zwd Berlin. In der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss des Bundestages vom 16. November erreichten die Planer:innen für den Kulturetat 2024 deutliche Mittelaufwüchse gegenüber dem Regierungsentwurf vom August (Drs. 20/ 7800). „Ich bin froh, dass wir in einer sehr schwierigen haushaltspolitischen Lage klare Akzente im parlamentarischen Verfahren setzen konnten“, erklärte der kulturpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Erhard Grundl. Schwerpunkte des Kulturhaushaltes sieht er in einer breiter aufgestellten Kulturförderung, in Gedenkkultur und Aufarbeitung kolonialer Geschichte. Insgesamt sind nach Angaben einer Sprecherin von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (BKM, Die Grünen) für den Bereich Kultur und Medien vom Bund nun rund 2,3 Mrd. Euro eingerechnet, ca. 140 Mill. Euro mehr als im Gesetzentwurf der Koalition. Damit liegen die Ressortausgaben trotz der Sparzwänge nur etwa 100 Mill. Euro unter dem Level des bereinigten Kulturhaushalts von 2023 (2,4 Mrd. Euro).
Junge Leute profitieren weiter vom KulturPass
Investitionen in inländische Kulturmaßnahmen wird die Regierung laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion Dirk Wiese mit 285 Mill. Euro finanzieren. Bisher waren im Koalitionsentwurf für „kulturelle Einrichtungen und Aufgaben im Inland“ nur 238,6 Mill. Euro einkalkuliert. Wie Grünen-Politiker Grundl hob Wiese das auf 45 Mill. Euro erhöhte Budget für den KulturPass hervor. Dadurch sollen „alle jungen Menschen (…) von diesem Programm profitieren“. Es verbessert mit einem Einmal-Guthaben in Höhe von 200 Euro für den Besuch von Museen und Events, Bücher oder Musikinstrumente die Chancen von 18-Jährigen auf kulturelle Teilhabe. Kulturstaatsministerin Roth freue sich sehr, "dass der Deutsche Bundestag den Willen zeigt, das Erfolgsprojekt fortzusetzen und erneut Mittel (für 2024) bereitzustellen", betonte die Sprecherin der BKM gegenüber dem zwd. Aus Sicht von Grünen-Sprecher Grundl findet mit der Fortsetzung des im Juni eingeführten Online-Passes „Kulturförderung von der Nachfrageseite aus“ statt. Viele Kulturanbieter würden dadurch nicht bloß in Ballungszentren, sondern auch abseits der Großstädte unterstützt. Das Budget der Kulturpolitischen Gesellschaft, deren „beeindruckende Erfolgsbilanz“ der sozialdemokratische Sprecher für Kulturpolitik Helge Lindh am Freitag lobte, wird von 859.000 Euro im Haushaltsentwurf der Bundesregierung auf 1,6 Mill. Euro verdoppelt.
Verstärkte Würdigung jüdischen Lebens
SPD-Fraktionsvize Wiese legt in seinem Kommentar zur Ausschusssitzung besonderes Gewicht auf die „Stärkung unserer Demokratie“ und den „entschlossenen Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus“, für die ca. 4,2 Mill. Euro eingeplant sind. Der grüne Kulturpolitiker Grundl unterstrich seinerseits die Bedeutung der Erinnerungskultur, welche die Koalition im geänderten Etat zusätzlich finanziell absichere. Angesichts zunehmender Judenfeindlichkeit beabsichtige man, die „Gedenkarbeit an die Gräueltaten des Nationalsozialismus“ zu untermauern und ebenso heutiges jüdisches Leben zu würdigen. Dementsprechend wird das Jüdische Museum um 1 Mill. Euro, das Anne-Frank-Zentrum um 450.000 Euro mehr gefördert. Nach Informationen der ARD (tagesschau, 17.11.) hob das Haushaltsgremium die Mittel zur Unterstützung des Lebens von Jüdinnen und Juden in der Bundesrepublik um insgesamt 100 Mill. Euro an. Dafür habe man in den Verhandlungen „deutliche Zeichen“ gesetzt und „den Regierungsentwurf an wichtige Finanzierungsbedarfe“ angepasst, die „jüdisches Bewusstsein stärken und die religiöse Toleranz in unserer Gesellschaft erhöhen“, erläuterte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Sven-Christian Kindler.
Mehr Haushaltsmittel für Erinnerungskultur
Die größeren Gedenkstätten, wie das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, sollen den Angaben des Grünen-Abgeordneten Grundl gemäß zusammen weitere 1,1 Mill. Euro erhalten. Über das Förderprogramm KulturInvest mache die Regierung für die Pflege der Bausubstanz 38 Mill. Euro mehr verfügbar. Wie SPD-Kultur-Sprecher Helge Lindh ausführte, konnten die Haushaltspolitiker:innen die Finanzen für die Gründung der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte von bisher 2 auf 5 Mill. Euro aufstocken. Dem im Entstehen befindlichen Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa gewährt die Koalition, wie Grundl berichtete, eine Anschubfinanzierung in Höhe von 600.000 Euro. Darüber hinaus fließen Mittel in das vom Bund geplante Digitalarchiv zu Rechtsterrorismus und den für das Chemnitzer Kulturhauptstadt-Jahr 2025 konzipierten Gedenkort zu den rechtsextremen NSU-Anschlägen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Torsten Herbst teilte dem MDR mit, dass vom Staat für den Aufbau 3 Mill. Euro angesetzt sind.
Höhere Förderbeträge zur kolonialen Aufarbeitung
Im Ganzen rund 8,4 Mill. Euro weist der Bund dem Stasi-Unterlagen-Archiv zur Beschäftigung mit der SED-Diktatur zu, 200.000 Euro mehr als im Regierungsentwurf. Gestiegen sind nach Aussagen von Grünen-Sprecher Grundl auch die Fördermittel zum Errichten einer jesidischen Gedenkstätte. Laut Nachrichtenagentur AFP bewilligte der Haushaltsausschuss für die Erinnerung an den Völkermord an den Jesiden 2014 eine Gesamtsumme von 3 Mill. Euro. Das Denkmal-Sonderprogramm zum Schutz kulturellen Erbes möchte die Koalition, wie der stellvertretende SPD-Fraktions-Chef Wiese darlegte, im 13. Jahr seines Bestehens mit weiteren 47,5 Mill. Euro begünstigen. Bei den Mitteln zur Vorbereitung des Zukunftszentrums für Deutsche Einheit und europäische Transformation, das 2028 starten soll, verzeichne man im Kulturetat eine Steigerung von 1 Mill. auf 3,9 Mill. Euro. Fortschritte erzielten die Haushälter:innen Grundl zufolge auch bei den Finanzen zur Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte. Demnach stärkt der Bund den Fonds zur Restitution von Kulturgütern mit zusätzlichen 600.000 Euro, bislang waren im Gesetzentwurf für den Zweck 1,6 Mill. Euro vorgesehen.
Auswärtige Kulturbeziehungen besser finanziert
Für das Kompetenzzentrum für Inklusion mit dem Modellprojekt UN-Label für Barrierefreiheit und Arbeitsplätze für beeinträchtigte Menschen im Kulturbetrieb sind im Etat nach Auskünften von SPD-Politiker Lindh nun 600.000 Euro veranschlagt. Mittelzuwächse erfährt ebenfalls die Musik- und Popkultur. Den Amateurmusikfonds werde man mit 4,6 Mill. Euro, das Förderprogramm für Musikfestivals mit 4 Mill. Euro finanziell ausstatten, was dem „gemeinsame(n) Erleben und (der) praktische(n) Ausübung von Musik in ihrer ganzen Vielfalt und Breite“ zugutekomme, so der Sozialdemokrat. Voraussetzung für den Zuschuss zum Festival-Fonds bilde laut Maßgabebeschluss des Gremiums jedoch die Vorlage eines aktualisierten Konzeptes, sagte Grünen-Abgeordneter Grundl. „Damit strukturieren wir erstmals die Festivalförderung anhand transparenter Kriterien“, auch Bundeshilfen für kleinere Veranstaltungen würden dadurch ermöglicht. Zudem werde die Koalitionsregierung im Bereich auswärtiger Kulturbeziehungen das Freiwilligenjahr, den DAAD, die deutschen Auslandsschulen sowie die Afrika Stiftung mit höheren Fördermitteln unterstützen.