STARTCHANCENPROGRAMM MIT STARTPROBLEMEN : BMBF contra KMK:
Wie bedarfsgerecht werden die Bildungsmilliarden verteilt?

24. Mai 2023 // Redaktion

Gegen den Beschluss der Kultusministerkonferenz, die künftige Bildungsmilliarde des Bundes zum 95 Prozent nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder aufzuteilen, mobilisiert sich Widerstand im Bundestag. Nachdem Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ein eigenes Konzept unterbreitet hat, haben sich aiuch die Bildungspolitiker:innen der Koalitionsparteien der Forderung angeschlossen, die Bundesgelder bedarfsgerechter als bisher zu verteilen. Ria Schröder (FDP) stellte klar: So wie die Länder sich das vorstellten, werde das Programm nicht kommen.

V.l.n.r.: BM Stark-Watzinger, Schröder (beide FDP), Kaczmarek (SPD), Stahr (Grüne) Bildquellen: Btg, privat
V.l.n.r.: BM Stark-Watzinger, Schröder (beide FDP), Kaczmarek (SPD), Stahr (Grüne) Bildquellen: Btg, privat

Die Kultusministerkonferenz hatte am 17. März den Beschluss gefasst, die Bildungsmilliarde für das Startchancen-Programm des Bundes zur Förderung von Schulen in sozial benachteiligter Lage nach dem Königsteiner Schlüssel – in leicht modifizierter Form auf der Berechnungsgrundlage der Schülerzahlen – auf die Länder zu verteilen. Dem ist nun knapp zwei Monate später Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mit einem Alternativkonzept entgegengetreten. Kern der anstehenden Bund-Länder-Verhandlungen ist eine bedarfsgerechte Finanzverteilung. Das KMK-Konzept erscheint dafür untauglich.

Von der Bildungsmilliarde sollen nach dem Willen der KMK lediglich 50 Millionen für Länder mit besonders prekären Problemzonen abgezweigt werden, die restlichen 950.000.000 gehen nach Gießkannen-Prinzip des Königsteiner Schlüssels an die Länder. Dies bedeutet nach zwd-Berechnungen, dass mehr als die Hälfte der Bundesförderung, nämlich knapp 490 von 950 Millionen Euro nach dem KMK-Modell in die Kassen der großen Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg fließen würden, während sich die übrigen 13 Länder mit weniger als der Hälfte (460 Millionen Euro) begnügen müssten. Das wird aber dem Anspruch einer echten Benachteiligtenförderung nicht gerecht.

Nicht von ungefähr sind in den letzten Jahren aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik erhebliche Vorbehalte gegen den überkommenen Königsteiner Verteilschlüssel angemeldet worden. Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Wissenschaftlergruppe im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ein Gutachten vorgelegt, das eine sozial gerechtere Verteilung von Bundesmitteln im Rahmen des Startchancen-Programms befürwortet. Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern plädierte, gestützt auf die Expertise der Gutachter Hans-Peter Füssel, Jörg-Peter Schräpler und Horst Weishaupt, den Königsteiner Schlüssel "einzumotten". Statt bloß die Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl der Länder zum Maßstab zu machen, solle die Mittelverteilung auf der Basis von neun Indikatoren in vier Dimensionen vorgenommen werden. Neben der Wirtschafts- und Finanzkraft der Länder sollten die Soziale Bedürftigkeit, der Bildungsstand und die Bevölkerungssituation zur Grundlage von Berechnungen gemacht werden. Ähnlich hat auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat gerade die Fragwürdigkeit des Königsteiner Abkommens für eine bedarfsgerechte Bildungsförderung im DIW-Wochenbericht 18/2023 (04.05.2023) angeprangert: "Eine bedarfsgerechte Verteilung macht je nach konkretem Anwendungsfall einen durchdachten und transparenten Verteilmechanismus notwendig. Der Königsteiner Schlüssel kann das nicht leisten."

Bildungssprecher der Bundestags-Ampel gegen Königsteiner Schlüssel

In der Koalition von SPD, Grünen und FDP herrscht in dieser Frage Einigkeit. Das Eckpunktepapier von Starl-Watzinger bewertete der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Oliver Kaczmarek als dringend nötigen Impuls für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen. Es sei eine "solide Grundlage" für weitere Gespräche in der Koalition. In einem Statement für das zwd-POLITIKMAGAZIN unterstreicht Kaczmarek: "Besonders begrüßenswert ist, dass die Bundesregierung einen Vorschlag für eine bedarfsgerechte Verteilung der Mittel auf die Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen anstrebt. Für die SPD ist das, genau wie ein früherer Programmstart, ein wichtiges Anliegen."

Für die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Nina Stahr ist entscheidend, "dass die Fördermittel dort ankommen, wo sie benötigt werden." Um echte Bildungsgerechtigkeit zu erreichen, ist laut Stahr "eine evidenzbasierte Mittelverteilung und eine grundlegende Abkehr vom Königsteiner Schlüssel" erforderlich: "Da gibt es in der Koalition große Einigkeit".

Die FDP-Abgeordnete Schröder hält das Prinzip Gießkanne für falsch: "Das wissen auch die Länder." Ihre Unterstützung für das Startchancen-Programm macht Schröder davon abhängig, dass die Bundesmittel nicht nach dem Königsteiner Modell – auch nicht in der von der KMK leicht modifizierten Form – an die Länder ausgereicht werden.

Ein ausführlicher Bericht einschließlich eines tabellarischen Faktenvergleichs ("Wohin gehen die Startchancen-Millionen? Finanzverteilung im Spiegel von Länderquoten zu Asyl und Armut") sowie eine Dokumentation der grundlegenden Aussagen aus dem Alternativkonzept von Ministerin Stark-Watzinger können Sie im zwd-POLITIKMAGAZIN 396 nachlesen. Für Abonnent:innen hier der LInk.

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