zwd Berlin. DF-Vorstandsmitglied Sylvia Haller nannte den erneuten Anstieg bei sexualisierter Gewalt anlässlich der Vorstellung der BKA-Statistik am Dienstag „beschämend“. Als „besonders alarmierend“ beurteilte sie den hohen Anteil sexuell übergriffiger Jugendlicher. Haller kritisierte, die Bundesregierung habe sich zwar das Bekämpfen von Gewalt an Frauen vorgenommen, bisher jedoch noch nicht „geliefert“. In erster Linie forderte sie eine Anti-Gewalt-Strategie „mit starken Maßnahmen“ zur Prävention. Diese sollten „bereits in der Schule“ ansetzen und finanziell abgesichert sein. Die Regierung hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, eine „ressortübergreifende politische Strategie“ gegen Gewalt zu entwerfen, die den Fokus auf „Gewaltprävention und die Rechte der Betroffenen“ legt
DF: Finanzhilfen für Frauenhäuser staatliche Pflichtaufgabe
Laut DF-Vorständin Haller verdeutlichen die „hohen Fallzahlen“ der PKS überdies, dass der Bund und die Länder „den nachhaltigen Ausbau und die auskömmliche Finanzierung der Beratungsstellen dringend anpacken“ müssen. Frauenhäuser und -beratungsstellen würden Betroffene unterstützen, um die Absichten der Täter:innen zu vereiteln. Die Einrichtungen angemessen zu finanzieren, sei eine „Pflichtaufgabe des Staates“, so Haller. Nach Angaben des BKA erhöhte sich die Anzahl der statistisch erfassten Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen und Übergriffe mit 12.186 Fällen gegenüber dem Vorjahr um 2,4 Prozent. 94,5 Prozent der Opfer dieser Kriminaldelikte waren weiblich, 98,5 Prozent der mutmaßlichen Täter:innen hingegen Männer. Fast ein Viertel (24,6 Prozent) der tatverdächtigen Personen im Bereich sexualisierter Gewalt waren unter 21 Jahre alt, 12,6 Prozent 14- bis 18-Jährige.
Faeser: Speichern von IP-Adressen für besseren Schutz von Kindern
Bundesinnenministerin Faeser hob angesichts von gestiegener Gewalt-, Jugend- und Ausländer:innenkriminalität hervor, der Rechtsstaat müsse „hart gegen Gewalt durchgreif(en)“. Zugunsten einer gestärkten inneren Sicherheit sollen u.a. die zuständigen Behörden die erforderlichen Befugnisse erhalten. Dazu gehört nach Ansicht von Faeser die „Speicherung von IP-Adressen“, mit dem vorrangigen Ziel, „Kinder besser vor entsetzlicher sexualisierter Gewalt schützen und die Täter stoppen zu können“. Der amtierende Vorsitzende der Konferenz der Innenminister:innen (IMK) Michael Stübgen (CDU) verlangte von der Koalitionsregierung „mehr Engagement“, um gegen Kindesmissbrauch und Verbreiten von Kinderpornographie zu kämpfen.
Ähnlich wie Faser erklärte der brandenburgische Innenminister, man müsse das Speichern von IP-Adressen gemäß den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ermöglichen. Mit fast 4,7 Prozent nahm der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Vergleich mit 2022 deutlich zu. Stübgen sagte, es sei „nicht zu ertragen“, eine entsprechende Gesetzesgrundlage zu blockieren, die Kindern Schutz bieten könnte. Der Bundestag hatte einen Unionsantrag zum Speichern von IP-Adressen und Schutz von Kindern vor Missbrauch (Drs. 20/ 3687) im Januar mit den Stimmen aller anderen Bundestagsfraktionen auf der Basis der Beschlussempfehlung (Drs. 20/ 9527) – mit Argumenten zu Rechtssicherheit, zu langer Speicherdauer und Schwerpunkt auf Bekämpfen von Kindesmissbrauch- abgelehnt.
IMK: Cyber-Mobbing zu gesondertem Straftatbestand machen
Darüber hinaus setzt sich der IMK-Vorsitzende nach eigenen Aussagen dafür ein, Cyber-Mobbing, ein im Internet sich spürbar verbreitendes Phänomen, als „gesonderten Straftatbestand“ anzuerkennen. Es habe für die Opfer, die online „in der Anonymität und Reichweite“ der Aktivitäten zahlreichen Angreifer:innen ausgeliefert seien, „schwerwiegende Folgen in allen Lebensbereichen“. BKA-Präsident Holger Münch führte die allgemeine Zunahme von Gewaltverbrechen außer auf den „Ausgleich der pandemiebedingten Rückgänge“ zusätzlich auf die „wirtschaftliche Entwicklung“, „gestiegene Migration“ sowie „höhere Mobilität“ zurück. Münch stellte in Aussicht, das BKA werde vor allem die Tendenzen der „Gewalt- und Jugendkriminalität (…) beobachten und analysieren“, um möglicherweise nachzusteuern und Ansätze zur Bekämpfung und Vorsorge anzupassen. Insgesamt verzeichnete die PKS ein Anwachsen der Gewaltkriminalität um 8,5 Prozent (ca. 214.100 Straftaten). Fast ein Drittel der Tatverdächtigen (32,7 Prozent) waren Kinder, Jugendliche und Heranwachsende.