Koalitionsexpert:innen einig: Regelungen des § 218 gehören nicht ins Strafgesetzbuch
Dem Deutschen Bundestag liegt seit dem 17. Oktober ein vollständig ausgearbeiteter Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vor. Der von 26 Fachverbänden unter Federführung der Professorinnen Dr.in Liane Wörner, Dr.in Maria Wersig und Dr.in Friederike Wapler erarbeitete Entwurf ist an diesem Tage dem Parlament in Form einer Petition zugeleitet und am gleichen Tage bei einer öffentlichen Präsentation im Angesicht des Reichstagsgebäudes an Abgeordnete der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP übergeben worden. Diese zeigten sich noch erfreut über den Entwurf und bekundeten ihren Willen, noch in dieser Legislaturperiode des Bundestages eine Neuregelung herbeizuführen.
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs – Wortlaut der Zusammenfassung, erarbeitet von den Professorinnen Dr.in Frederike Wapler, Dr.in Maria Wersig und Dr.in Liane Wörner
Der vorliegende Gesetzentwurf versteht sich als Impuls an den Gesetzgeber zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs im deutschen Recht. Der gemäß den gesetzlichen Regelungen vorgenommene Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der schwangeren Person und nach medizinischer Indikation wird danach rechtmäßig und straffrei gestellt. Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Die Voraussetzungen zur Durchführung eines rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruchs und ärztliche Pflichtverletzungen werden nicht mehr im Strafgesetzbuch, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt.
Rückschlag für Parität – Aber Frauen wählten anders
Ausgerechnet in den Bundesländern Thüringen und Brandenburg, in denen vor einigen Jahren vergeblich versucht worden war, mit Paritätsregelungen im Wahlrecht den Frauenanteil in den Parlamenten zu steigern, zeigt sich bei den jetzigen Landtagswahlen ein frauenpolitisch deprimierendes Ergebnis. In allen drei Ländern ist die Zahl der Parlamentarierinnen gesunken, am stärksten in Brandenburg (um 5,7 auf 29,5 %), gefolgt von Thüringen (um 2,3 auf 30,7 %) und in Sachsen (um 1,1 auf 27,5 %). Alle Länder sind von einer Parität weit entfernt, zeigt eine Analyse von Lena Kuhn für das zwd-POLITIKMAGAZIN.
„Verfassungskonforme Wahlrechtsänderung ist möglich“
Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis unter dem Titel „#PARITÄTJETZT!“ hat am 09. Oktober ein „Manifest für Parität in deutschen Parlamenten“ veröffentlicht. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Manifests, „Bürgerinnen und Bürger aus Ost und West“ – angeführt von der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) – fordern ein „Gesetz mit dem verbindlichem Ziel: Der Deutsche Bundestag setzt sich nach der Wahl aus ebenso vielen Frauen wie Männern zusammen!“ Das Memorandum wurde im Rahmen einer kleinen Veranstaltung an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) übergeben. Die Präsidentin hat bei dieser Gelegenheit erneut ein Bekenntnis zur Parität abgelegt: „Echte Gleichstellung ist mir besonders wichtig. Umso mehr freue ich mich über Ihre Initiative. Wir brauchen die Parität in den Parlamenten, um zu einer wirklich gleichberechtigen Politik zu kommen.“
Je höher die Besoldungsstufe, desto weniger Geschlechterparität
Beim Geschlechtsranking auf den höchsten Ebenen des Wissenschaftssystems sind die Frauen im Nachteil. Der Frauenanteil an Professuren und Führungspositionen steigt nur schleppend, ergab der „Gleichstellungsmonitor Wissenschaft und Forschung“ der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK). Die Datenlage aus den Jahren 2022 und 2023 belegt klar, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern eine der großen Herausforderungen für die Qualität und die internationale Konkurrenzfähigkeit des deutschen Wissenschafts- und Forschungssystems bleibt.
Es fehlen 14.000 Frauenhaus-Plätze
Die Fallzahlen häuslicher Gewalt steigen an, hatte das Bundeskriminalamt bereits im Juni 2024 berichtet. Die Opfer sind fast immer Frauen, dennoch bleibt die Zahl der Frauenhausplätze weit unter dem nötigen Mindestmaß; nach Istanbul-Konvention ist der Bedarf gerade mal zu einem Drittel gedeckt. Darauf hat der Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) in seiner am 8. Oktober veröffentlichten bundesweiten Frauenhausstatistik 2023 aufmerksam gemacht. Bereits am 19. September hatte der Verein in einem offenen Brief an die Bundesregierung die Einhaltung verschiedener Gewaltschutz-Versprechen, unter anderem ein Gewalthilfegesetz, gefordert. Auch andere Organisationen wie der Deutsche Frauenrat und auch die Frauenminister:innenkonferenz GFMK haben das von der Ampel versprochene Gewalthilfegesetz angemahnt.
Häusliche Gewalt steigt stetig an
6,5 Prozent mehr als im Vorjahr: Der Lagebericht des Bundeskriminalamts bezüglich häuslicher Gewalt zeigt einen Anstieg der Delikte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser möchte in Anbetracht dieses Trends das Gewaltschutzgesetz verschärfen und auf Anti-Gewalt-Trainings und Fußfesseln erweitern. Bundesfrauenministerin Lisa Paus schaut dem geplanten Gewalthilfegesetz zur Stärkung des Opferhilfesystems hoffnungsvoll entgegen. Die nachstehenden Zahlen sind dem am 6. Juni 2024 veröffentlichten Bundeslagebericht des Bundeskriminalamts für 2023 entnommen.
Mehr Konferenzen, weniger Gremien: Gründung der Bildungs-MK
Am 13. Juni 2024 hat die 386. Kultusministerkonferenz in Völklingen eine für die Geschichte der KMK historische Entscheidung getroffen: die Einführung von drei eigenständigen Ministerkonferenzen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, alle ab 1. Juli 2024 unter dem gemeinsamen KMK-Dach. Die Bildungsministerkonferenz (BMK) traf sich nun zum ersten Mal am 10. Oktober und veröffentlichte dazu eine Gründungserklärung.
Bildungsetat 2025: Wo noch gerechnet werden muss - Änderungen am Einzelplan 30
105 Minuten lang debattierten Bildungspolitiker:innen am 12. September den Entwurf 2025 des Einzelplans 30 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in erster Lesung im Bundestag. Neben der üblichen Selbstdarstellung des erfolgreichen Wirkens des Ressorts durch die Vertreter:innen der Regierung und Regierungsfraktionen einerseits sowie der Generalabrechnung der Opposition andererseits gibt die Debatte auch Fingerzeige auf Schwerpunkte im neuen Haushaltsjahr – insbesondere welche Initiativen und entsprechende Veränderungen im Haushalt für das kommende Jahr angesagt sind oder entfallen. Darauf hat sich zwd-Herausgeber Holger H. Lührig in seinem Report "Wo noch gerechnet werden muss" konzentriert.
WissZeitVG "in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig"
Der Regierungsentwurf von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) hat nach dem ersten Durchgang im Bundesrat auch in der ersten Lesung im Bundestag am 16. Oktober weniger Zustimmung als herbe Kritik erfahren. Sprecher:innen der Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen haben klargestellt, dass für sie der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig ist. Auch in der FDP-Fraktion zeigen sich Absetztendenzen gegenüber dem Stark-Watzinger-Entwurf. Nach der Zuleitung des Gesetzentwurfs im März 2024 hatten sich die Koalitionsfraktionen mehr als sechs Monate Zeit gelassen, um den Entwurf im Parlament auf die Tagesordnung zu setzen – Ausdruck der Meinungsgegensätze innerhalb der Ampel-Koalition.
ZWISCHENRUF Dr. Ernst Dieter Rossmann
Kooperationschancen statt Kooperationsgebote: Dadurch wird Bildung im gesamten Land stärker
In seiner zwd-Kolumne hat Dr. Ernst Dieter Rossmann eine Äußerung des CDU/CSU-Fraktionschefs Friedrich Merz in der Haushaltsdebatte des Bundstages aufgegriffen, in der er kritisch angemerkt hatte, der Bund finanziere Bildungsprogramme, die doch eigentlich Länderaufgaben seien. Rossmanns Schlussfolgerung: "Wenn Friedrich Merz diese gemeinsame Erfolgsgeschichte von Bildungsminister:innen aller Couleur aus dem Bund wie aus den Ländern jetzt ebenso flapsig wie fahrlässig in den Senkel stellt, darf das nicht irritieren. Im Gegenteil: Es muss animieren, diesen Weg der Kooperationschancen statt der Kooperationsverbote weiter zu gehen und sich neue Ziele zu setzen." Der zwd-Kolumnist plädiert für ein weiteres Bund-Länder-Programm für den Bereich der frühkindlichen Bildung als "gute Bildung von Anfang an".
Aus der Vergessenheit ins Licht der Gegenwart geholt
Die Wissenschaft versäumte es, Frauen aus dem Widerstand nach 1945 zu befragen. Dieser historisch männerdominierte Sektor nahm primär Männer in den Fokus, Frauen blieben wegen männlicher Universalisierung und Rollenzuschreibung bis auf wenige Ausnahmen ungesehen. „Um ein vollständigeres Bild des Widerstands zu schaffen, müssen Frauen als Akteurinnen in den Jahren 1933 bis 1945 anerkannt werden, ohne dabei auf ihre Rolle als „Frauen“ reduziert zu werden. So lautete 2019 die Argumentation der Bundestagsfraktionen CDU/CSU und SPD, als sie ihren Antrag auf eine Würdigung der Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus stellten. Das Forschungsergebnis wurde 2024 in Form einer Ausstellung veröffentlicht – zwd-Chefredakteurin Hilda Lührig-Nockemann reflektiert die Ausstellung in einer ausführlichen Rezension.
Ein Einheitsdenkmal für Leipzig
Nach 16 Jahren Vorarbeit wird es nun Realität: Mit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal soll die Friedliche Revolution, mit der am 9. Oktober 1989 in Leipzig 70.000 engagierte Bürgerinnen und Bürger den Umbruchprozess einleiteten – und der genau einen Monat später den Fall der Mauer auslöste – nicht nur einen Platz im Gedächtnis haben, sondern auch Denkprozesse anregen.
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