MENSCHENRECHTSBERICHT 2023/ 2024 : DIMR tritt für Gewaltschutz und Demokratieförderung ein

12. Dezember 2024 // Ulrike Günther

Bekämpfen von Rassismus, Antisemitismus und Gewalt an Frauen, Schutz vor Kinderarmut, von Rechten Geflüchteter sowie inklusive Bildung sollten für die Bundesregierung beim Umsetzen der Empfehlungen des UN-Menschenrechtsrats Priorität haben, fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) in seinem aktuellen Bericht. Angesichts der derzeitigen Bedrohungen des Rechtsstaats tritt es auch für ein – bisher von FDP und CDU/ CSU blockiertes – Demokratiefördergesetz ein.

Für das DIMR sind Kampf gegen Frauengewalt und Kinderarmut zentral..  -  Bild: pixabay
Für das DIMR sind Kampf gegen Frauengewalt und Kinderarmut zentral.. - Bild: pixabay

zwd Berlin. Die Direktorin des Instituts Prof.in Beate Rudolf und ihr Stellvertreter Michael Windfuhr betonen im Vorwort die Bedeutung von Schutz und Verteidigung des demokratischen Rechtsstaats. Wichtig dafür seien das Engagement „vieler gesellschaftlicher Akteure“, besonders der Einsatz zivilgesellschaftlicher Organisationen „für Demokratie und Menschenrechte“. Ausdrücklich heben Rudolf und Windfuhr hervor, dass Menschenrechtsarbeit auch steuerrechtlich „als gemeinnützig anzuerkennen“ sei und „dauerhafte staatliche Förderung“ brauche. Angesichts der „gegenwärtigen Bedrohungen des demokratischen Rechtsstaats“ sehen sie daher das parlamentarische Votum zugunsten eines – bisher v.a. am Widerstand von FDP und CDU/ CSU gescheiterten – Demokratiefördergesetzes als dringlich an.

Im vom DIMR am 09. Dezember dem Bundestag übergebenen Bericht über die „Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland“, Juli 2023 bis Juni 2024, bilden Schutz von Flüchtlingen und das verschärfte Migrationsrecht, Obdachlosigkeit, Ausgrenzung beeinträchtigter Menschen auf dem Arbeitsmarkt, Ausbeutung von Wanderarbeiter:innen und unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte (Lieferketten) die Schwerpunkte. Beim Thema Wohnungslosigkeit unterstreicht das DIMR die gesetzliche Pflicht der Kommunen, in Unterkünften Gewaltschutz zu gewährleisten, insbesondere „für gewaltbetroffene Frauen, LSBTIQ*, Kinder und Menschen mit Behinderungen“. Wie im vorigen Report 2022/ 23 mit Fokus auf geschlechtsbezogener Gewalt (zwd-POLITIKMAGAZIN informierte) empfiehlt das Institut auch in seinem am 03. Dezember veröffentlichten, im Auftrag des Familienministeriums erstellten Monitor zu Frauengewalt, u.a. das Bleiberecht speziell durch einen "verlängerbare(n) Aufenthaltstitel" für von häuslicher Gewalt bedrohte Migrantinnen zu ändern. Überdies sei "geschlechtsspezifische Verfolgung als Fluchtgrund" durch das Bundesamt für Migration (BAMF) anzuerkennen. Das DIMR übermittelt gemäꞵ gesetzlicher Bestimmung einmal jährlich den Menschenrechtsbericht an das Parlament, das in der Folge darüber debattiert.

DIMR: Kinderrechte und Verbot von LGBTQI+-Diskriminierung ins GG

Das Institut drängt darauf, möglichst rasch die angestrebten, von den UN empfohlenen verfassungsrechtlichen Änderungen vorzunehmen, d.h. Kinderrechte im Grundgesetz (GG) zu verankern, Benachteiligung aufgrund geschlechtlicher Identität bzw. sexueller Orientierung zu verbieten und im Anti-Diskriminierungs-Paragraphen (Artikel 3 GG, Absatz 3) das – vielfach als ungeeignet und den rassistischen Diskurs tendenziell fortschreibend kritisierte - Wort „Rasse“ zu ersetzen. Dies seien Verpflichtungen, die laut DIMR – erst recht nach dem vorzeitigen Auslaufen der Legislatur durch den bei der Abfassung des Menschenrechtsberichts noch nicht erfolgten Koalitionsbruch – auch für die folgende Regierung weiterwirken würden.

UN-Kommissar: Priorität für Gewaltschutz und Kampf gegen Kinderarmut

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte – der österreichische Jurist Volker Türk – habe mit Blick auf die Realisierung der Empfehlungen der UN-Arbeitsgruppe aus dem Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahren (UPR) zur Menschenrechtslage in Deutschland in seinem an die Bundesregierung gerichteten Schreiben dem „besseren Schutz von Frauen vor Gewalt und mehr Unterstützungsangebote(n)“ sowie „Kampf gegen Kinderarmut“ und der „Einführung der Kindergrundsicherung“ Priorität eingeräumt. Darüber hinaus habe er vorgeschlagen, einen „Nationalen Mechanismus für Berichterstattung und Folgemaꞵnahmen“ einzurichten, um die Umsetzung der von der Bundesrepublik akzeptierten UN-Empfehlungen abzusichern. Das DIMR fordert seinerseits, dem Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Gewalt an Frauen, dem „Schutz vor Armut, einschlieꞵlich Kinderarmut“ und der „fundamentalen Rechte Geflüchteter“, ebenso wie der „Sicherung inklusiver Bildung“ Vorrang zu geben.

UPR-Arbeitsgruppe rät zu Gleichstellungsstrategie und Gender Budgeting

Anfang 2024 hatte die Koalitionsregierung nach Angaben des DIMR zu den UPR-Empfehlungen Stellung bezogen und 284 der insgesamt 345 Vorschläge angenommen, darunter Förderung der Gleichstellung, Beschluss einer umfangreichen Gleichstellungsstrategie, Gender Budgeting im Bundeshaushalt und eine Strategie zum Bekämpfen von Gewalt gegen Frauen. Weitere, von Deutschland unterstützte UN-Vorschläge betreffen das Überwinden struktureller Benachteiligung von Schüler:innen mit Migrationshintergrund, die Ergänzung des Selbstbestimmungsgesetzes für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren, Strafverfolgung bei Angriffen gegen Personen aufgrund geschlechtlicher Identität oder sexueller Orientierung sowie Versuche, gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von LGBTQI+ vorzugehen.

Hinsichtlich der von der Bundesrepublik ratifizierten UN-Menschenrechtsverträge, Staatenüberprüfungsverfahren und Konventionen des Europarates hat die Regierung dem DIMR zufolge zum Übereinkommen zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen (CEDAW) bis 2025 über den Zwischenstand zu informieren, zur Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt im selben Jahr einen Länderreport und zur UN-Kinderrechtskonvention bis 2027 den 7./ 8. Staatenbericht einzureichen. Zum Übereinkommen zur Beseitigung von Rassendiskriminierung (ICERD) hatte die UN nach dem von deutscher Seite bereits 2020 vorgelegten Staatenreport 2023 ihre Empfehlungen ausgesprochen (zwd-Portal berichtete).

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