STATISTIK LEHRKRÄFTE : Mehr Lehrkräfte unterrichten ohne klassisches Lehramtsstudium

20. August 2024 // Ulrike Günther

An bundesdeutschen Schulen steigt der Anteil an Lehrer:innen ohne absolviertes Lehramtsstudium, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Rund ein Zehntel bis ein Fünftel der Lehrkräfte an allgemeinen bzw. Berufsschulen sind sog. Quer- bzw. Seiteneinsteiger:innen. Trotz Lehrkräftemangels gibt es weniger Lehramts-Absolvent:innen, fast drei Viertel sind Frauen. Nach GEW-Angaben bleiben viele Stellen unbesetzt.

Der Mangel an Lehrpersonal an Schulen ist bundesweit hoch. -  Bild: Needpix
Der Mangel an Lehrpersonal an Schulen ist bundesweit hoch. - Bild: Needpix

zwd Berlin. Laut Destatis hatten im Schuljahr 2022/ 2023 ca. 71 100 in allgemeinbildenden Schulen angestellte Lehrer:innen keine anerkannte Prüfung für das Lehramt abgelegt, knapp ein Zehntel (9,8 Prozent) der bundesweit insgesamt 724 800 Lehrkräfte. Damit erhöhte sich der Anteil innerhalb eines Jahres um 1,2 Prozent, im Laufe von zehn Jahren um 4,2 Prozent (2012/ 13: 5,6 Prozent). Das Statistikamt führt den starken Anstieg auf den an Schulen herrschenden Mangel an Lehrkräften zurück.

An Berufsschulen lag die Rate der Lehrenden ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium 2022/ 23 sogar bei über einem Fünftel (21,2 Prozent), nur 0,4 Prozent über dem Vorjahreswert, doch rund zehn Prozent höher als noch im Schuljahr 2012/ 2013. Quereinsteiger:innen verfügen zwar über keine anerkannte Prüfung im Lehramt, haben jedoch ein Referendariat absolviert. Seiteneinsteiger:innen haben demgegenüber weder ein Lehramtsstudium noch die pädagogische Vorbereitungsphase als Referendar:in abgeschlossen.

Frauen fast drei Viertel der Lehramts-Absolvent:innen

Die Zahl von Erstsemester:innen in Lehramtsstudiengängen mit Bachelor- oder Staatsexamensprüfung nahm 2023 nach Angaben von Destatis mit rund 46,400 Personen verglichen mit dem Studienjahr 2022 um 2,4 Prozent zu, verblieb jedoch um fast 15,5 Prozent unter der Anzahl von knapp 55.000 Anfänger:innen vor 5 Jahren und sank im Zehn-Jahres-Vergleich um 2,1 Prozent (2013: 47.400 Personen). Der Frauenanteil unter den Absolvent:innen in Lehramtsstudiengängen mit Master- bzw. Staatsexamensprüfung befand sich 2022 gemäß Daten von Destatis mit knapp drei Vierteln (73,2 Prozent) auf annähernd gleich hohem Level wie 2013 (73,9 Prozent).

Obwohl für ausgebildete Lehrer:innen ein hoher Bedarf zu verzeichnen ist, waren die Zahlen der Lehramtsabsolvent/:innen 2022 mit ca. 28.700 Personen nach einem kurzfristigen Anstieg im Jahr vorher (2021: 28.900 Personen) wieder rückläufig, 10,6 Prozentpunkte geringer als 2012 (32.100 Personen). Die Anzahl weiblicher Studienabgänger:innen mit Lehramtsabschluss sank in dem Zeitraum (-10,2 Prozent) weniger stark als die der Männer (-11,8 Prozent).

GEW: Bundesweit tausende Lehrer:innen-Stellen unbesetzt

Nach Aussagen der Erziehungsgewerkschaft GEW sind im Bundesgebiet tausende Stellen von Lehrer:innen unbesetzt, In Berlin z.B. habe die Senatsverwaltung im Sommer gemeldet, dass von fast 3.300 neu eingestellten Lehrkräften knapp bloß ein Drittel über einen Lehramts-Abschluss verfügt, 16 Prozent eine berufsbegleitende Lehrer:innen-Ausbildung anfangen, die übrigen ohne Lehramts-Qualifikation befristet Vertretungen im Unterricht übernehmen. Auch den anderen Bundesländern gelinge es nicht, "alle ausgeschriebenen Stellen zu besetzen und den verpflichtenden Unterricht zu 100 Prozent abzudecken", so die GEW. Auf der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 14. März hatten sich die Länder angesichts des „akuten Lehrkräftemangel(s)“ und damit verbundener bildungspolitischer und institutionsbezogener Herausforderungen auf einen gemeinsamen Rahmen geeinigt, der zusätzliche Maßnahmen ermöglichen soll, um weitere Zielgruppen in die Ausbildung als Lehrer:innen einzubeziehen.

KMK: Alternative Konzepte ergänzen klassische Lehramts-Ausbildung

Gestützt auf Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) und des Wissenschaftsrates (WR) stimmten die Länder dem KMK-Papier zufolge darin überein, Qualifizierungen von Personen als sog. Ein-Fach-Lehrkräfte (gegenüber grundständig ausgebildeten Lehrer:innen mit zwei Unterrichtsfächern) zu erlauben, wobei die Studierenden sowohl Master-/ bzw. Staatsexamensprüfung als auch ein Referendariat absolvieren. Als weitere Option sehen die Bundesländer, wie von SWK und WR empfohlen, duale Lehramtsstudiengänge nach unterschiedlichen – praxisintegrierenden bzw. berufsbegleitenden - Modellen neben dem üblichen Studienformat vor. Als dritte Variante zur Lehrkräftebildung abseits des grundständigen Studiums verständigten sich die Länder auf sog. Quereinstiegs-Masterstudiengänge, die auf einem fachwissenschaftlichen, nicht-lehramtsbezogenen Hochschulstudium – entweder direkt nach Erwerb des Bachelor- oder Masterabschlusses oder nach bereits geleisteter Berufstätigkeit – aufbauen.

Eckpunkte-Programm: Reform der Lehrkräftebildung gefordert

Die Länder erklärten ihre Absicht, dass sie beim Einführen und Umsetzen dieser ergänzenden Maßnahmen „die bestehenden Qualitätsstandards der Lehrkräftebildung einhalten“. Die genannten Konzepte „erscheinen geeignet, dem Lehrkräftemangel kurz- und mittelfristig entgegenzuwirken und gleichzeitig die Qualitätsmaßstäbe der Lehrkräftebildung zu erhalten“, heißt es in dem Papier. Bisherige Vereinbarungen der KMK zur grundständigen Lehrkräfte-Ausbildung sollen dabei unverändert gültig bleiben. Die Erziehungsgewerkschaft hatte schon auf einer Fachtagung im Januar über Perspektiven zur Reform der Lehrkräftebildung diskutiert. In einem Eckpunkte-Programm forderte sie neben verbesserten Arbeitsbedingungen, höherer Vergütung für qualifizierte Lehrkräfte und einem Ausbau von Studien- und Referendariats-Plätzen u.a. eine berufsbegleitende Qualifizierung von Quer- bzw. Seiteneinsteiger:innen, Modellprojekte für ein einphasiges, praxisintegrierendes Lehramtsstudium sowie duale Masterstudiengänge als reguläre Ausbildungsalternative für den Unterricht an Berufsschulen.

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