Wagner (SPD) und Kraft (Grüne): Einstieg in soziale Spaltung
Die Forderung des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), Studiengebühren wieder einzuführen, läuft nach Auffassung der wissenschaftspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Carolin Wagner (Bild links) auf „soziale Selektion“ hinaus: „Durch Studiengebühren würde die Schere zwischen arm und reich an Hochschulen noch vergrößert werden. Das sind die sozialen Einschnitte, die Friedrich Merz und Markus Söder gefallen: Politik für Leute mit großem Einkommen“, stufte Wagner die Forderung des RCDS auf Anfrage des zwd-POLITIKMAGAZINs ein. Stattdessen verwies die SPD-Politikerin auf die drei BAföG-Reformen inklusive einer Studienstarthilfe, welche die vergangene Ampelregierung während dieser Legislaturperiode des Bundestages auf den Weg gebracht hat. Wie Wagner erinnerte auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Laura Kraft (Bild rechts)erinnerte daran, dass der Bildungsstand noch immer stark vom Einkommen der Eltern abhänge: „Durchschnittlich studieren drei von vier Akademikerkindern, bei Arbeiterkindern ist es nur eines von vier. […] Es kann nicht sein, dass Studierende jetzt die finanziellen Engpässe in der Bildungsfinanzierung selbst ausgleichen sollen,“ erklärte Kraft auf Anfrage gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN.
BAföG reicht ohnehin nicht aus
Für die Juso-Hochschulgruppen ist schon heute zu beobachten, dass bereits jetzt viele Studierende vom hohen Darlehensanteil beim BAföG abgeschreckt seien, einige würden deswegen gar kein Studium aufnehmen: „Wir erwarten eine Verschärfung des Problems durch die Einführung von Studiengebühren.“ Die Sparpolitik der letzten Jahre habe die Hochschulen stark belastet, erklärte eine Sprecherin der SPD-Studierendenorganisation gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN. Dafür nun die Studierenden zur Verantwortung zu ziehen, sei „nicht nur unfair, sondern schlichtweg eine vollständige Abkehr von einem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit.“ Noch höhere Gebühren für Studierende aus dem EU-Ausland halten die Jusos für „ebenso unsinnig“.
Über Studiengebühren entscheiden die Länder
Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft GEW, beschrieb gegenüber dem zwd-POLITIKMAGAZIN Deutschlands Rolle als „schon heute Weltmeister in sozialer Auslese.“ Die Diskrepanz von Studierenden aus Arbeiter- und Akademikerfamilien sei ein „sozialpolitischer Skandal“: „Statt für Studiengebühren sollten sich RCDS und Wirtschaftsweise Grimm für eine strukturelle Erneuerung der Ausbildungsförderung aussprechen, die heute nur noch zwölf Prozent aller Studierenden erreicht und bei Weitem nicht existenzsichernd ist“, antwortete Keller.
Der GEW-Vize erinnerte daran, dass Studiengebühren seit der Föderalismusreform von 2006 wieder Ländersache seien: „Vorausgegangen war eine Klage unionsgeführter Länder gegen ein von der rot-grünen Bundesregierung im Hochschulrahmengesetz verankertes Studiengebührenverbot. Aus gutem Grund erwägt heute aber keine Landesregierung, egal ob CDU-, CSU, SPD, grün oder links geführt, allgemeine Studiengebühren einzuführen.“
RCDS möchte Hochschulen durch Studiengebühren entlasten
Hochschulgebühren wurden in der Bundesrepublik erstmals 1970 abgeschafft. Seitdem gab es in einzelnen Ländern immer wieder Gebühren, doch seit 2014 ist ein Erststudium in ganz Deutschland kostenfrei (zumindest bis auf die Semesterbeiträge). Es hat aber immer wieder – auf unterschiedlichen Wegen – Anläufe gegeben, Studiengebühren einzuführen, beispielsweise durch höhere Semestergebühren und für Langzeitstudierende sowie ausländische Studierende.
Der RCDS fordert bereits seit 2018 eine Wiedereinfuhr von Studiengebühren und hat diesen Vorschlag nun am 22. November mit der Zielsetzung erneuert, den Investitionsstau in der Bildung mit Studiengebühren zu stopfen. Er hatte damit eine tags zuvor gegenüber dem journalistischen Onlinedienst Table.media geäußerte Erwägung der „Wirtschaftsweisen“ Prof.in Veronika Grimm aufgegriffen. Die Hochschullehrerin an der TU Nürnberg und Leiterin des Energy Systems und Market Design Lab) hatte allerdings empfohlen, die bei Einführung von Studiengebühren freiwerdenden Haushaltsmittel zur Förderung der frühkindlichen Bildung und der Grundschulen zu verwenden.
CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume: „Studiengebühren sind in Bayern tabu“
Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (Bild links; Fotograf J. Patrick Fischer) hat einer Wiedereinführung von Studiengebühren im Freistaat eine klare Absage erteilt. Blume erklärte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk wörtlich: "Studiengebühren in Bayern sind tabu". Auf den Vorschlag der "Wirtschaftsweise" Grimm antwortete der CSU-Politiker, es sei nicht der richtige Weg, die Finanzierung von Hochschulen auf dem Rücken junger Menschen zu organisieren. In Bayern waren 2013 nach erfolgreichen Volksbegehren die Studiengebühren abgeschafft worden. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Blume im kommenden Jahr den Vorsitz der Wissenschaftsministerkonferenz in der KMK übernehmen wird.
Die Blume-Antwort hat nach Einschätzung politischer Beobachter den Charakter einer schallenden Ohrfeige für den Studierendenverband der Union, nicht zuletzt wohl auch, um in den Unionsparteien keine Debatte darüber afukommen zu lassen. Denn ein Streitpunkt Studiengebühren käme für sie – kurz vor der nächsten Bundestagswahl – zur Unzeit. Für beide Regierungsparteien SPD und Grüne wäre die RCDS-Initiative, die Studiengebühren-Forderung im CDU-Wahlprogramm für die kommende Bundestagswahl zu verankern, ein unverhofftes Wahlgeschenk.
Inzwischen hat sich auch der Vorstandsvorsitzende des Deutsche Studierendenwerks Matthias Anbuhl kritisch in die Debatte um Wiedereinführung von Studiengebühren eingeschaltet. Er halte es für einen Fehler, in Zeiten des Fachkräftemangels Bildung teurer zu machen, sagte Anbuhl SPIEGEL-Online. Vielmehr liefen den jungen Menschen die Kosten bei Mieten, Essen und Mobilität davon: "Es drohen Studienabbrüche durch Geldmangel" - ausgerechnet in Zeiten, in denen Deutschland Fachkräfte dringend benötigt.