BMBF-AFFÄRE IST NOCH NICHT BEENDET - NEUE BMBF-DOKUMENTE AUFGETAUCHT : Stark-Watzinger: Ablösung nicht mehr ausgeschlossen (Update)

12. Juli 2024 // Holger H. Lührig

Auch nach der Befragung von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Bundestagsbildungsausschuss sowie im Plenum des Bundestages am 26. Juni galt die BMBF-Affäre noch nicht als aufgeklärt. Nun rücken neue Dokumente die Rolle der Ministerin und des von ihr vorgeschlagenen neuen Staatssekretärs Roland Philippi (FDP) in ein neues Licht - Rücktritt nicht ausgeschlossen. Oberdrein hat die von Stark-Watzinger geschasste Staatssekretärin Prof. Sabine Döring Klage eingereicht, um das gegen sie erlassene Sprechverbot der Ministerin aufheben zu lassen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat nun 100 Fragen an die Bundesregierung verschickt. Die FDP startet derweil Entlastungsangriffe gegen Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Es winkt eine Kabinettsumbildung spätestens im Herbst.

Die Art und Weise, wie FDP-Chef Lindner in einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (rnd) sowie aus der FDP-Bundestagsfraktion die Pläne von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) zur Einführung der Kindergrundsicherung in Frage gestellt haben, deutet darauf hin, dass die Freien Demokraten eine Gesichtswahrung anstreben: Für den Fall, dass Stark-Watzinger wegen Fördergeld-Affäre nicht im Amt zu halten ist, sollte auch der Verbleib anderer Kabinettsmitglieder in Frage gestellt werden. Das betrifft in erster Linie die Bundesfamilienministerin. Die Fördergeld-Affäre wird erst nach der parlamentarischen Sommerpause Fahrt aufnehmen, nachdem die Bundesregierung den 100-Fragen-Katalog der Unionsfraktion beantwortet hat. Bis dahin wird auch das Gerichtsverfahren entschieden sein, mit dem die ehemalige BMBF-Staatssekretärin Döring eine Aussagerecht zu den Umständen ihrer Entlassung erzwingen will. Das könnte aber auch noch auf anderem Wege möglich sein, etwa durch Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, in dem eine umfassende Zeug:innen-Befragung möglich ist (einschließlich der Gegenüberstellung der Ministerin und ihrer Ex-Staatssekretärin sowie des bisherigen Leiters der Grundsatzabteilung und von Stark-Watzinger vorgeschlagenen neuen Staatssekretärs Philippi).

SPD: Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, kann an dem Staatsekretär nicht festgehalten werden

Am 10. Juli hatte das Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ Zitate aus einem internen Mailverkehr des Ministeriums öffentlich gemacht. Daraus geht hervor, dass der damalige Grundsatzabteilungsleiter Philippi vor dem Hintergrund des Protestbriefs von Berliner Hochschullehrer:innen BMBF-intern diese als "verwirrte Gestalten" bezeichnet und zudem eine Selbstzensur der Wissenschaftler:innen aus Angst vor Fördergeldentzug befürwortet haben soll.

Daraufhin zitierte der Berliner „Tagesspiegel" den bildungs- und forschungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Oliver Kaczmarek mit dem Statement „Die dargestellte Überlegung von politischer Einflussnahme auf Förderentscheidungen und Gesinnungsprüfung ist befremdlich. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, darf an der Besetzung des Staatssekretärs nicht festgehalten werden.“ Die Verantwortung, für Klarheit zu sorgen, liegt für die SPD bei Stark-Watzinger. Die Wissenschaft dürfe nicht noch mehr Vertrauen in das Ministerium verlieren. Die Wissenschaftsfreiheit, so Kaczmarek gegenüber dem „Tagesspiegel", sei nicht verhandelbar und dürfe nicht „nicht mal ansatzweise“ infrage gestellt werden.

Ministerin Stark-Watzinger droht ein ungemütlicher Herbst - Kabinettsumbildung?

Gedankenspiele zielen derweil auf eine Umbildung des Kabinetts von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Verabschiedung des Bundeshaushaltsentwurfs 2025. Als Wackelkandidat:innen gelten dabei vor allem Paus und Stark-Watzinger, aber auch Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (beide FDP). Während Buschmann als europapolitischer Bremser kritisiert wird, gilt Wissing nicht nur als Verkehrsminister sogar in den eigenen Reihen als angeschlagen. Seine Zuständigkeit als Digitalminister habe sich für die FDP nicht ausgezahlt. Zu den Gedankenspielen gehört, das Bundesbildungsministerium in ein Wissenschafts-, Forschungs- und Digitalministerium umzuwandeln und den Bereich Bildung in ein personell neu zu strukturierendes Bundesministerium für Bildung, Jugend und Familie einzugliedern. Das BMFSFJ müsste dann wiederum Teilbereiche abgeben, wobei die Bereiche Frauen und Senioren in einem „Ministerium für Gleichstellung, einheitliche Lebensverhältnisse und Europa" (unter anderem mit der bisher im Kanzleramt angesiedelten Zuständigkeit für die Probleme Ostdeutschlands) zusammengeführt werden könnten. Diese Erwägungen bi9eten sich an, um Konsequenzen aus einem möglichen desaströsen Abschneiden der Ampel bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zu ziehen.

Ausführlich im zwd-POLITIKMAGAZIN 402 und in der Digitalausgabe 403.

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