zwd Berlin. So zeigte sich Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) über das Verhandlungsergebnis „erfreut“: Der Entwurf des Koalitionsvertrages einer möglichen Großen Koalition im Bund spreche von einer „Offensive für Bildung, Forschung und Digitalisierung“ und setze „einen deutlichen Schwerpunkt beim Thema Bildung“. „Ich freue mich darüber, dass die Verhandlungspartner Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Ostdeutschland in den Blick genommen haben. Sie sollen besonders unterstützt werden, damit sie ihre Innovationskraft erhöhen können“, erklärte Hesse.
Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Katja Suding, kann in dem Papier hingegen nicht den Willen der designierten Koalition erkennen, eine Trendwende in der Bildungspolitik erreichen zu wollen: „Im Gegenteil, alle großen Baustellen liegen weiter brach: Das Kooperationsverbot wird lediglich aufgeweicht, bundesweit einheitliche, ambitionierte Bildungsstandards werden nicht angestrebt“, monierte sie. Die 3,5 Milliarden Euro für den „DigitalPakt Schule“ (die geschäftsführende CDU-Bundesbildungsministerin Prof.´in Johanna Wanka hatte ursprünglich fünf Milliarden Euro angekündigt – Red.) reichten Experten zufolge höchstens, um ein Drittel der notwendigen Investitionen zu decken: „Da hilft es auch nicht, dass die neue Große Koalition durch eine Grundgesetzänderung ermöglichen will, dass der Bund die Sanierung der Schulen unabhängig von der Finanzkraft der Kommunen bezuschussen kann.“
GEW: „Besser als bei Jamaika“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht in dem Koalitionspapier von CDU/CSU und SPD mit Blick auf die Bildung „kleine Schritte in die richtige Richtung“. „In das Koalitionspapier haben mehr bildungspolitische Themen Eingang gefunden als bei den Jamaika-Gesprächen. Eine Reihe unserer Forderungen wurde aufgegriffen: So wird das Kooperationsverbot insofern weiter gelockert, als der Bund den Ländern jetzt Finanzhilfen für die Bildungsinfrastruktur aller Kommunen geben kann“, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe. Allerdings reichten die verabredeten Summen bei weitem nicht, um etwa den Sanierungsstau an Schulen und Hochschulen sowie den Nachholbedarf bei Digitalisierung tatkräftig in Angriff zu nehmen. „Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen und die Gebührenfreiheit für Kitas werden den Menschen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf helfen. Wir haben allerdings sowohl für den Ganztag in der Grundschule als auch den Ausbau der Kitas auf die Verbesserung der Qualität gesetzt. Hier klafft eine finanzielle Lücke. Da muss nachgelegt werden“, mahnte Tepe.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sieht in dem Vertragsentwurf „einen guten Anfang, aber viele offene Fragen“. So begrüße man insbesondere die Investitionsoffensive, welche durch eine Veränderung des Grundgesetzes direkte Förderung von Kommunen bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur möglich macht. „Das ist dringend notwendig, denn das Kooperationsverbot von Bund und Ländern zementiert seit mehr als 10 Jahren Bildungsungerechtigkeit“, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. Zur Einsetzung eines Nationalen Bildungsrat äußerte sich Beckmann positiv: „Ein Bildungsrat könnte dringend notwendige übergeordnete Strategien erarbeiten, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in Bezug auf Bildungschancen der Kinder hergestellt werden können. Wissenschaft und Schulpraxis sollten in einem solchen Gremium gemeinsam mit Entscheiderinnen und Entscheidern aus Bund, Ländern und Kommunen zusammenkommen. Wichtig ist, dass das Erarbeitete durch Staatsverträge verbindlich gemacht wird.“
Auch die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus knüpft hohe Erwartungen an den Nationalen Bildungsrat. „Die in den 16 Bundesländern teils sehr unterschiedliche Ausgestaltung der Oberstufe und der Abiturprüfungen ist eine große Ungerechtigkeit. Vor allem, da viele Abiturientinnen und Abiturienten um Studienplätze mit einem Numerus Clausus konkurrieren“, sagte die schulpolitische Sprecherin Hildegard Bentele. Die Kultusministerkonferenz bewege sich bei all diesen Fragen nur im Schneckentempo. „Insofern bietet ein gut eingerichteter und mandatierter Bildungsrat die Chance, für frischen Wind und Druck zu sorgen.“
Ausbau von Wohnheimplätzen: DSW sieht „gute Nachrichten für alle Studierenden“
Trotz einiger Schwachpunkte sei das Papier eine „starke Basis für fortschrittliche Hochschulpolitik“, erklärte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Prof. Horst Hippler. „Die Vereinbarung wäre grundsätzlich eine spürbar verbesserte, starke Basis für notwendige Fortschritte in der Hochschulpolitik und spiegelt Vieles wider, was die HRK in der Vergangenheit formuliert und vorgeschlagen hat.“ Die Absicht, die Bundesmittel für den Hochschulpakt zu verstetigen, sei „eine unerlässliche Voraussetzung, um ein ausreichendes Angebot an Studienplätzen und die Qualität der Lehre zu sichern.“ Bedauerlich sei jedoch, dass die Programm-Pauschale für Forschungsprojekte zunächst einmal auf dem jetzigen Niveau von 22 Prozent bleiben soll. „Wir hoffen, dass die geplante Erhöhung auf 30 Prozent bald verbindlich geregelt wird“, unterstrich Hippler.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) begrüßte, dass CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass der Bund nach Jahrzehnten der Absenz wieder in die Förderung studentischen Wohnraums einsteigen und explizit auch den Bau von Wohnheimplätzen für Studierende fördern will. „Das ist eine sehr gute Nachricht für vielen Studierenden, die kaum noch bezahlbaren Wohnraum finden, aber auch für die Hochschulstädte und unsere Gesellschaft generell. Denn der Bau von Wohnheimen für Studierende entlastet die Wohnungsmärkte zugunsten anderer Nachfrager“, sagte DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde. Damit komme die potenzielle künftige Große Koalition einem politischen Kernanliegen der Studenten- und Studierendenwerke endlich nach. Gut sei auch, dass generell die soziale Wohnraumförderung durch den Bund wieder gestärkt werden soll: „Auch das ist bitter nötig angesichts der Mietexplosion in vielen Städte.“
Kritik am Entwurf von Union und SPD kam hingegen vom freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs). „Den starken Schwerpunkt auf Wettbewerbsorientierung sehen wir als hoch problematisch an. Er schlägt sich nicht nur im Hochschulpakt, im Qualitätspakt Lehre und der Exzellenz Strategie nieder“, teilte fzs-Vorstandsmitglied Nathalie Schäfer mit. Auch bei der Studienfinanzierung werde weiter auf Elitenproduktion durch Begabtenförderung und Stipendien gesetzt, anstatt auf breit ausgelegte Förderprogramme, wie zum Beispiel im Rahmen einer umfassenden BAföG-Reform. „Um bei der anhaltend hohen Studiennachfrage eine gute Lehre sicherzustellen, muss in alle Bereiche der Forschung und Lehre investiert werden und nicht nur dort, wo vermeintlich ökonomisch verwertbare Ergebnisse hervorgebracht werden.", ergänzte fzs-Vorstandsmitglied Eva Gruse.