zwd Berlin. Die eingeladenen Expert*innen vertraten verschiedene Fachrichtungen aus Medizin, Recht, der katholischen Kirche und Zivilgesellschaft. Ulrike Lembke vom Deutschen Juristinnenbund (djb) sah in dem derzeitigen Gesetz keine Möglichkeit zur sachlichen Information von Ärzt*innen. 219a unterscheide „nicht zwischen Werbung und sachlicher Information für rechtswidrige, rechtmäßige oder tatbestandslose Schwangerschaftsabbrüche“ beklagte die Juristin. Sie wies darauf hin, dass die heutige inhaltliche Fassung des Paragrafen aus dem Jahre 1974 veraltet sei. In der digitalisierten Informationsgesellschaft sei eine Neureglung geboten.
Ebenso wie Lembke sprach sich Reinhard Merkel, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg, für eine Streichung des Paragraphen aus und forderte eine Neuregelung für anstößige Werbung im Ordnungswidrigkeitsgesetz. Merkel bewertete die Verurteilung von Ärzt*innen als verfassungswidrig. Damit stimmten beide Expert*innen mit den Forderungen der Linken- und Grünen-Fraktionen überein, die eine Abschaffung des Paragrafen verlangen.
Der Rechtswissenschaftsprofessor Thomas Weigend befürwortete die Reformierung des Paragrafen gemäß des FDP-Gesetzesentwurfes, der den Paragrafen auf ein Werbeverbot reduziert, um aggressive Werbung zu untersagen. Demgegenüber plädierten die Vertreterin des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Katharina Jestaedt, und der Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, Michael Kiworr, für eine Beibehaltung der derzeitigen Gesetzeslage. Jestaedt warnte vor der Gefahr „unkontrollierter, privater Werbung“, sollte die staatliche Aufsicht nicht mehr gegeben sein. Kiworr teilte ihre Argumentation, dass Sachinformationen und Werbung schwer von einander zu trennen sein.
Kiworrs Kollegin, die Berliner Gynäkologin Christiane Tennhardt, sprach sich für eine Streichung der Regelung aus. Sie gab zu bedenken, dass durch potenzielle rechtliche Verurteilungen gemäß Paragraf 219a eine Bedrohung für Ärzt*innen entstehe. Demnach schaffe dies ein Klima, in dem Ärzt*innen den medizinischen Eingriff des Schwangerschaftsabbruchs vermehrt nicht mehr durchführten. Dies führe zu uneinheitlichen Standards und unzureichender Forschung.
Protestaktion auf Zuschauertribüne
Wie sehr das Thema polarisierte, war nicht nur an der Bandbreite der vertretenen Positionen offensichtlich. Mitglieder des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung erhielten aufgrund einer Protestaktion einen Saalverweis. Die Aktivist*innen standen inmitten der Anhörung auf, um bedruckte T-Shirts für die Abschaffung des Paragrafen zu präsentieren und hielten sich symbolisch den Mund zu. Der Ausschussvorsitzende Stephan Brandner (AfD), der die Gästetribüne mehrmals zum Stillschweigen ermahnt hatte, ließ die Protestierenden schließlich von der Polizei aus dem Saal führen. Wie im zwd-POLITIKMAGAZIN (Nr. 358/März 2018) berichtet, rückte der Paragraf 219a im letzten Jahr in den Fokus, nachdem das Landgericht Gießen die Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt hatte, weil diese auf ihrer Website über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. Dem Bundestag liegen drei Gesetzentwürfe der Linken, Grünen und FDP vor, die im Rechtsausschuss federführend bearbeitet werden.