bund mit rund 1,44 Milliarden Euro fast doppelt so viele Mittel zur Verfügung wie noch 2020 (791 Millionen Euro). Verbesserungen ergeben sich im geänderten Haushaltsplan bei Finanzhilfen für Student*innen: Die bisher nur mit ca. 17, 4 Millionen Euro veranschlagten Darlehen für Studierende in krisenbedingten Zwangslagen wurden in der Vorlage des Haushaltsausschusses auf knapp 72,4 Millionen Euro aufgestockt, Mehrausgaben beim BAföG sind bis zur Höhe der eingesparten Mittel möglich. Die Fördergelder für die Gesundheitsforschung steigen noch einmal um ca. 65 Millionen Euro auf 939,7 Millionen Euro und liegen somit mehr als 557 Millionen Euro über den Ausgaben im Etat von 2020.


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