Ministerin Kotula, die mit ihrem Aufgabenbereich dem Amt des Ministerpräsidenten Donald Tusk unmittelbar zugeordnet ist, sieht in der EU-Rolle Polens ab Januar 2025 eine Chance, „Gesetze mit Blick auf Gewalt gegen Frauen und gegen Diskriminierung auf den Weg zu bringen“. Ferner will sie auch die Rechte der LSTIQ*-Community stärken. In diesem Punkte, bekräftigten Paus und Kotula, herrsche große Einigkeit zwischen ihnen. Paus betonte in diesem Zusammenhang, sie finde es wichtig, dass neben der Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch beide Länder sich nun auch die jetzige Warschauer Regierung uneingeschränkt zur Konvention bekenne. Eine Gefahr sieht Paus in vermehrt rechtspopulistischen und antifeministischen Bewegungen, denen sich beide Länder gemeinsam entgegenstellen wollen. Die Ministerinnen legten hierbei einen Fokus auf den Schutz und die Stärkung der LSTIQ*-Community.
Angesichts des Auslaufens der europäischen Gleichstellungsstrategie im Jahr 2025 will sich Kotula im Rahmen der polnischen Ratspräsidentschaft nachdrücklich dafür einsetzen, auf europäischer Ebene eine Fortschreibung der EU-Richtlinie voranzutreiben, die "dem wachsenden Populismus in Europa und dem Erstarken der extremen Rechten in Europa gemeinsam die Stirn bietet".
Paus über Haltung der Bundesregierung zur EU-Antidiskriminierungsrichtlinie „enttäuscht“
Bundesministerin Paus äußerte sich enttäuscht über die bislang fehlende positive Positionierung der Bundesregierung zur EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, die auf eine Bekämpfung von Diskriminierung auf EU-Ebene abzielt. Zwar habe der Großteil des bundesdeutschen Ressorts der Aufhebung des allgemeinen Vorbehalts - anders als in Polen - mittlerweile zugestimmt, doch noch gelte die ablehnende deutsche Haltung. Das sei im EU-Kontext nur noch schwer zu vermitteln.
Die polnische Ministerin lobte wiederum Deutschland als Vorbild für den polnischen Gesetzesentwurf für eingetragene Partnerschaften. Ihr Land habe gesehen, was im Nachbarland möglich gewesen sei. Es sei das erste wichtige Gesetz in Polen, das dafür sorge, die Rechte der LSTIQ*-Personen zu schützen. Deutschland ist da allerdings bereits einen Schritt weiter: Das von 2001 bis 2017 geltende Gesetz über eingetragene Lebenspartnerschaften ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts weiterentwickelt worden.
Deutschland blockierte EU-Einigung zum Straftatbestand Vergewaltigung
Kotula hob außerdem als positive Entwicklung in ihrem Lande hervor, dass dort die gesetzliche Definition von Vergewaltigung überarbeitet worden sei. Sie merkte dazu bedauernd an, dass es in der Zeit der belgischen Ratspräsidentschaft nicht gelungen sei, sich in der EU auf eine einheitliche Definition von Vergewaltigung (Art. 5) zu einigen. Ihrer diplomatischen Zurückhaltung war es geschuldet, dass sich Kotula auf ein Bedauern beschränkte, die Blockadehaltung der deutschen Bundesregierung aber unerwähnt ließ.
Unter der belgischen Ratspräsidentschaft war eine Harmonisierung des Vergewaltigungsstraftatbestandes gemäß Art. 83 Abs. 1 AEUV gescheitert. Zwar hatte sich die EU im Kampf gegen Gewalt im Februar dieses Jahres auf ein Gesetzespaket geeinigt, das schärfere Strafen für sexualisierte und häusliche Gewalt beinhaltet. Doch eine einheitliche Definition über Vergewaltigung in Artikel 5 der neuen EU-Richtlinie (wodurch das Verbrechen der Vergewaltigung bei fehlender ausdrücklicher Zustimmung geregelt worden wäre), war an den Regierungen von Deutschland und Frankreich gescheitert. Ex-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte mit der Forderung nach Streichung des Art. 5 in der neuen EU-Richtlinie zu Gewalt gegen Frauen eine entsprechende Regelung blockiert. Schließlich mussten die übrigen EU-Staaten auf eine einheitliche Definition von Vergewaltigung verzichten, um die EU-Richtlinie überhaupt durchzubringen.
Aktuell, fügte die Ministerin aus Warschau hinzu, arbeite ihr Land daran, einerseits die Quotenregelungen in Aufsichtsräten und anderen Gremien voranzubringen sowie andererseits, die EU-Entgelttransparenzrichtlinie in geltendes polnisches Recht umzusetzen.
Das Memorandum sieht neben den politischen Zielen einen jährlichen ministeriellen Austausch der beiden Gleichstellungsministerinnen vor. Das MoM soll alle zwei Jahre auf seine Aktualität überprüft und fortgeschrieben werden.