KMP Berlin (Lü). Nach der Bundestagswahl 2013 sollte der Bundesregierung ein Bundeskulturminister angehören. Die vom Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, angestoßene Debatte zu einer "alten Forderung" seiner Organisation, dass aus dem "Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien" ein "echter Bundesminister" werden sollte, hat in der einschlägigen Kulturszene ein erstes positives Echo ausgelöst. Zimmermann hatte sich hierzu in der aktuellen Ausgabe des zwd-Magazins KULTUR.MEDIEN.POLITIK (KMP) geäußert, in dessen Mittelpunkt die Lobby-Arbeit des Deutschen Kulturrates steht. Nachstehend verbreiten wir die maßgeblichen Passagen des Zimmermann-Interviews. Hinweis: In DEBATTE II veröffentlichen wir hierzu einen Kommentar von KMP-Herausgeber und Chefredakteur Holger H. Lührig.
Zimmermann: Deutschland wird "bunter, älter, weniger"
KMP Berlin. Die Situation einkommensschwacher Bürgerinnen und Bürger, noch mehr aber den demographischen Wandel – Migration, Älterwerden, Bevölkerungsrückgang – sieht der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, als wesentliche Hürde, „Kultur für Alle“ anzubieten. In einem Interview mit dem zwd-Magazin KULTUR.MEDIEN.POLITIK erläutert er, welche Folgen sich daraus ableiten: wie zum Beispiel das Eingehen auf andere Kulturkreise oder die Veränderung der kulturellen Infrastruktur. Erleichtert würde die Bewältigung dieser kulturellen Herausforderungen durch die Verwirklichung der vom Kulturrat geäußerten Position: die Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz und die Transformation des Beauftragten für Kultur in einen „echten“ Bundeskulturminister. Mit einem kurzen Schwenk erinnert Zimmermann an die Geburtswehen dieses politischen Amtes vor 13 Jahren.
(...)KMP: „Kultur gut stärken“ bleibt also weiterhin Thema. Welche Ziele hat sich jetzt der Deutsche Kulturrat gesetzt, um das Kulturgut auch in Zukunft nachhaltig zu stärken?
Zimmermann: Unser Hauptarbeitsziel ist auch in der Zukunft, dass wir die Rahmenbedingungen für den Kulturbereich verbessern wollen. Das ist natürlich besonders im Bereich der Kulturfinanzierung wichtig. In der Praxis bedeutet das, dass wir zum Beispiel solche Gesetzgebungsverfahren begleiten, wie sie jetzt in Nordrhein-Westfalen gestartet werden, wo man ein Kulturfördergesetz in den Landtag einbringen will.
Das sind klassische politische Maßnahmen, die jedoch nicht ausreichen, wenn sie nicht durch ein Interesse der Öffentlichkeit flankiert werden. Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern und damit nutzbringende Lobbyarbeit für den Kulturbereich in Berlin, in Brüssel, aber auch in den Bundesländern leisten. Gleichzeitig versuchen wir – und das ist das Neue – verstärkt in die Öffentlichkeit zu gehen und damit die politische Arbeit unserer Institution sichtbar zu machen.
KMP: Stärker in die Öffentlichkeit gerückt ist das Thema Kultur schon unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Unter ihm wurde zum ersten Mal das Amt des Kulturstaatsministers etabliert. Und seit dieser Zeit gewinnt Kultur an Gewicht, auch finanziell. Unter dem jetzigen Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat der Kulturetat – zwar minimal, aber stetig – zugenommen. Reichen Ihrer Meinung nach die Investitionen des Bundes in die Kultur aus?
Zimmermann: Nein, sie sind nicht ausreichend. Aber da muss man zunächst sehen, was überhaupt passiert ist. Als ich vor 14 Jahren Geschäftsführer des Kulturrates wurde, hatte kurz vorher der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl auf Druck der Länder durchgesetzt, dass der Unterausschuss Kultur des Innenausschusses abgeschafft wurde. Also gab es keinen einzigen Ort mehr auf der Bundesebene, an dem man über Kultur hat reden können, der in irgendeiner Form parlamentarisch oder regierungsmäßig angebunden war. Deswegen war eine unserer Forderungen damals: ein Kulturminister auf der Bundesebene. Bis heute haben wir ihn noch nicht.
KMP: Dann ist dieses Amt des Kulturstaatsministers auf Anregung des Kulturrates eingeführt worden?
Zimmermann: Ich glaube schon, dass wir daran nicht ganz unschuldig waren. Das ist eine ganz interessante Geschichte. Im Februar 1998 haben wir – und zwar der Vorstand des Kulturrates und der Geschäftsführer – anlässlich eines Treffens mit dem damaligen SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine ganz massiv beklagt, dass wir auf der Bundesebene einen kulturpolitischen Ansprechpartner vermissen und einen Kulturminister fordern. Oskar Lafontaine war der erste Spitzenpolitiker, der diese Idee gut fand. Er hat nicht verhehlt, dass es eine schwierige Situation sei, zumal er zu jener Zeit noch Ministerpräsident des Saarlandes war und die Frage im Raum stand, ob ein solches Amt auf Bundesebene mit dem Föderalismus verträglich sei. Aufgrund dieser Bedenken wies Gerhard Schröder (SPD), der damals noch Ministerpräsident in Niedersachsen war, dieses Ansinnen vehement zurück. Dann im Sommer, ich kann mich noch gut erinnern, kam ganz plötzlich die Nachricht, dass Schröder seine Meinung geändert habe. Gleichzeitig hatte er Michael Naumann für den Kulturbereich in sein Schattenkabinett berufen.
KMP: ...und damit das Thema Kultur in den Bundestagswahlkampf 1998 eingeführt.
Zimmermann: Das führte in der Tat zu dem ersten Kulturwahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – mit emotionalen und explosiven Argumenten. Die CDU, die sich heute für die Kulturpolitik stark macht, war damals ganz massiv gegen einen Kulturstaatsminister. Gerhard Schröder hat die Wahl gewonnen und sein Versprechen eingelöst.
KMP: Mit der Konsequenz, dass es nicht nur einen Staatsminister, sondern auch noch ein entsprechendes parlamentarisches Gremium auf der Ebene des Bundestages zu etablieren galt.
Zimmermann: So war es: Da das Parlament ein Kontrollorgan brauchte, war die logische Konsequenz die Gründung des Ausschusses für Kultur und Medien. Das war übrigens die Erfüllung unserer zweiten Forderung. Und auch unsere dritte Forderung – eine Enquete-Kommission zu installieren – ist Wirklichkeit geworden.
Mit einem Wermutstropfen müssen wir allerdings noch leben, dass eben auch heute noch der Kulturstaatsminister kein richtiger Minister, sondern immer noch ein Staatssekretär mit dem Titel Staatsminister ist. Solange der Bundeskanzler, wie Gerhard Schröder damals, oder die Bundeskanzlerin, wie Angela Merkel heute, hinter diesem Staatssekretär steht und ihn unterstützt, kann dieser gute und sogar sehr gute Arbeit leisten. Wenn der Kulturstaatsminister aber nicht die Unterstützung des Bundeskanzlers hat, dann wird es schwierig – wie ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt. (...)
Der vollständige Wortlaut des Interviews ist abgedruckt im Magazin KULTUR.MEDIEN.POLITIK (KMP) Nr. 6. Die 40-seitige Zeitschrift ist erhältlich bei der zwd-Mediengruppe, Luisenstraße 48, 10117 Berlin (Bestellcoupon auf der Homepage www.kmp.zwd.info oder auf www.zwd.info [Horizontale Leiste, Rubrik zwd-Produkte]).
Siehe auch: DEBATTE II: Kultur braucht nicht nur eine gute Lobby,
sondern auch einen „echten“ Kulturminister
Zimmermann: Deutschland wird "bunter, älter, weniger"
KMP Berlin. Die Situation einkommensschwacher Bürgerinnen und Bürger, noch mehr aber den demographischen Wandel – Migration, Älterwerden, Bevölkerungsrückgang – sieht der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, als wesentliche Hürde, „Kultur für Alle“ anzubieten. In einem Interview mit dem zwd-Magazin KULTUR.MEDIEN.POLITIK erläutert er, welche Folgen sich daraus ableiten: wie zum Beispiel das Eingehen auf andere Kulturkreise oder die Veränderung der kulturellen Infrastruktur. Erleichtert würde die Bewältigung dieser kulturellen Herausforderungen durch die Verwirklichung der vom Kulturrat geäußerten Position: die Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz und die Transformation des Beauftragten für Kultur in einen „echten“ Bundeskulturminister. Mit einem kurzen Schwenk erinnert Zimmermann an die Geburtswehen dieses politischen Amtes vor 13 Jahren.
(...)KMP: „Kultur gut stärken“ bleibt also weiterhin Thema. Welche Ziele hat sich jetzt der Deutsche Kulturrat gesetzt, um das Kulturgut auch in Zukunft nachhaltig zu stärken?
Zimmermann: Unser Hauptarbeitsziel ist auch in der Zukunft, dass wir die Rahmenbedingungen für den Kulturbereich verbessern wollen. Das ist natürlich besonders im Bereich der Kulturfinanzierung wichtig. In der Praxis bedeutet das, dass wir zum Beispiel solche Gesetzgebungsverfahren begleiten, wie sie jetzt in Nordrhein-Westfalen gestartet werden, wo man ein Kulturfördergesetz in den Landtag einbringen will.
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Das sind klassische politische Maßnahmen, die jedoch nicht ausreichen, wenn sie nicht durch ein Interesse der Öffentlichkeit flankiert werden. Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern und damit nutzbringende Lobbyarbeit für den Kulturbereich in Berlin, in Brüssel, aber auch in den Bundesländern leisten. Gleichzeitig versuchen wir – und das ist das Neue – verstärkt in die Öffentlichkeit zu gehen und damit die politische Arbeit unserer Institution sichtbar zu machen.
KMP: Stärker in die Öffentlichkeit gerückt ist das Thema Kultur schon unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Unter ihm wurde zum ersten Mal das Amt des Kulturstaatsministers etabliert. Und seit dieser Zeit gewinnt Kultur an Gewicht, auch finanziell. Unter dem jetzigen Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat der Kulturetat – zwar minimal, aber stetig – zugenommen. Reichen Ihrer Meinung nach die Investitionen des Bundes in die Kultur aus?
Zimmermann: Nein, sie sind nicht ausreichend. Aber da muss man zunächst sehen, was überhaupt passiert ist. Als ich vor 14 Jahren Geschäftsführer des Kulturrates wurde, hatte kurz vorher der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl auf Druck der Länder durchgesetzt, dass der Unterausschuss Kultur des Innenausschusses abgeschafft wurde. Also gab es keinen einzigen Ort mehr auf der Bundesebene, an dem man über Kultur hat reden können, der in irgendeiner Form parlamentarisch oder regierungsmäßig angebunden war. Deswegen war eine unserer Forderungen damals: ein Kulturminister auf der Bundesebene. Bis heute haben wir ihn noch nicht.
KMP: Dann ist dieses Amt des Kulturstaatsministers auf Anregung des Kulturrates eingeführt worden?
Zimmermann: Ich glaube schon, dass wir daran nicht ganz unschuldig waren. Das ist eine ganz interessante Geschichte. Im Februar 1998 haben wir – und zwar der Vorstand des Kulturrates und der Geschäftsführer – anlässlich eines Treffens mit dem damaligen SPD-Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine ganz massiv beklagt, dass wir auf der Bundesebene einen kulturpolitischen Ansprechpartner vermissen und einen Kulturminister fordern. Oskar Lafontaine war der erste Spitzenpolitiker, der diese Idee gut fand. Er hat nicht verhehlt, dass es eine schwierige Situation sei, zumal er zu jener Zeit noch Ministerpräsident des Saarlandes war und die Frage im Raum stand, ob ein solches Amt auf Bundesebene mit dem Föderalismus verträglich sei. Aufgrund dieser Bedenken wies Gerhard Schröder (SPD), der damals noch Ministerpräsident in Niedersachsen war, dieses Ansinnen vehement zurück. Dann im Sommer, ich kann mich noch gut erinnern, kam ganz plötzlich die Nachricht, dass Schröder seine Meinung geändert habe. Gleichzeitig hatte er Michael Naumann für den Kulturbereich in sein Schattenkabinett berufen.
KMP: ...und damit das Thema Kultur in den Bundestagswahlkampf 1998 eingeführt.
Zimmermann: Das führte in der Tat zu dem ersten Kulturwahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland – mit emotionalen und explosiven Argumenten. Die CDU, die sich heute für die Kulturpolitik stark macht, war damals ganz massiv gegen einen Kulturstaatsminister. Gerhard Schröder hat die Wahl gewonnen und sein Versprechen eingelöst.
KMP: Mit der Konsequenz, dass es nicht nur einen Staatsminister, sondern auch noch ein entsprechendes parlamentarisches Gremium auf der Ebene des Bundestages zu etablieren galt.
Zimmermann: So war es: Da das Parlament ein Kontrollorgan brauchte, war die logische Konsequenz die Gründung des Ausschusses für Kultur und Medien. Das war übrigens die Erfüllung unserer zweiten Forderung. Und auch unsere dritte Forderung – eine Enquete-Kommission zu installieren – ist Wirklichkeit geworden.
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Mit einem Wermutstropfen müssen wir allerdings noch leben, dass eben auch heute noch der Kulturstaatsminister kein richtiger Minister, sondern immer noch ein Staatssekretär mit dem Titel Staatsminister ist. Solange der Bundeskanzler, wie Gerhard Schröder damals, oder die Bundeskanzlerin, wie Angela Merkel heute, hinter diesem Staatssekretär steht und ihn unterstützt, kann dieser gute und sogar sehr gute Arbeit leisten. Wenn der Kulturstaatsminister aber nicht die Unterstützung des Bundeskanzlers hat, dann wird es schwierig – wie ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt. (...)
Der vollständige Wortlaut des Interviews ist abgedruckt im Magazin KULTUR.MEDIEN.POLITIK (KMP) Nr. 6. Die 40-seitige Zeitschrift ist erhältlich bei der zwd-Mediengruppe, Luisenstraße 48, 10117 Berlin (Bestellcoupon auf der Homepage www.kmp.zwd.info oder auf www.zwd.info [Horizontale Leiste, Rubrik zwd-Produkte]).
Siehe auch: DEBATTE II: Kultur braucht nicht nur eine gute Lobby,
sondern auch einen „echten“ Kulturminister