AKTUELLES BUNDESTAG : Meldungen aus der Frauenpolitik

13. August 2024 // Ulrike Günther

Die Gruppe Die Linke erhält Informationen zu Berichten über die Kindergrundsicherung und fragt nach Vorhaben des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ). Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) nimmt im Jahresbericht 2023 Stellung zu häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt, die Koalitionsregierung berichtet über Fortschritte beim Frauenanteil an Führungspositionen.

Deutscher Bundestag - Bild: Wikimedia/ Stephen Prößdorf
Deutscher Bundestag - Bild: Wikimedia/ Stephen Prößdorf

Aktuelles aus dem Bundestag - Im Überblick (05.08. - 13.08.)

Berichte zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung

Das von der Bundesregierung mit der quantifizierenden Ausgestaltung zur Kindergrundsicherung beauftragte Forschungskonsortium, das sich u.a. aus dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sowie dem ifo-Institut zusammensetzt, hat laut Regierungsantwort (Drs. 20/ 12458) auf eine Anfrage der Linken-Gruppe (Drs. 20/ 12295) dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und den am Erarbeiten der Kindergrundsicherung mitbeteiligten Ressorts „fortlaufend und auf konkrete Anfragen hin“ Berechnungen zu dem Koalitionsvorhaben bereitgestellt.

Der Gesetzentwurf (Drs. 20/ 9092) für die Einführung der neuen, zentralen Leistung zur finanziellen Absicherung von Kindern nehme auf diese errechneten Angaben Bezug, erklärt die Bundesregierung. Ein Bericht bzw. Zwischenbericht, nach dessen Wortlaut die Linken fragen, habe das Konsortium jedoch nicht vorgelegt. Ebenfalls in den Entwurf des Gesetzes eingeflossen sind die Erkenntnisse der sog. Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMA) zur Konzeption des Unterstützungspakets. Dort habe man „verschiedene Optionen zur Ausgestaltung“ des Vorhabens und „deren jeweilige Folgewirkungen“ erörtert und darüber diskutiert. Ein Bericht der IMA, nach dem sich die Linken-Gruppe erkundigt, liege bisher nicht vor, heißt es in der Antwort der Koalitionsregierung. (13.08.2024)


Linke fragt nach Vorhaben des Bundesfamilienministeriums

In einer Anfrage (Drs. 20/ 12399) erkundigt sich die Linken-Gruppe im Bundestag nach dem Arbeits- und Sachstand der im Fachausschuss in Aussicht gestellten Vorhaben des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ). U.a. möchten die Fragesteller:innen von der Bundesregierung Informationen zur aktuellen Sachlage beim „Nationaler Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ und zu dessen bisheriger Umsetzung einholen. Darüber hinaus interessieren sich die Linken für bereits unternommene Schritte und vorgesehenen zeitlichen Ablauf im Gesetzgebungsverfahren bei den Plänen zur „Modernisierung des Familienrechts: Mit-Mutterschaft“, für Faktenstand und anvisierte Maßnahmen zur beabsichtigten Weiterentwicklung des „Gute-Kita-Gesetz(es) und bundesweite(r) Qualitätsstandards“, zur „Ganztagsbetreuung im Grundschulalter“, zu den „Fachkräfte(n) in der Kinderbetreuung“ sowie zur „Inklusive(n) Kinder- und Jugendhilfe“.

Ebenso erbaten die Linken-Abgeordneten Mitteilungen zum „Nationalen Aktionsplan Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ ,zu den „Maßnahmen für Kinderschutz“ und zum „Schutz vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung“. Weitere Fragen der linken Parlamentarier:innen galten dem Sachstand und der geplanten Vorgehensweise beim angestrebten „Gleichstellungscheck“, bei den Vorhaben „Entgeltgleichheit voranbringen / Ökonomische Gleichstellung“, und „Internationale und europäische Gleichstellungspolitik“.Außerdem suchten die Linken von der Regierung Kenntnisse zu Faktenlage und nächsten Schritten bei der „Bekämpfung von Sexismus“, bei „Sexuelle(n) und reproduktive(n) Rechte(n) von Frauen“, zur „Einführung eines bundeseinheitlichen Rechtsrahmens für den Schutz von Gewalt“ und zur „Gesamtstrategie gegen geschlechtsspezifische Gewalt“ zu erlangen. (06.08.2024)


Institut für Menschenrechte legt Jahresbericht 2023 vor

In Partnerschaftsgewalt sieht das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) ein großes Problem und „mächtiges Tabuthema“. Häusliche Gewalt in der Bundesrepublik sei „kein Randphänomen“, erklärt die Leiterin der Berichterstatterstelle für geschlechtsbezogene Gewalt am DIMR Müşerref Tanrıverdi im Jahresbericht 2023, der dem Bundestag als Unterrichtung (Drs. 20/ 12395) vorliegt. Laut Bundeskriminalamt (BKA) seien täglich 650 Personen von Gewalt im häuslichen Umfeld betroffen, bei hoher Dunkelziffer. Im Lande werde „das enorme Ausmaß an häuslicher Gewalt (...) immer noch nicht ausreichend wahrgenommen“, betont Tanrıverdi.

Gewalt gegen Frauen ist "keine Privatsache"

70 Prozent der von häuslicher Gewalt Betroffenen sind nach Angaben der Leiterin der DIMR-Berichterstatterstelle Frauen, die meisten Tatverdächtigen Männer. Das Risiko für Frauen und Kinder, tödlicher Gewalt zum Opfer zu fallen, steige während und kurz nach der Trennungsphase im Vergleich zur Zeit des Zusammenlebens auf das Fünffache an. Ebenso fehle das Bewusstsein, dass Gewalt gegen Frauen „keine Privatsache“ sei, sondern die Staatsgewalt durch die Menschenrechte zum „wirksamen Schutz“ davor verpflichtet sei. Das „Thema Gewaltschutz“ werde auch in rechtlicher Hinsicht bisher nicht hinreichend berücksichtigt, so Tanrıverdi.

DIMR: Umfassende Strategie gegen häusliche Gewalt erforderlich

Grundsätzlich begrüßt das Menschenrechtsinstitut, dass die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode beabsichtige, auch das Umgangs- und Sorgerecht zu reformieren, dabei sollte die Koalition die an der IK orientierten Empfehlungen des DIMR einbeziehen. Für wirksames Bekämpfen und Prävention von geschlechtsspezifischer wie häuslicher Gewalt brauche man jedoch eine „evidenzbasierte, umfassende und koordinierte Strategie“. Zahlreiche politische wie gesetzgeberische Maßnahmen seien erforderlich, v.a. zur Sensibilisierung der Beteiligten bei Familiengerichtsverfahren, ein Hilfs- und Schutzsystem, das für alle Gewaltbetroffenen zugänglich ist, und „gesellschaftliche Ächtung“ von Gewalt an Frauen.

Im Umgangs- und Sorgerecht fehlen Regelungen zum Gewaltschutz

Auf Grundlage der 2023 vom DIMR veröffentlichten Analyse zu häuslicher Gewalt in Bezug auf das Umgangs- und Sorgerecht kritisiert das Menschenrechtsinstitut, dass hier schon eine Definition des Begriffs fehle. Darüber hinaus ermangele es an Regelungen, die ausdrücklich den Schutz für den von Gewalt betroffenen Elternteil beachten. Als insbesondere problematisch bezeichnet das DIMR Grundannahmen, auf denen die Vorschriften basieren, wie die Vorstellung der „gemeinsamen, kooperativen Elternschaft“ und des beiderseitigen Einigungsgebots der Eltern in Streitfällen.

Das DIMR schlägt vor, erst einmal das geltende Recht konsequent anzuwenden und häusliche Gewalt bei Kindeswohl-Prüfungen in Verfahren zum Umgangs- und Sorgerecht zu berücksichtigen. Damit Beteiligte die „Dynamiken von häuslicher Gewalt“ und deren Folgen für Betroffene besser erkennen, bedürfe es „verpflichtender Fortbildungen“ zu diesem Thema, die sowohl Kinder als auch gewaltbedrohte Elternteile in den Blick nehmen. Den Vorgaben der IK gemäß dürften, um bei Trennung Umgang und Sorge zu regeln, weder das Kind noch der von Gewalt bedrohte Elternteil einer Gefahr ausgesetzt sein. Bei der derzeitigen Interpretation von Kindeswohl sei jedoch der Schutz des gewaltbetroffenen Elternteils – z.B. bei gerichtlich angeordneten Umgangsvorschriften, die faktisch Kontakt mit dem Gewalttäter erzwingen - nicht genug gewährleistet. (06.08.2024)


Mehr Frauen in Führung – Aufholbedarf in Vorständen

Der Anteil von Frauen auf den Führungsetagen in Privatwirtschaft, öffentlichem Dienst und in Bundesgremien ist seit dem Inkrafttreten des Führungspositionengesetzes (FüPoG) im Jahr 2015 kontinuierlich gestiegen. Das teilt die Bundesregierung in der als Unterrichtung vorgelegten Achten Jährlichen Information zur Entwicklung der Frauenanteile auf Führungsebenen und in Gremien der genannten Bereiche (Drs. 20/ 12393) mit. Demnach ist in den untersuchten Unternehmen der Privatwirtschaft der Frauenanteil in Aufsichtsräten zwischen 2015 und 2021 um 7,4 Prozent auf 26 Prozent gestiegen.

Mindestvorgabe von mitbestimmten Börsenunternehmen überschritten

Die sowohl börsennotierten als auch paritätisch mitbestimmten Betriebe, die seit Anfang 2016 in ihren Kontrollgremien eine auf 30 Prozent festgelegte Geschlechterquote einhalten müssen, überschritten im selben Jahr diese Mindestvorgabe um 5,7 Prozent, was mehr als einem Drittel (35,7 Prozent) weiblicher Mitglieder entspricht. Im Vergleich zu 2020 erhöhte sich die Frauenrate damit um 0,2 Prozentpunkte. In den Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, stieg laut Bericht der Regierung die Frauenrate in den Aufsichtsräten seit 2015 fortlaufend um 7,2 Prozent auf 25,1 Prozent 2021.

Frauenrate in Vorständen weiterhin auf geringem Level

In den Vorständen aller in der Studie berücksichtigten Betriebe nahm der Frauenanteil im betrachteten Zeitraum zwar um 5,4 Prozent zu, verblieb jedoch mit 11,5 Prozent 2021 immer noch auf geringem Niveau. „In den Vorständen aller untersuchten Unternehmen waren Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert“, stellt die Regierung dazu fest. In fast drei Viertel (73,4 Prozent) der überprüften Betriebe (insges. 2.109) gab es 2021 keine weiblichen Vorstands-Mitglieder. Knapp zwei Drittel (62,2 Prozent) legten keine Zielgröße für Frauen in Vorständen fest, über die Hälfte dieser 1.310 Unternehmen (53 Prozent) entschied sich für die Zielgröße Null, 47 Prozent optierten für eine höhere Frauenquote. In den an der Börse notierten und paritätisch durch Arbeitnehmer:innen mitbestimmten Betrieben erhöhte sich die Frauenrate in Vorständen seit 2015 mit 9,8 Prozent stärker, auf insgesamt 15,2 Prozent 2021.

In den 54 Unternehmen mit unmittelbar mehrheitlicher Beteiligung des Bundes betrug der Anteil von Frauen an Positionen der Geschäftsführung 29,2 Prozent, etwas weniger als im Vorjahr (30,1 Prozent). Das im August 2021 in Kraft getretene FüPoGII macht ab 2022 eine Vorgabe von mindestens einer Frau in Geschäftsführungen mit über zwei Mitgliedern. Demgegenüber überstieg die Frauenrate in den Kontrollgremien mit 44,8 Prozent die gesetzlich vorgeschriebene Marke von 30 Prozent und erhöhte sich im Verhältnis zum Vorjahr um 0,5 Prozent.

Frauen auf Führungsetagen im öffentlichen Dienst unterrepräsentiert

Für die Anteile von Frauen auf den Führungsetagen des dem Bund untergeordneten öffentlichen Dienstes konstatiert die Regierung, die Regelungen aus den beiden FüPoGs seit 2015 hätten „wesentlich dazu beigetragen“, dass diese sich stetig erhöht hätten, und zwar von anfänglich einem Drittel um 10 Prozentpunkte auf 43 Prozent im Juni 2023. Die Bundesregierung gibt jedoch zu bedenken, dass diese Entwicklung, gemessen an dem Frauenanteil von 55 Prozent an allen in der Verwaltung des Bundes Beschäftigten, „noch nicht zufriedenstellend“ sei. Von den 24 obersten Behörden des Bundes besetzten 2023 immer noch 19 ihre Führungspositionen mit weniger weiblichen als männlichen Mitarbeiter:innen.

Um das im FüPoGII verankerte Ziel einer paritätischen Besetzung der Führungsebenen in den obersten Bundesbehörden bis Dezember 2025 zu erreichen, bedürfe es einer Steigerung beim Erhöhen der Teilhabe der Frauen an den Führungspositionen, schreibt die Regierung. In den insgesamt 395 vom Bund beeinflussten Aufsichtsgremien nahm die Frauenrate im Vergleich zum Vorjahr um 1,4 Prozent zu und betrug im Dezember 2022 48,1 Prozent. In den wesentlichen Gremien, in denen der Bund mindestens drei Mitglieder benennen konnte, lag der Anteil der Frauen bei 49 Prozent, ging jedoch gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Prozentpunkte zurück. Die 21 Gremien mit zwei durch den Bund bestimmten Mitwirkenden verzeichneten eine Frauenrate von 47,6 Prozent, die verglichen mit dem Vorjahr um 5,3 Prozent sank. (05.08.2024)

Artikel als E-Mail versenden