zwd Berlin. In ihrer Stellungnahme zum GaFöG-Bericht betont die Regierung, dass das bundesweite Recht auf Ganztag „Bildungsteilhabe und Chancengerechtigkeit verbessern“ solle, weshalb ein verlässliches Ganztagsangebot von „groꞵer gesellschaftlicher Bedeutung“ sei. Unter Hinweis auf die statistischen Daten und auf diesen aufbauende Prognosen drängt die Bundesregierung in der als Unterrichtung (Drs. 20/ 14115) vorliegenden Studie darauf, die bisherige „Ausbau-Dynamik beizubehalten“, um in Zukunft bedarfsgerechte Ganztagsangebote für Grundschulkinder sicherzustellen. Laut Bericht stieg die Anzahl der Schüler:innen die an Ganztagsaktivitäten teilnehmen, im untersuchten Zeitraum 2022/ 2023 bundesweit um 130.000 (+ 7,8 Prozent) auf ca. 1,8 Millionen, ebenso erhöhte sich die Zahl der Ganztagsgrundschulen um 176 (+ 1,6 Prozent) auf insgesamt 11.196, was einem Anteil von 73 Prozent aller Primarschulen entspricht.
Zwar liege der Elternbedarf an Ganztagsbetreuung bereits im vierten Jahr unverändert bei 64 Prozent, insbesondere in Westdeutschland hätten Mütter und Väter jedoch zunehmend den Wunsch nach sog Übermittagsbetreuung mind. bis 14.00 Uhr (13 Prozent) geäuꞵert, im Osten der Republik hingegen nur 2 Prozent. Gleichzeitig zeige eine im Rahmen der Studie durchgeführte, qualitativ ausgerichtete Befragung, dass Leiter:innen von Ganztagseinrichtungen einen wachsenden Bedarf an Betreuung erwarten und planen, die Angebotszeiten auszuweiten. Den gemäꞵ Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) jährlich von der Bundesregierung dem Parlament zu übermittelnden, vom Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) federführend verantworteten Bericht erstellte wie im Vorjahr die Prognos AG gemeinsam mit dem Institut für Theorie und Empirie des Sozialen (ITES).
Bei steigendem Bedarf brauchen über 480.000 Kinder mehr Betreuung
Wie beim ersten Bericht ermittelten die Autor:innen den künftigen Ganztagsbedarf von Eltern anhand zweier Szenarien. Im Status-Quo-Modell, d.h. bei gleichbleibender Eltern-Nachfrage, prognostizieren sie bis zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs für Schüler:innen der ersten Klasse ab August 2026 271.000 zusätzlich benötigte Plätze, im dynamischen Modell, das einen Bedarfsanstieg um 10 Prozent, höchstens jedoch auf 95 Prozent veranschlagt, wären 413.000 weitere Ganztagsplätze erforderlich. Im Durchschnitt beider Schätzungen werde man aus Sicht der Forscher:innen folglich etwa 342.000 mehr Betreuungsplätze brauchen. Bis das im GaFöG festgelegte Recht aller Grundschulkinder auf ganztägige Bildungs- und Freizeitangebote im Schuljahr 2029/ 2030 gilt, müssten demgegenüber für 300.000 (Status-Quo-Szenario) bis 481.000 mehr Kinder neue Plätze (dynamisches Szenario) geschaffen werden.
Der Bund unterstützt Länder und Gemeinden beim Erweitern dafür wichtiger Infrastruktur 2020 bis 2027 mit insgesamt 3,5 Mrd. Euro und entlastet die Länder hinsichtlich der anfallenden Betriebskosten über geänderte Umsatzsteueranteile zwischen 2026 und 2029 mit 2,48 Mrd. Euro, ab 2030 dauerhaft mit jährlich 1,3 Mrd. Euro. Nach Angaben des GaFöG-Berichts macht die Analyse der in Anspruch genommenen Formen von Ganztagsangeboten deutlich, dass fast alle Länder überwiegend oder sogar ausschlieꞵlich von Schulen organisierte Betreuung ausbauen, z.T. in Kooperation mit auꞵerschulischen Trägern, weniger von der Kinder- und Jugendhilfe (KJH) u.a. bereitgestellte Aktivitäten.
Höhere Nachfrage im Westen, breitere Ganztagsstrukturen im Osten
Nach Auffassung der Regierung sollten für die allgemein anzustrebende „Qualitätsentwicklung im Bildungssystem“ im Ganztagsbereich für Grundschüler:innen die von der Kultusministerkonferenz (KMK) 2020 herausgegebenen Vorschläge zu „Entwicklung und Ausbau einer kooperativen Ganztagsbildung in der Sekundarstufe I“ grundlegend handlungsleitend sein. Sie sehen die u.a. Rahmenvereinbarungen auf Landesebene, projektbezogene oder übergreifende Konzepte zur Zusammenarbeit von Schulen, Trägern der KJH und au?erschulischen Partner:innen sowie Beteiligung von Schüler:innen zur Gestaltung der Angebote vor.
Die regionalen Unterschiede beim Ganztagsbedarf, v.a. zwischen Ost- und Westdeutschland, sind der Studie zufolge weiterhin erheblich. Die meiste Nachfrage nach Betreuung verzeichnen die westdeutschen Bundesländer. In den ostdeutschen Regionen ist der Elternbedarf mit 88 Prozent höher als im Westen (58 Prozent), wobei die Kinderzahlen in den neuen Ländern aber, ausgenommen Berlin, ab 2025/ 2026 sinken werden. Das geringere Erfordernis, ganztägige Aktivitäten auszubauen, sei in Ostdeutschland wie in Hamburg darüber hinaus durch schon vorhandene, vielseitige Ganztagsstrukturen, teilweise verbunden mit einem schon über Jahre gewährten Ganztagsrecht, erklärbar. Die höchste Quote von Kindern, die ganztagsschulische Einrichtungen besuchen, hatte 2023 Hamburg mit 97 Prozent, gefolgt von Sachsen (90 Prozent) und Thüringen (88 Prozent), die niedrigsten Raten wiesen Bayern (35 Prozent), Schleswig-Holstein (41 Prozent) und Baden-Württemberg (50 Prozent) auf.
Personallücke lässt sich nicht allein mit Fachkräften beseitigen
Weitere Herausforderungen ergeben sich nach Aussagen der Studienautor:innen beim Personal, in erster Linie durch den Fachkräftemangel. Über die Hälfte (56 Prozent) der befragten Leiter:innen von Ganztagseinrichtungen setzen voraus, dass sie perspektivisch mehr Personal einstellen müssen, um den Rechtsanspruch erfüllen zu können, bei Schulleiter:innen ist es im Vergleich damit ein noch viel gröꞵerer Anteil (ca. 90 Prozent). Der Bericht konstatiert, dass diese Personallücke mit Fachkräften allein nicht zu überwinden sei. Dennoch wendet sich die Regierung ausdrücklich gegen eine „Aufweichung von Fachkräftestandards und Dequalifizierung“, um qualitativ hochwertige Betreuung zu garantieren. In der zusammen mit Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und Fachleuten erarbeiteten Gesamtstrategie Fachkräfte in Kita und Ganztag empfiehlt das BMFSFJ diverse Maꞵnahmen, wie Weiterbildung, erleichterten Quereinstieg, Umschulungen, Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen und attraktivere Arbeitsbedingungen, um die Personalsituation bei der Ganztagsbetreuung zu verbessern.