Im Vorfeld der Landtagswahl am 27. September in Schleswig-Holstein äußert sich der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner im zwd-Interview dazu, wie Bildungspolitik im Kampf gegen den Fachkräftemangel hilft und welcher Nachholbedarf im Bereich Gleichstellung von Frauen und Männern in Bildung und Wissenschaft besteht. Im Teil eins des Interviews, das im zwd-Bildung.Gesellschaft und Politik 08/09 2009 erschienen ist, warnt Stegner vor den Folgen einer möglichen schwarz-gelben Landesregierung für die von Ute Erdsiek-Rave auf den Weg gebrachten Gemeinschaftsschulen.
zwd: Die SPD will nach Ihren Worten die Gleichstellung von Frauen und Männern voranbringen. Was bedeutet das für den Bereich Bildung und Wissenschaft?
Stegner: Wir alle wissen, dass der Bildungsbereich die besten Voraussetzungen für eine Gleichstellung von Frauen und Männern bietet. Im vorschulischen Bereich, aber auch in der Primarstufe haben wir einen deutlichen Überhang bei der Beschäftigung von Frauen. Hier würden wir uns aus pädagogischen Erwägungen wünschen, dass sich mehr Männer für die Erzieherberufe oder für das Lehramt an Grundschulen entscheiden. Im Bereich der allgemeinen Hochschulreife haben die Mädchen genau wie im Studium die Nase vorn. Das stellt sich im Bereich der Leistungsfunktionen an unseren Schulen wie auch in den Lehrkörpern unserer Hochschulen leider noch nicht dar. Aber auch in der freien Wirtschaft sind Vorstandspositionen von Frauen eher noch eine Ausnahme. Hier gibt es in der Gleichstellungspolitik noch einen großen Nachholbedarf.
zwd: Die Finanz- und Wirtschaftskrise verlangt neue Antworten, einerseits für die Sicherung des Fachkräftebedarfs, andererseits für die Teilhabe des Einzelnen am Arbeitsmarkt. Welchen Beitrag kann dazu der Bildungsbereich leisten? Zusatz: Stichwort Lebenslanges Lernen. Welche Instrumente müssen verstärkt oder ggf. neu entwickelt werden?
Stegner: Der Bildungsbereich spielt hierbei wie auch das von Ihnen aufgeworfene Stichwort lebenslanges Lernen eine Schlüsselrolle. Bildung ist der Schlüssel zu sicherer Beschäftigung, Aufstieg und individuellen wie gesellschaftlichen Wohlstand. Wir dürfen deshalb niemanden zurücklassen, müssen allen eine faire Chance geben – wenn nötig auch eine zweite oder dritte!
Wir dürfen niemanden abschreiben – egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welchen Alters. Etwas scherzhaft sage ich immer: Ausgelernt hat man erst mit dem Tod. Aber im Ernst: Im Hinblick auf das lebenslange Lernen müssen mehr das Erwerbsleben begleitende Formen der Weiterbildung entwickelt werden, bis hin zu bislang noch nicht definierten akademischen Teilzeitstudien.
Schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns der Arbeitsmarkt die Erkenntnis vermittelt, dass gut ausgebildete Fachkräfte vor Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit sehr viel besser geschützt sind als angelernte Beschäftigte. Auch die Wirtschaft muss daher ein hohes Interesse an gut ausgebildeten Beschäftigten und ebenso an akademisch ausgebildetem Fachpersonal haben. Wir müssen daher den Anteil von qualifizierten Schulabschlüssen verbessern und damit auch den Anteil an Abiturientinnen und Abiturienten erhöhen.
Ich glaube, dass gerade die Einführung der Gemeinschaftsschule der richtige Schritt war, dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen auch dem Abschluss der Fachhochschulreife zukünftig mehr Bedeutung beimessen, weil insbesondere die Hochschulen der angewandten Wissenschaften einen entscheidenden Beitrag zur regionalen wirtschaftlichen Entwicklung leisten.
zwd: Herr Stegner, welche Konsequenzen ergeben sich für die Beschäftigung von Lehrkräften angesichts zurückgehender Zahlen von Schülerinnen und Schülern, die für 2020 auf rund 20 Prozent veranschlagt wird, wenn doch 4.800 Stellen im Landeshaushalt zukünftig eingespart werden sollen?
Stegner: 20 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler bedeuten rund 60.000 weniger Schülerinnen und Schüler von derzeit circa 324.000 Schülerinnen und Schülern an den allgemeinbildenden Schulen im Lande Schleswig-Holstein. Umgerechnet entspricht das 100 Schulen von je 600 Schülerinnen und Schülern. Das sind mehr, als alle Regionalschulen in ihrem Endausbau-Zustand um das Jahr 2016 haben werden. Selbstverständlich wird sich diese Situation in den Stellenplänen der zukünftigen Haushalte darstellen müssen. Wir werden den heutigen Umfang der Stellen im Bildungshaushalt unter diesen Voraussetzungen nicht im System fortschreiben, sondern auch Einsparungen vornehmen müssen – aber eben nicht eins zu eins. Diese Entwicklung ermöglicht eine Verbesserung der SchülerInnen-Lehrkräfte-Relation und den weiteren Ausbau der Ganztagsschule.
Das Interview führte Holger H. Lührig.
Lesen Sie den ersten Teil des Interviews in der Doppelausgabe 08/09 2009des zwd-Bildung.Gesellschaft und Politik, Seite 17.
zwd: Die SPD will nach Ihren Worten die Gleichstellung von Frauen und Männern voranbringen. Was bedeutet das für den Bereich Bildung und Wissenschaft?
Stegner: Wir alle wissen, dass der Bildungsbereich die besten Voraussetzungen für eine Gleichstellung von Frauen und Männern bietet. Im vorschulischen Bereich, aber auch in der Primarstufe haben wir einen deutlichen Überhang bei der Beschäftigung von Frauen. Hier würden wir uns aus pädagogischen Erwägungen wünschen, dass sich mehr Männer für die Erzieherberufe oder für das Lehramt an Grundschulen entscheiden. Im Bereich der allgemeinen Hochschulreife haben die Mädchen genau wie im Studium die Nase vorn. Das stellt sich im Bereich der Leistungsfunktionen an unseren Schulen wie auch in den Lehrkörpern unserer Hochschulen leider noch nicht dar. Aber auch in der freien Wirtschaft sind Vorstandspositionen von Frauen eher noch eine Ausnahme. Hier gibt es in der Gleichstellungspolitik noch einen großen Nachholbedarf.
zwd: Die Finanz- und Wirtschaftskrise verlangt neue Antworten, einerseits für die Sicherung des Fachkräftebedarfs, andererseits für die Teilhabe des Einzelnen am Arbeitsmarkt. Welchen Beitrag kann dazu der Bildungsbereich leisten? Zusatz: Stichwort Lebenslanges Lernen. Welche Instrumente müssen verstärkt oder ggf. neu entwickelt werden?
Stegner: Der Bildungsbereich spielt hierbei wie auch das von Ihnen aufgeworfene Stichwort lebenslanges Lernen eine Schlüsselrolle. Bildung ist der Schlüssel zu sicherer Beschäftigung, Aufstieg und individuellen wie gesellschaftlichen Wohlstand. Wir dürfen deshalb niemanden zurücklassen, müssen allen eine faire Chance geben – wenn nötig auch eine zweite oder dritte!
Wir dürfen niemanden abschreiben – egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welchen Alters. Etwas scherzhaft sage ich immer: Ausgelernt hat man erst mit dem Tod. Aber im Ernst: Im Hinblick auf das lebenslange Lernen müssen mehr das Erwerbsleben begleitende Formen der Weiterbildung entwickelt werden, bis hin zu bislang noch nicht definierten akademischen Teilzeitstudien.
Schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns der Arbeitsmarkt die Erkenntnis vermittelt, dass gut ausgebildete Fachkräfte vor Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit sehr viel besser geschützt sind als angelernte Beschäftigte. Auch die Wirtschaft muss daher ein hohes Interesse an gut ausgebildeten Beschäftigten und ebenso an akademisch ausgebildetem Fachpersonal haben. Wir müssen daher den Anteil von qualifizierten Schulabschlüssen verbessern und damit auch den Anteil an Abiturientinnen und Abiturienten erhöhen.
Ich glaube, dass gerade die Einführung der Gemeinschaftsschule der richtige Schritt war, dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen auch dem Abschluss der Fachhochschulreife zukünftig mehr Bedeutung beimessen, weil insbesondere die Hochschulen der angewandten Wissenschaften einen entscheidenden Beitrag zur regionalen wirtschaftlichen Entwicklung leisten.
zwd: Herr Stegner, welche Konsequenzen ergeben sich für die Beschäftigung von Lehrkräften angesichts zurückgehender Zahlen von Schülerinnen und Schülern, die für 2020 auf rund 20 Prozent veranschlagt wird, wenn doch 4.800 Stellen im Landeshaushalt zukünftig eingespart werden sollen?
Stegner: 20 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler bedeuten rund 60.000 weniger Schülerinnen und Schüler von derzeit circa 324.000 Schülerinnen und Schülern an den allgemeinbildenden Schulen im Lande Schleswig-Holstein. Umgerechnet entspricht das 100 Schulen von je 600 Schülerinnen und Schülern. Das sind mehr, als alle Regionalschulen in ihrem Endausbau-Zustand um das Jahr 2016 haben werden. Selbstverständlich wird sich diese Situation in den Stellenplänen der zukünftigen Haushalte darstellen müssen. Wir werden den heutigen Umfang der Stellen im Bildungshaushalt unter diesen Voraussetzungen nicht im System fortschreiben, sondern auch Einsparungen vornehmen müssen – aber eben nicht eins zu eins. Diese Entwicklung ermöglicht eine Verbesserung der SchülerInnen-Lehrkräfte-Relation und den weiteren Ausbau der Ganztagsschule.
Das Interview führte Holger H. Lührig.
Lesen Sie den ersten Teil des Interviews in der Doppelausgabe 08/09 2009des zwd-Bildung.Gesellschaft und Politik, Seite 17.