zwd Berlin. Es seien noch immer „viel zu oft die Frauen, die unbezahlte Sorgearbeit übernehmen“, betonte Familienministerin Paus anlässlich des Equal Pay Day am 06. März. Frauen leisteten – durch Betreuen von Kindern und Angehörigen - 44 Prozent mehr Care-Arbeit als Männer. In jedem Fall schränke die nicht-entlohnte Sorgearbeit die Berufstätigkeit ebenso wie finanzielle Ungebundenheit ein, erklärte Paus. Die von der Koalition geplante Familienstartzeit und ein Ausbau der Infrastruktur „in der Kita, bei Ganztagsschulen oder in der Pflege“ stellen aus Sicht der Ministerin Mittel dar, um eine „partnerschaftliche Aufteilung“ der Aufgaben zu ermöglichen und die geschlechtsspezifische Lohnlücke zu verringern. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) beträgt die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern seit 2020 unverändert 18 Prozent (2014: 22 Prozent). Mit einem durchschnittlichen Brutto-Lohn pro Stunde von 20,84 Euro sind Frauen um 4,46 Euro schlechter bezahlt als Männer (25,30 Euro). Der Equal Pay Day markiert den Tag, bis zu dem Frauen im Jahr durchschnittlich, bei zugrunde gelegtem gleichem Stundenlohn, unbezahlt arbeiten.
UN-Women Deutschland fordert strukturelle Veränderungen
„Die geschlechtsspezifische Einkommenslücke“ bezeichnete die Vorstandsvorsitzende von UN Women Deutschland Elke Ferner als „eine der größten Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft“. Das unabhängige Komitee hält daher „strukturelle Veränderungen“ im Arbeitsleben, beim Vereinbaren von Beruf und Familie und im Steuerrecht für geboten. Die Präsidentin von Business and Professional Women (BPW) Germany Birte Siemonsen benennt mit einem stereotypen Rollenverständnis und strukturellen Hemmnissen Gründe dafür, dass Arbeitszeit ungleich auf die Geschlechter verteilt ist. In der diesjährigen, von BPW organisierten Kampagne wirft der Verein die Frage auf, ob weniger Wochen-Arbeitstage oder reduzierte Vollzeit Lösungen wären, um paritätisches Gewichten von Lohnerwerb, Sorgearbeit und Freizeit zu realisieren. Daten von Destatis legen nahe, dass Kinderbetreuung einen wichtigen Einfluss auf die Gehaltslücke ausübt. Demnach stagnieren bei Frauen Karriere und Lohnhöhe ab ca. 30 Jahren, dem mittleren Alter bundesdeutscher Mütter, wenn sie erstmals ein Kind gebären, während die Einkommen der Männer stetig steigen.
SPD: Gesetz für Entgelttransparenz verbessern
Unter Hinweis auf den im Grundgesetz (GG), Art. 3, 2. Absatz verankerten, unmissverständlichen „Handlungsauftrag“ in Richtung Gleichberechtigung wertete die Sprecherin für Frauenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion Leni Breymaier den Gender Pay Gap als ein Zeichen dafür, wie weit die Gesellschaft von „echter Gleichstellung“ entfernt sei. Neben fairer Aufgabenteilung der Geschlechter und mehr souveränem Zeitmanagement schlägt Breymaier vor, Frauen verstärkt in Führungsetagen zu bringen und das Gesetz zur Entgelttransparenz zu verbessern. Überdies solle man „Fehlanreize wie die Steuerklassen III und V“ abschaffen.
Für „faire Steuermodelle“ plädiert auch die Vize-Vorsitzende der FDP-Fraktion Gyde Jensen. Bundesweite Ganztagsangebote und gute Früherziehung gelten Jensen als weitere Ansätze, um Frauen „berufliche Wahlfreiheit“ zu gewährleisten und ihre „Erwerbstätigkeit zu stärken“. Grünen-Chefin Ricarda Lang beabsichtigt wie der DGB, das sog. Ehegattensplitting aufzuheben, im „erste(n) Schritt über das - im Koalitionsvertrag vereinbarte - Aufheben der dafür verwendeten Steuerklassen. Nach Ansicht der DGB-Vorsitzenden Jasmin Fahimi soll ein „Familiengeld“ an die Stelle der Ehegatten-Besteuerung treten, damit diese nicht „weniger Arbeit eines Partners“ begünstige. In den unbereinigten Gender Pay Gap fließen Unterschiede in Berufen, Teilzeitarbeit und Erwerbstätigkeit mit ein. Im EU-Vergleich rangiert die Bundesrepublik unter den Ländern mit dem größten Gender Pay Gap (EU-Mittel: 12,7 Prozent). Die bereinigte Lohndifferenz, d.h. die Lücke bei vergleichbaren Arbeitsfeldern, Qualifikationen und Erwerbsbiografien, betrug Destatis zufolge 2023 6 Prozent.
Die Grünen: Verbindliches Prüfverfahren für wirksamere Regelung
Politik müsse Frauen „die nötigen rechtlichen Mittel“ verschaffen, um „Transparenz einzufordern“ und sich gegen „unfaire Bezahlung“ zu wehren, erklärte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion Ulle Schauws bei der BPW-Kampagne auf Instagram. Zum von der Koalition bereits im Regierungsvertrag festgeschriebenen Vorhaben, das Entgelttransparenzgesetz weiterzuentwickeln, bemerkte die grüne Sozialpolitikerin Beate Müller-Gemmeke, ein „verbindliches und zertifiziertes Prüfverfahren“ sei erforderlich. Das im Gesetz bisher auf freiwilliger Basis angelegte Überprüfen der Löhne durch die Betriebe schätzt sie, wie grundsätzlich auch das zweite Evaluationsgutachten der Bundesregierung vom Sommer 2023, als nicht wirksam genug ein.
Um betroffene Frauen zu stärken, möchte die Grünen-Fraktion es für Beschäftigte möglich machen, „individuelle() Rechte“ über Verbände vertreten zu lassen. Bei „strukturelle(r) Entgeltdiskriminierung“ sollten Gewerkschaften nach Auffassung von Müller-Gemmeke ein Verbandsklagerecht erhalten. Die Vorsitzende der Linken-Bundestagsgruppe Heidi Reichinnek fordert demgegenüber ein „Entgleichheitsgesetz“, dessen Befolgen zu kontrollieren sei, damit es effektiv werden könne. Außerdem verlangt die Linken-Abgeordnete, Beschäftigte in sozialen und Pflegeberufen dringend zu entlasten und besser zu bezahlen, die Löhne würden häufig nicht der Qualifikation entsprechen.
DGB und djb: EU-Richtlinie in bundesdeutsches Recht überführen
Einen substanziellen Fortschritt hin zu gleichen Löhnen erkennt der DGB wie der Deutsche Juristinnenbund (djb) in der neuen EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz (Drs, 2023/ 970). DGB-Vize-Chefin Elke Hannack sagte bei deren Überführen in rechtliche Regelungen, wie es nach dem Inkrafttreten im Juni 2023 bis 2026 für alle EU-Mitgliedsstaaten verbindlich ist, eine „echte Weiterentwicklung für das deutsche Lohntransparenzgesetz“ voraus. Unternehmen wären dadurch verpflichtet, regelmäßig die Gehaltsstrukturen daraufhin zu überprüfen, ob sie diskriminierungsfrei sind.
Das eindeutige Ziel der Richtlinie lasse bei deren Verwirklichung keinen Spielraum, urteilte die Leiterin der djb-Kommission für Gleichstellungsrecht Prof.in Isabell Hensel. „Geschlechtsspezifische Verzerrungen“ bei den Entgeltstrukturen müssten „systematisch und nachhaltig“ beseitigt werden. In einem Forderungspapier zum Equal Pay Day mahnt der djb den „dringenden Umsetzungsbedarf“ der EU-Richtlinie an. Diese mache „präzise und verbindliche Vorgaben“ zum Durchsetzen des Gebots der Entgeltgleichheit im öffentlichen wie im privaten Sektor. Das derzeit in der Bundesrepublik gültige Entgelttransparenzgesetz entspreche den Vorgaben nicht und müsse „entscheidend nachgebessert werden“.