zwd Berlin/ Gütersloh. Gegenüber 2013 stieg der Anteil der Berufserfahrenen ohne Hochschulzugangsberechtigung (HZB) an den Student*innen um mehr als ein Drittel. Es sei „absolut nachvollziehbar“, wenn immer mehr Bürger*innen „für ihre Bildungsbiografie das Beste aus beiden Welten, also der beruflichen und der akademischen, mitnehmen wollen“, kommentierte der CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele den neuerlichen Zuwachs bei den Studierenden ohne Abitur. Dass jedes Jahr mehr Menschen von einer zunächst beruflichen Laufbahn zum Studium finden, zeigt nach Ansicht Ziegeles, dass die Übergänge zwischen beiden Bildungsbereichen durchlässiger geworden sind.
Wer ohne Abitur oder Fachhochschulreife an der Universität studieren möchte, muss über einen Berufsschulabschluss und Berufserfahrung verfügen. Je besser qualifiziert die Studienbewerber*innen sind, desto mehr erweitert sich die Vielfalt der für sie zugänglichen Studiengänge. Nach Angaben des CHE konnten 43 Prozent aller Studierenden ohne Abitur eine berufliche Qualifizierung zum Fachwirt oder Meister vorweisen.
Die meisten Berufserfahrenen ohne Abitur studieren an Fachhochschulen
Die meisten der Studierenden ohne HZB waren 2018 der Studie zufolge mit 66,4 Prozent an Fachhochschulen immatrikuliert, nur weniger als die Hälfte davon an den Universitäten. 3,3 Prozent der Personen ohne Abitur studierten an Kunst- und Musikhochschulen. Dort lag ihr Anteil mit über 7,5 Prozent deutlich höher als an den anderen Hochschularten, ging aber im Verhältnis zu 2017 und 2016 leicht zurück. Mit rund 43.700 Personen studierten die meisten der Berufserfahrenen ohne HZB an staatlichen Einrichtungen, trotzdem war ihre Rate unter den an privaten und kirchlichen Hochschulen Studierenden mit 7,4 bzw. 4,6 Prozent erheblich größer. Die bei den Studierenden ohne Abitur beliebtesten Fächer stellten 2018 laut CHE mit 54,3 Prozent Jura, Wirtschaft und Soziologie dar, an zweiter Stelle lagen die Ingenieurswissenschaften, auf dem dritten Platz Medizin und Gesundheitspflege.
Ebenso wie die Zahl der Studierenden zugenommen hat die Menge der Studienanfänger*innen ohne Hochschul- oder Fachhochschulreife. 14.800 Berufserfahrene ohne HZB begannen 2018 ein Studium, 2,9 Prozent. aller Erstsemester*innen. Im selben Jahr absolvierten auch mehr Personen ein Studium, ohne zuvor eine HZB erworben zu haben. Mit rund 8.700 Studierenden betrug ihre Quote ca. 1,7 Prozent der Gesamtzahl der Student*innen. Damit verdreifachte sich die Menge der Absolvent*innen ohne Abitur im Vergleich zu 2010, als das Hochschulstudium ohne Abitur bundesweit eingeführt wurde.
Weniger Frauen als Männer ohne HZB wagen sich zum Studium
Frauen sind unter den Studierenden ohne Abitur mit 46,6 Prozent seltener vertreten als Männer, ihr Anteil an der Gesamtmenge der Studierenden ist im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht gesunken (- 0,7 Prozent). Die Rate weiblicher Studierender mit HZB liegt hingegen mit ca. 48,9 Prozent etwas höher, aber noch immer unterhalb der Geschlechter-Parität.
Ein sprunghafter Anstieg der Zahlen der über den beruflichen Bildungsweg qualifizierten Studierenden ist gemäß der CHE-Studie zwischen 2007 und 2012 zu beobachten. Als Ursache vermutet das CHE-Institut die Vereinbarung der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2009, die Hochschulen für Studieninteressierte ohne HZB zu öffnen, sowie von verschiedenen Bundesländern teilweise schon vorher getroffene Maßnahmen und Angebote einzelner Hochschulen, welche für Menschen mit beruflichem Hintergrund den Zugang zum Studium zu erleichtern sollten.
Mehr Studierende ohne Abitur an westdeutschen Hochschulen
Die meisten Studierenden ohne Abitur- oder Fachabiturzeugnis gab es 2018 der Statistik gemäß in Hamburg mit 5,8 Prozent, gefolgt von Nordrhein-Westfalen und Hessen mit über 3,9 Prozent bzw. 3,8 Prozent. Die untersten Plätze im Ranking des CHE-Instituts belegten das Saarland mit 1,07 Prozent sowie Baden-Württemberg und Brandenburg mit 1,4 bzw. 1,59 Prozent. Dabei schnitten die westdeutschen Bundesländer deutlich besser ab als die Länder im Osten der Republik. Während der Mittelwert der ohne HZB eingeschriebenen Student*innen in Westdeutschland 2018 bei 2,33 Prozent lag, kamen die ostdeutschen Bundesländer auf gerade einmal 1,5 Prozent aller Studierenden.
Dennoch verzeichneten sie mit einer anteilmäßigen Zunahme um 4,4 Prozent nur einen leicht geringeren Anstieg als die Länder in Westdeutschland (+ 4,7 Prozent). Mecklenburg-Vorpommern (2,57 Prozent), Thüringen (2,06 Prozent) und Sachsen-Anhalt (1,79 Prozent) konnten ihre Werte im Vergleich zum Vorjahr verbessern, in Berlin, Sachsen und Brandenburg sanken hingegen 2018 die Prozentsätze. Am größten war die Differenz zwischen östlichen und westlichen Bundesländern bei den Studienanfänger*innen mit knapp 1,27 Prozent. Nach Aussagen des CHE schrieben sich 93 Prozent aller Studierenden ohne Abitur 2018 an einer westdeutschen Hochschule ein. Grund dafür könnte der Meinung der CHE-Forscher*innen zufolge die Tatsache sein, dass ca. 84 Prozent aller für Berufserfahrene ohne HZB geeigneten Studienangebote von Hochschulen im westlichen Teil der Bundesrepublik gemacht werden. Bei den Absolvent*innen ohne Hochschul- oder Fachhochschulreife fällt dagegen der Abstand zwischen Ost und West mit ca. 0,41 Prozent wesentlich geringer aus.