Für das Deutsche Studierendenwerk (DSW) sind die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Einkommenssituation und Wohnkostenbelastung von Studierenden ein weiterer Beleg dafür, dass beim BAföG über die jüngste Erhöhung hinaus großer Handlungsdruck besteht. Neue Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Einkommenssituation und Wohnkostenbelastung von Studierenden belegen, dass die Hälfte der Studierenden mit eigenem Haushalt mit Nettoäquivalenzeinkommen von weniger als 867 Euro im Monat auskommen muss. Real müssen 54% des studentischen Einkommens für die Miete aufgewendet werden – im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 25%; Großteil der Studierenden-Haushalte gilt als überlastet. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks Matthias Anbuhl warnt vor einer neuen Auslese aus Folge der Mietbelastung: „Nur dort studieren, wo ich mir die Miete leisten kann – das ist eine neue Form der sozialen Auslese."
BAföG-Sätze verfassungswidrig?
Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes dürften die Argumentation verschärfen, wonach gemäß Urteilen des Verwaltungsgerichts Berlin sowie des Bundesverwaltungsgerichts die Sätze des BAföG verfassungswidrig, weil zu niedrig angesetzt sind. (Ausführlich dazu im zwd-POLITIKMAGAZIN Ausgabe 402).
FDP will vor weiteren Erhöhungen der BAföG-Bedarfssitzen eine "Wirksamkeitsanalyse"
Ob die Ampel-Koalition noch einen weiteren Anlauf zu einer grundlegenden Reform dses BAföG, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, in Angriff nehmen wird, ist fraglich. Bereits in der zweiten Lesung hatte die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ria Schröder klargestellt, dass nach Auffassung ihrer Fraktion vor weiteren BAföG-Erhöhungen zunächst eine "wissenschaftliche Evaluation" hinsichtlich der "Zielgerichtetheit" der Förderung durchgeführt werden sollte. Schröder übernahm damit die Argumentation des von ihrer Fraktion benannten Sachverständigen Stephan Thomsen (Leibznitz-Universität Hannover), der in der vor der zweiten Lesung der 29. BAföG-Novelle durchgeführten Sachverständigenanhörung eine Bedarfsprüfung in Form einer "Wirksamkeitsevaluation" gefordert hatte, mit der geprüft werden sollte, inwieweit die Ausbildungsförderung tatsächlich dazu beitrage, Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen. Alle übrigen Sachverständigen hatten sich für ein existenzsicherndes BAföG ausgesprochen. Aus Sicht politischer Beobachter erklärt sich aus der Argumentation der FDP auch, warum FDP-Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger in ihrem Gesetzentwurf eine "Null-Runde" für die BAföG-Sätze vorgesehen hatte. Unter dem Druck von SPD und Grünen hatten die Haushälter:innen der liberalen Regierungsfraktion schließlich einer fünf-prozentigen Erhöhung der Sätze im Rahmen der 29.Novelle zugestimmt. Stark-Watzinger hatte dazu in der Bundestagsdebatte geschwiegen.
Weitere BAföG-Erhöhungen erst in der nächsten Legislaturperiode?
Im Ergebnis, befürchten Insider, würde die FDP-Forderung eine weitere Novelle mit dem Ziel einer großen Reform der Ausbildungsförderung blockieren, weil die geforderte wissenschaftliche Evaluation einen Zeitraum von mindestens einem Jahr beanspruchen und damit erst nach den Bundestagswahlen am 28. September nächsten Jahres vorliegen würde. Allerdings könnte das von den Gerichten per Vorlagebeschluss angerufene Bundesverfassungsgericht der FDP-Strategie einen Strich durch die Rechnung machen, wenn es der Argumentation folgt, dass die BAföG-Sätze nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
Siehe auch zwd-POLITIKMAGAZIN Nr. 402, S. 11 ff.
https://www.zwd.info/die-aktuelle-printausgabe-402-zum-download.html