Berliner Zeitung mit Kommentaren aus dem Putin-nahen Fahrwasser
Die Veröffentlichung ist allein schon notwendig, um die in diesen Tagen von moskaunahen sowie selbsternannten Antifeministen verbreitete Kritik an der Amtsführung der Bundesaußenministerin als das zu veranschaulichen, was sie ist: abschätzige Propaganda. Als Beispiel darf hier die russlandnahe Tageszeitung „Berliner Zeitung“ gelten, die in scharfer, zum Teil herabsetzender Form die Arbeit der grünen Bundesaußenministerin kritisiert hat. In einem Beitrag in dieser Zeitung, der von der russischen Internet-Propagandaplattform RT DE verbreitet wurde, wirft ein ehemals von 1992 bis 2015 in Moskau tätiger Manager der Außenamtschefin vor, sie schade Deutschland, weil sie einen diplomatischen Kontakt zu dem russischen Außenminister Sergej Lawrow verweigere. Der Beitrag erschien an dem in Russland jeweils am 10. Februar gefeierten „Tag des Diplomaten“ und stützt sich unter anderem auf einen „nicht näher genannten Bundestagsabgeordneten mit außenpolitischer Erfahrung“. Derweil hat der russische Präsident Putin sich am 15. Februar gegen über einem Journalisten ähnlich geäußert und die Meinung verbreitet, die deutsche Außenministerin verhalte sich „feindselig gegen das eigene Land“.
Kernaussagen von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zur feministischen Außenpolitik sind in einem Bericht im zwd-POLITIMAGAZIN Ausgabe 400 dokumentiert. Hierzu die Einführung von zwd-Herausgeber Holger H. Lührig zu dem Artikel:
»Ohne den russischen Angriffskrieg hätte es „vielleicht eine ganz andere Außenministerin gegeben“, sagt Annalena Baerbock eingangs eines Features des ZDF über die Halbzeitbilanz nach zwei Jahren im Amt. In der am 14. November ausgestrahlten Sendung „Mensch Baerbock! Die undiplomatische Diplomatin“ wurde die grüne Außenministerin in ihrer offenen und klaren – zuweilen „undiplomatischen“ – Art der Kommunikation vorgestellt. Sie gilt bei ihren Auftritten auf internationalem Parkett als stets gut vorbereitet, schlagfertig und, wie ihre Parteikollegin, Kulturstaatsministerin Claudia Roth über sie in dem ZDF-Beitrag sagt, „schwurbelt nicht diplomatisch herum“. Annalena Baerbock, ehemalige Trampolin-Leistungssportlerin, ist eine robuste zielstrebige Kämpferin, die gerade auch in der Phase ihrer Kanzlerkandidatur für die Grünen gelernt hat, mit Gegenwind zurecht zu kommen. Ihr, die noch nie ein Ministerium geleitet hatte, hat nach ihren eigenen Worten bei der Übernahme des Auswärtigen Amtes („Ein Sprung ins kalte Wasser“) mit seinen 230 Auslandsvertretungen und 12.000 Mitarbeiter:innen sehr geholfen, sich stets die eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu machen. Und: „Mit wenig Schlaf auszukommen, ist eine der Schlüsseldisziplinen für Politik“
Mut und Fähigkeit, eigene Positionen zu hinterfragen
Die verteidigungspolitischen Sprecher:innen Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Norbert Röttgen (CDU) zollen ihr Anerkennung für ihren „Mut“ und die „Lernfähigkeit“, auch eigene Positionen hinterfragen zu lassen. Strack-Zimmermann bescheinigte der Außenministerin in der ZDF-Sendung, sie sei eine mutige Frau und ein „Glück für Deutschland“, während Röttgen hervorhob, dass sie ihre Haltung, die von der pazifistischen Orientierung der grünen Partei geprägt war, grundlegend zu korrigieren in der Lage war. Baerbock selbst bekannte dazu: „Ich zweifele immer wieder. Aber wer nicht zweifelt, der ist entweder ideologisch verbohrt oder hat keine Selbstreflexion“. Tatsächlich war Baerbock mit Verweis auf die deutsche Rolle im 2. Weltkrieg zunächst gegen Waffenlieferungen, um die deutsche Verhandlungsposition als Mittlerin zwischen Russland und der Ukraine nicht zu gefährden – eine falsche Annahme, wie sich später herausstellte. Unter dem Eindruck von zwei Reisen ins Kriegsgebiet in der Ukraine – insbesondere nach Butscha – hat sie dann einen Kurswechsel um 180 Grad vollzogen. Sie befürwortet jetzt Waffenlieferungen, um die Verteidigungsfähigkeit des von Russland überfallenen Landes zu sichern.
Den zustimmenden Worten des CDU-Politikers Röttgen mag sich sein Partei- und Faktionsvorsitzender Friedrich Merz nicht anschließen: „Wir brauchen keine belehrende und moralisierende Außenpolitik, darauf wartet niemand“, erklärte der im Bundestag, was Strack-Zimmermann zu der Bemerkung veranlasste, wer so rede, wisse nicht, „welche Dramen sich in der Welt abspielen“. Als Krisendiplomatin vom ersten Tag an gefordert, hat Baerbock ihre Feuertaufe gleich am Anfang ihrer Arbeit mit dem Besuch bei dem russischen Außenminister Sergej Lawrow bestanden. Bei ihrem Besuch am 18. Januar 2022 hatte Lawrow gegenüber Baerbock angesichts des Truppenaufmarschs an der ukrainischen Grenze noch die Lüge aufgetischt, Russland beabsichtige „keine Eskalation“ im seit 2014 andauernden, von russischen Separatisten geführten Krieg mit der Ostukraine. Am 24. Februar 2022 begann der russische Annexionskrieg mit dem Ziel, der Vernichtung der Ukraine als selbstständiger Staat. Am 1. März schleuderte Baerbock ihren russischen Amtskollegen die Worte entgegen, er können sich zwar selbst täuschen, „aber uns täuschen sie nicht und auch nicht ihr eigenes Volk“. »
Ausführlich hatte sich das zwd-POLITIKMAGAZINs in seiner Ausgabe 390 mit der Strategie Baerbocks beschäftigt, ihre Außenpolitik feministisch auszurichten. Das Titel-Cover der Ausgabe zeigt die Ministerin bei ihrer Rede am 1. März vor der UN-Vollversammlung. Wir verweisen ferner auf unsere Ausgabe 396, in der wir über die von Baerbock und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze präsentierten Handlungsfelder feministischer Außen- und Entwicklungspolitik berichtet haben.