FÖRDERMITTEL-AFFÄRE : Stark-Watzinger bleibt schweigsam

13. September 2024 // Fabian Runkel / Holger H. Lührig

„Es gibt mir die Möglichkeit, einige Dinge klarzustellen.“ Mit diesen Worten begann Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger ihr einleitendes Statement in der Sondersitzung des Bundestagsausschusses für Bildung und Forschung am 10. September. Der Ausschuss hatte sie geladen, um Antworten auf unbeantwortete Fragen zu Abläufen in ihrem MInisterium im Zusammenhang mit der Fördermittelaffäre zu erhalten. Tatsächlich begnügte sich die Ministerin mit der Wiederholung bekannter Sachverhalte, die "aufgeklärt" seien. Ohne einen Untersuchungsausschuss werde nicht mehr zu erfahren sein, resümierten die mit den Antworten unzufriedenen Parlamentarier:innen.

Stark-Watzinger und Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Brandenburg am 10. Sempember im Bundestagsbildungsausschuss (Livestream BTG)
Stark-Watzinger und Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Brandenburg am 10. Sempember im Bundestagsbildungsausschuss (Livestream BTG)

"Fragen nur bewertet, aber nicht beantwortet"

„Sie haben meine Fragen bewertet, aber nicht beantwortet“, warf der bildungspolitische Sprecher Unionsfraktion Thomas Jarzombek der Bundesministerin in der Ausschusssitzung vor: „So kann eine Befragung ganz sicherlich nicht stattfinden.“ Auf seine Frage, wie es genau zu den verschieden Aktivitäten im Bundesministerium für Bildung undf Forschung (BMBF) gekommen und wie die hausinterne Kommunikation dazu abgelaufen war, verweigerte die Ressortchefin auf der von der CDU beantragten Ausschuss-Sondersitzung jede Auskunft. Sie kommentiere private Kommunikation nicht, erklärte Stark-Watzinger zu Frage hinsichtlich der Wire-Kommunikation. Offen blieb, in welchem Umfang der Wire-Messingerdienst für dienstliche Angelegenheiten genutzt worden ist und Eingang in die Aktenführung des Ministeriums gefunden hat. Darüber hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" detailliert berichtet.

Konkret geht es um den Umgang des Ministeriums mit einem offenen Brief, in welchem Hochschullehrende aus Berlin ihre Unterstützung propalästinensischer Proteste unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit erklärt hatten. Unter anderem war Innerhalb des BMBF auf Anweisung des Abteilungsleiters IV eine Liste dieser Lehrkräfte erstellt worden. Im Hinblick auif die Liste ging es um die Fragestellung, inwieweit die von den Hochschulangehörigen verfasste Erklärung als grundgesetzwidrig einzuordnen sei. Diese Prüfung hierzu ist nach den Worten von Stark-Watzinger mit ihrem Einverständnis erfolgt. Die Fachebene hatte daraufhin festgestellt, dass die Erklärung durch die verfassungsrechtlich geschätzte Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt sei. Die erstellte Liste sei im Fachreferat verblieben, beteuerte die MInisterin vor dem Ausschuss in Wiederholung früherer Erklärungen. Unaufgeklärt blieb, welche Rolle der zuständige Abteilungsleiter letztlich gespielt hat. Weniger im Zentrum der Ausschussbefragung stand der Prüfauftrag, ob diesen Lehrkräften Fördergelder gestrichen werden könnten. Nach Stark-Watzingers Aussagen hat es sich hierbei um einen missverstandenen Auftrag der daraufhin von ihr entlassenen Staatssekretärin Prof.in Sabine Döring gehandelt.

Die große Streitfrage bleibt, wie genau mit diesem Auftrag umgegangen worden war. Die geschasste Staatssekretärin Sabine Döring durfte sich gemäß dem von Stark-Watzinger eingeforderten beamtenrechtlich begründeten Verschwiegenheitsgebot nicht äußern. Sie saß während der Sondersitzung am 10. September als Zuhörerin auf der Tribüne. Gleichwohl kam eine Äußerung, die Doring am Morgen des Tages gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio abgegeben hatte, im Ausschuss zur Sprache.

Clara Bünger (Die LINKE)

Die LINKEN-Politikerin Clara Bünger zitierte Döring dort gegebenen Erklärung, mit der sie ihr Schuldbekenntnis erst kurz revidiert hatte: "Nachdem die Wissenschaft ohnehin nicht glaubt, dass ich eine förderrechtliche Prüfung beantragt hätte, hat das Verwaltungsgericht Minden nun bescheinigt, dass das BMBF deutlich gemacht habe, dass ich es nicht war, hoffe ich, dass wir heute erfahren, wer es war". Der Linken-Politikerin hielt die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Ria Schröder entgegen, dass diese Verschwiegenheitspflicht zu Dörings eigenem Schutz gefordert sei:

Ria Schröder (FDP)„Weitere Widersprüche, die dann beamtenrechtlich möglicherweise Konsequenzen für sie haben, das dient ja nicht ihrem Schutz", gab Schröder zu bedenken.



SPD und Grüne wollten Thema eigentlich mit der umfassenden Beantwortung ihrer Fragen abhaken

Prof. Anja Reinalter (B90/Grüne)Angesichts des desaströsen Bildes und des Misstrauens gegenüber dem BMBF zum Umgang mit der „Wissenschaftsfreiheit“ verlangte die Bildungssprecherin der Grünen-Fraktion Prof.in Anja Reinalter von Stark-Watzinger, dass „Sie uns Ihr Wort geben, und garantieren, dass in Bezug auf die Fördermittelaffäre nichts Weiteres veranlasst wurde, was Zweifel am Umgang mit der Wissenschaftsfreiheit im BMBF aufkommen lassen könnte.“ MIt dem Versprechen, das Stark-Watzinger abgab, sehen die Grünen als Koalitionspartner die Möglichkeit, "wieder nach vorne zu schauen".

Auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Oliver Kaczmarek (SPD) wünschte sich im Hinblick auf die Beantwortung der von ihm gestellten Fragen, den Blick ebenfalls schnellstmöglich wieder in die Zukunft zu richten, da einiges noch auf der Agenda stünde. Gegenüber Stark-Watzinger hakte er nach: Welche Vorkehrungen das BMBF treffe, um „Wiederholungen dieser Art zu vermeiden?“

Oliver Kaczmarek (SPD)

Auch hier gab es keine klare Antwort von Stark-Watzinger, genauso wenig wie auf Kaczmareks Frage bezüglich privater Kommunikationskanäle in der Messenger-App „Wire“: „Im Vergleich zur letzten Sitzung hat es Berichterstattung gegeben, über interne Kommunikation, über ein bestimmtes System auch, wo Sie sich entschieden haben, die dem Ausschuss nicht zur Verfügung zu stellen. Warum? Und können Sie die Darstellung, die unter anderem im Spiegel zu lesen waren, als unwahr zurückweisen?“ Stark-Watzinger wiederholte dazu lediglich, Privates maße sie sich nicht an, in einer solchen Sitzung in die Öffentlichkeit zu tragen.


CDU äußert Zweifel an der Berufung von Dr. Roland Philippi als Staatssekretär

Thomas Jarzombek (CDU)

Der CDU-Abgeordnete Jarzombek warf der Bildungsministerin im Hinblick auf diese Chats erneutes Ausweichen vor: Wenn laut Medien-Berichterstattung in privaten Chaträumen dienstliche Themen zur Sprache kämmen, so Jarzombek, dann seien solche Gruppen ab diesem Moment keine private Angelegenheit mehr – zumal gerade hier nach Insider-Informationen ausschlaggebende Handlungen zu dieser Affäre zumindest besprochen worden seien.

Stephan Albani (CDU)

Jarzonbeks Fraktionskollege Stephan Albani zweifelte zudem an Nachfolgeregelung für die ehemalige Staatssekretärin Döring. Zu ihrem Amtsnachfolger war am 19. Juli der bisherige BMBF-Grundsatzabteilungsleiter Dr. Roland Philippi (FDP) ernannt worden. Albani erinnerte an verschiedene Medienberichte, laut denen Philippi im Zusammenhang mit der Berliner Erkärung hausintern diese Wissenschaftler als „verwirrte Gestalten“ betitelt und eine von ihnen auszuübende Selbstzensur im Hinblick auf die Stellung von Förderanträgen als sinnvoll erachtet hatte. Diese Aussagen habe er über Wire getätigt. Die Äußerungen auf dieser Messenger-Plattform betrachtet Stark-Watzinger als „privat“; sie würden daher von ihr "nicht kommentiert".


SPD zeigt die Möglichkeit auf, die dem Ausschuss übergebenen teilgeschwärzten
Dokumente in der Geheimschutzstelle des Bundes vollständig ansehen zu können

Marja-Liisa Völlers (SPD)

Die Bundestagsabgeordnete Marja-Liisa Völlers (SPD) plädierte dafür, die bisher unvollständigen vom BMBF dem Ausschuss übergebenen teilgeschwärzten Unterlagen der Geheimschutzstelle des Bundes zuzuleiten. Die FDP wies diese Bitte ab. Sie sehe ein Sicherheitsrisiko darin, diese Daten "der Öffentlichkeit" preiszugeben. Die Geheimschutzstelle sei eben nicht der Öffentlichkeit zugänglich und unterläge der Verschwiegenheitspflicht, erwiderte Völlers. Es würde lediglich Klarheit innerhalb des Ausschusses geschaffen werden können. Stark-Watzinger blieb auch hier eine Antwort schuldig.

CDU kritisiert mangelnde Transparenz scharf – sieht dennoch keinen Handlungsbedarf

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte nach der Ausschusssitzung die Abgeordneten des Bundestages auf, dem "unwürdigen Schmierentheater ein Ende zu setzen." Sie verlangt vom Bundestag einen schleunigen Untersuchungsausschuss. „Dieser Schritt ist notwendig, um weiteren Schaden vom deutschen Wissenschaftssystem abzuwenden“, betonte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. Ob ein Forschungsprojekt gefördert wird, dürfe nicht von politischen Meinungsäußerungen der Forscherinnen und Forscher abhängig gemacht werden. "Die Ministerin hält Akten unter Verschluss und hat der im Zuge der Affäre entlassenen Staatssekretärin Sabine Döring (FDP) einen Maulkorb verordnet", wertete Keller die Ausschusssitzung am 10. September.

Die Union plant trotz ihrer schweren Vorwürfe keinen Untersuchungsausschuss. Man könne sich die „Ressourcen am Ende sparen“, äußerte Jarzombek gegenüber der Süddeutschen Zeitung nach der Sitzung: „Wenn die Dinge, um die es hier geht, mündlich passiert und nicht in Akten verschriftlicht sind, würden wir auch in einem Untersuchungsausschuss nicht schlauer werden.“ Der Bildungsjournalist und Blogger Jan-Martin Wiarda resümierte, dass die Union unter anderem mit der anlaufenden Migrationsdebatte einfach größere Prioritäten habe. Wiardas Einschätzung: „Weiteres Spekulieren, Implizieren und hartnäckiges Nachfragen unter den jetzigen Bedingungen verursachen nur immer weiteren Schaden am demokratischen Prozess und der Debatte über Wissenschaftsfreiheit. Doch kann die Antwort nicht sein, das Fragen zu lassen, sondern die Bedingungen zu ändern.“

Gerichtliche Verfahren laufen weiter

Wegen der Veröffentlichung der angeblich privaten Wire-Chatverläufe hat das Transparenzportal „FragDenStaat“ nachgefragt und gerichtlich Klage auf Herausgabe eingefordert. Das Gerichtsurteil hierzu steht aus. Auch die Klage von Prof.in Döring auf Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht, die beim vom Verwaltungsgericht Minden im einstweilen Anordnungsverfahren abgewiesen worden war, wird dem Vernehmen im Hauptsache-Verfahren weitergeführt. Das könnte der Affäre auch im Parlament neuen Schwung geben. Solange die Fragen von der Ministerin noch wirklich umfassend aufgeklärt sind, bleibt sowohl in der wissenschaftlichen Community als auch in der Öffentlichkeit das Vertrauen in Stark-Watzinger und das von ihr geleitete Bildungsministerium weiterhin beschädigt.


Siehe auch auch die ausführliche Bericherstattung über die BMBF-Fördermittelaffäre im zwd-POLITIKMAGAZIN Ausgabe 402:
Die Titelgeschichte im zwd-POLITIKMAGAZIN 402 (Print) fragt, wie lange sich Bundesbildungsministerin Bettina Start-Watzinger (FDP) noch im Amt halten kann.

Artikel als E-Mail versenden