zwd Berlin. Manche Kinder und Jugendliche erscheinen über Wochen oder gar Monate nicht im Unterricht. Sie haben Angst vor Leistungsdruck, strengen Lehrkräften oder Mobbing durch Mitschüler*innen, und die Fehlzeiten wachsen teilweise ins Astronomische. Der sog. Schulabsentismus ist nach Auffassung von Fachleuten eine Ursache dafür, dass Jugendliche den Schulbesuch abbrechen, ohne einen Abschluss erworben zu haben.
Die Bundesregierung bezieht sich in ihrem Antwortschreiben (Drs. 19/18211) auf Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis), wonach im Jahr 2018 bundesweit knapp 53.600 Jugendliche die Schule verließen, ohne eine Abschlussprüfung absolviert zu haben. Über 46 Prozent dieser Schulabgänger*innen kamen laut Destatis von Hauptschulen, Integrierten Gesamtschulen oder Schularten mit mehreren Bildungsgängen, fast zwei Drittel (ca. 63 Prozent) waren Jungen.
Studien zum Schulabsentismus fehlen – Schulpflicht ist Ländersache
Studien zur Schulmüdigkeit sind der Bundesregierung nach eigenen Aussagen nicht bekannt. Weder hat die Regierung bisher Forschungsinstitute mit Untersuchungen zu dem Thema beauftragt noch derartige Studien finanziert. Die Regierung weist in ihrer Antwort ausdrücklich darauf hin, dass Fragen der Schulpflicht in den meisten Landesverfassungen geregelt sind. Die Bundesländer seien sowohl dafür verantwortlich, für das Umsetzen der Schulpflicht zu sorgen, als auch Verstöße dagegen mit Geldbußen oder familienrechtlichen Maßnahmen zu ahnden.
In ihrer Anfrage (Drs. 19/17458) hatte die FDP-Fraktion dargelegt, dass aus ihrer Sicht der Schulabsentismus die gesamte Gesellschaft betreffende Effekte auf den Arbeitsmarkt und das System sozialer Sicherheiten habe. Daher hatten sich die Fragesteller*innen nach vorhandenen Zahlen zur Schulmüdigkeit sowie Maßnahmen der Bundesregierung erkundigt, mit welchen diese den Ländern beim Bewältigen des Problems hilft.
JUGEND STÄRKEN bringt viele Schüler*innen zurück zum Unterricht
In ihrem Schreiben benennt die Bundesregierung jedoch zwei Programme, mit denen sie versucht, schulabsente Jugendliche zum Besuch des Unterrichts zu bewegen und ihnen den Übergang zu Ausbildung und Beruf zu erleichtern. Mit dem vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Programm „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ setzt sich das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) dafür ein, dem übermäßigen, unentschuldigten oder nicht gerechtfertigten Fernbleiben der Schüler*innen vom Unterricht entgegenzuwirken.
In der Förderphase von 2019 bis 2022 nehmen demnach bundesweit 160 Kommunen an dem 2015 aufgelegten Programm teil. 12 Prozent der über das Projekt betreuten Jugendlichen oder 1.700 pro Jahr halten sich gemäß dem Regierungsschreiben häufig vom Unterricht fern oder sind Schulverweiger*innen. 68 Prozent von ihnen besuchen nach der Teilnahme an dem Programm wieder regulär die Schule.
VerA hilft jungen Leuten bei Schwierigkeiten mit der Ausbildung
Über die vom Bundesbildungsministerium (BMBF) geförderte Initiative „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“ (VerA) begleiten der Regierungsantwort zufolge ehrenamtliche Berufsexpert*innen im Ruhestand Jugendliche mit und ohne Schulabgangszeugnis bei der Ausbildung. Indem sie ihnen mit Lebenserfahrung, Rat und Fachwissen zur Seite stehen, helfen sie den jungen Menschen, ihre Ausbildung fortzusetzen und nicht aufgrund auftauchender Schwierigkeiten oder Sorgen vorzeitig abzubrechen. Seit 2008 wurden mehr als 15.000 Jugendliche über das VerA-Projekt betreut.
Die Regierung konnte zu den Fragen der FDP-Fraktion keine Angaben machen, wie viele Schüler*innen zwischen 2013 und 2019 die Schule aus religiösen Motiven verweigerten, wie oft in den vorigen Jahren Schulaufsichtsbehörden oder Jugendämter die Polizei in Fragen verletzter Schulpflicht einschalteten oder wie viele gerichtliche Streitigkeiten zwischen Eltern und Vertreter*innen von Landesbehörden um dieses Thema entstanden.